Freitag, 3. Oktober 2025

Drohnenwall: Die fliegende