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Marschieren und Schießen lernen: Dazu bietet die Bundeswehr den Angehörigen der Generation Z in Kürze kostenlose Sechsmonatslehrgänge an. |
Sie sind viel zu wenige, aber zugleich viel zu viele. Die kommende Wehrpflicht, freiwillig unter Wahrung des Bürgerrechts auf Verweigerung bis zur Ausrufung des Spannungsfalls, stellt Union und SPD vor beinahe unlösbare Probleme. Die Quantennatur der Bevölkerungsstruktur wirft Fragen auf, denen der Bundesgesetzgeber mit einfachen Mitteln nicht beikommen kann.
Soll Deutschland künftige Armee die stärkste Europas werden, wie es der Kanzler seinen Wählerinnen und Wählern in die Hand versprochen hat, braucht sie deutlich mehr Menschenmaterial als heute. 370.000 Männer in Uniform mindestens, von 500.000 sogar träumt der Verteidigungsminister, der als beliebtester Politiker des Landes das letzte Wort auch über vor langer Zeit geschlossene völkerrechtlich bindende Verträge hat.
Zu hoch und zu tief
Doch beide Zahlen sind zweierlei zugleich: Zu hoch, um die Truppe nur mit Freiwilligen aufzufüllen. Und zu niedrig, um alle Angehörigen der gerade wehrfähigen Generation Z in den Genuss einer kostenlosen Ausbildung an der Waffe, auf der Sturmbahn und im Kommandobunker kommen zu lassen. Selbst wenn die Fachberater der einschlägigen NGOs fleißig sind und die ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel optimal nutzen, droht die vom Bund finanzierte Bundeswehrwerbung im schlimmsten Fall mehr Wehrwillige anzulocken, als der Restbestand an Kasernen zu fassen vermag.
So lange der dritte Weltkrieg zwar bereits begonnen, aber noch nicht angefangen hat, fehlt ein wirksamer Mechanismus, mit dem sich das Überangebot an Wehrfähigen und das Unterangebot von Wehrwilligen wirksam austarieren lassen. Selbst wenn es bei der verfassungsrechtlich bedenklichen Beschränkung der Wehrpflicht auf männlich gelesene Rekruten bleibt, stehen mehr als 320.000 junge Männer bereit, die nur noch zu schaffenden 100.000 Plätze für Wehrdienstleistende zu füllen.
Ein Stuhltanz um jede Stelle, auf die formal jeder Anspruch hätte, der die Aufforderung bekommen hat, sich zur Prüfung seiner Feld- und Fronttauglichkeit mustern zu lassen. Als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, diente das als Begründung: Ohne Wehrgerechtigkeit sei keine Wehrpflicht aufrechtzuerhalten. IN Zeiten, in denen der Bundesnachrichtendienst (BND) schon das Risiko einer "zeitnahen Eskalation" mit Russland sieht, eine Katastrophe.
"Wir dürfen uns nicht zurücklehnen in der Annahme, ein möglicher russischer Angriff käme frühestens 2029", hat BND-Chef Martin Jäger eben erst gewarnt. Bis dahin wird es ohnehin knapp mit dem Aufbau eines neuen Reservistenstocks. Aber "wir stehen schon heute im Feuer", warnte Jäger Abgeordnete im Bundestag vor der weiteren Verschiebung einer - wenigstens - freiwilligen Wehrpflicht.
Großstadtjugend will dienen
Die Politik steht vor einer Entscheidung, die immer ungerecht sein wird, gerade weil sich Wehrwilligkeit angesichts der russischen Bedrohung heute nicht mehr nur in den traditionellen Kreisen der nach ewiggestrigen Werten erzogenen Landbevölkerung findet. Es sind längst auch progressive Großstädter mit grünem und linkem Hintergrund, die bereit sind, fürs Vaterland zu sterben, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Sie ausgrenzen? Unmöglich, auch ihr Kampfwert womöglich bescheiden sein wird. Die anderen aber, die eher aus dem Handwerker- und Facharbeitermilieu kommenden Rekruten, werden wirklich gebraucht. Auf sie kann die Bundeswehr nicht verzichten.
Union und deutsche Sozialdemokratie haben lange gestritten, sogar eine erste Lesing des neuen Wehrpflichtgesetzes wurde eigens verschoben, um eine zukunftstaugliche Lösung zu finden. Nun soll ein Losverfahren entscheiden, wer das Ehrenkleid anziehen und einrücken darf. Und wer das Pech hat, außen vor zu bleiben. Vorbild sind wie so oft die Vereinigten Staaten. Dort wurde auf dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges die "War Draft Lottery" ausgespielt: Angestellte des Selective Service System zogen die Geburtsdaten von jungen Männern, die zum Militärdienst antreten durften.
Vorbild Vereinigte Staaten
Die Ziehung wurde live im Radio übertragen. Ein echter Straßenfeger, denn es ging für alle um pure Überleben. 366 Kugeln in einer Glasschüssel, eine für jeden Tag des Jahres, entschieden, wer ins ferne Vietnam geschickt wurde und wer daheim blieben durfte. Gerechter geht es nicht, hatte die US-Regierung bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg befunden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die besseren Kreise ihre Sprösslinge recht gut vor dem Wehrdienst zu bewahren wussten. Die Lotterie sorgte für soziale Gleichheit bei der Einberufung. Und damit auch für gleiche Chancen auf den Heldentod, unabhängig von Herkunft, Vermögen und Ausbildung.
Für Verteidigungsminister Boris Pistorius, der es bei der Bundeswehr selbst bis zum Gefreiten brachte, ein Glückstreffer, der verspricht, das bisher geplante Auswahlverfahren gerecht abzurunden. In der ersten Runde würden alle männlich gelesenen Teenager eine Einladung zur Musterung erhalten. So lange ausreichend viele von ihnen zum kostenlos angebotenen Beschautermin erscheinen, dürften die, die sich aus Gewissensgründen nicht mehr dem Gedanken anfreunden können, die Heimat mit der Waffe zu verteidigen, daheim bleiben. Erst wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht, die Lücken in der Truppe aufzufüllen, müsste würde wie früher leichter Zwang angewendet, um den Pflichtcharakter des Ehrendienstes zu betonen.
Wehrgerechtigkeit per Los
Melden sich hingegen zu viele oder zu wenige junge Leute zum Dienst, würde die Lotterie entscheiden, wer eine Uniform anziehen darf - dann würden nach einem Bericht des aus SPD-Kreisen stets gut informierten Redaktionsnetzwerks Deutschland allerdings auch junge Männer gegen ihren Willen zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet.
Das sei nötig, um Wehrgerechtigkeit zu schaffen, weil sich der Wehrdienst weder verkürzen noch verlängern lasse. Sechs Monate seien nötig, um den Neuligen grundlegende Fähigkeiten wie das Marschieren im Verband, Waffenputzen, Schießen und Stubenpflege beizubringen. Eine kürzere Ausbildung erfülle nicht die Kriterien, die eine hochtechnisierte Armee wie die Bundeswehr an die Fähigkeiten ihrer Soldaten stelle. Dadurch werde die Zahl der Ausbildungsplätze auf absehbare Zeit begrenzt bleiben.
Offenbar planen die Koalitionsparteien deshalb eine direkt vor die ARD-Sendung "Lotto am Sonntag" geschaltete Show, bei der Prominente mit Wehrerfahrung aus den verpflichtend zurückgesandten Fragebögen Kandidaten auszulosen, die nach fachärztlicher Feststellung ihrer Tauglichkeit zu einem mindestens sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet sind.
Anders gehe es nicht, heißt es in Koalitionskreisen. Wegen des Überangebots an jungen Männern, die prinzipiell für den Dienst an der Waffe infrage kämen, und der unzureichenden Anzahl an Ausbildungsplätzen bei der Bundeswehr lasse sich der Vorwurf der Wehrwillkür nur über ein offenes und transparentes Auswahlverfahren ausschließen. Erfassung und grundsätzliche Verpflichtung eines kompletten Jahrgangs blieben, die Berufung zum Dienst aber orientiere sich am jeweils aktuellen Personalbedarf der Bundeswehr.
Sonntagabend ist Ziehung
Eine offizielle Bestätigung für das Vorhaben, eine Wehrlotterie unter dem Namen "Soldatenziehung" als Ergänzung zu "Spiel 77", "Glücksspirale" und "6 aus 49" einzuführen, konnte das RND weder von den Fraktionen von CDU/CSU und SPD noch von der Bundesregierung erhalten. Angesichts der Uneinigkeit in der Koalition über die Frage, wie Freiwilligkeit, verpflichtende Elemente und die vom Grundgesetz garantierte Möglichkeit der Totalverweigerung kombiniert werden könnten, ist der Einbau einer sogenannten Zufallskomponente aber wohl unumgänglich.
Allerdings gilt das wohl nur in der Phase des Aufbaus von Abschreckungspotential gegen Russlands Expansionsgelüste. Wie später vorgegangen wird, wenn sich angesichts der ersten Frontberichte nicht mehr genügend Freiwillige oder aber die Bundeswehr deutlich mehr Ersatzpersonal für ihre Truppen benötigt, steht nach RND-Angaben nicht im schon vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Zurück in den Normalmodus
Der Streit ist zurück in der kleinsten Großen Koalition aller Zeiten, nur wenige Tage nach der letzten großen Einigung beim Zusammenraufen um die wegweisende E-Autoprämie und dem Zank um den neuen Namen für das Bürgergeld. Pistorius möchte freiwilligen Zwang, Jens Spahn zur Not auch erzwungene Freiwilligkeit. Beide glauben, dass die Mehrheit der Bürger hinter ihnen steht und einen Sieg in der Frage Losverfahren oder Zufallsprinzip im kommenden Jahr bereits bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg honorieren wird.
Die wöchentliche "Soldatenziehung", nach Vorstellungen der CDU von Günther Jauch und Ina Müller als Gastgeber geleitet, würde aus Sicht von Medienpsychologen durchaus in die Zeit passen. "In Europa herrscht bestenfalls ein eisiger Friede, der punktuell jederzeit in heiße Konfrontation umschlagen kann", sagt Hans Achtelbuscher, einer der besten Beobachter der veränderten Seelenlage der Nation.
Verpönte Fähigkeiten
Früher lange verpönt Dinge wie Fähigkeiten im Umgang mit Waffen, Bereitschaft zur Verteidigung der Heimat oder auch die Anerkennung eines Begriffes wie "Nation" seien auf dem Vormarsch. Eine wöchentliche Wehrshow im Ersten, spannend und mit unterhaltenden Elementen, könne eine wichtige Funktion beim Ausbau der Resilienz des Hinterlandes der zukünftigen Front übernehmen.
"Wir müssen uns auf weitere Lageverschärfungen vorbereiten", warnt Achtelbuscher, "wenn unsere jungen Kämpfer einmal in der Woche zur besten Sendezeit im Fernsehen Präsenz zeigen, rückt das Russlands Anstrengungen, die Nato zu unterminieren, europäische Demokratien zu destabilisieren, Gesellschaften zu spalten und einzuschüchtern, in die öffentliche Wahrnehmung, glaubt der Chef des An-Institutes für Angewandte Entropie in Frankfurt an der Oder.
Wenn die Regierung in Moskau auf auf die Manipulation von Wahlen und öffentlicher Meinung, Propaganda, Provokation, Desinformation, Einschüchterung, Spionage, Sabotage, Luftraumverletzungen durch Drohnen und Kampfflugzeuge, Auftragsmorde und die Verfolgung im Ausland lebender Oppositioneller setze, sei eine solche Verlosung der einerseits knappen, andererseits nicht zureichend besetzbaren Plätze in Heer, Marine und bei Luftwaffe und Weltraumtruppe ein probates Mittel, Volk und Bevölkerung zu signalisieren, wie ernst die Lage ist.
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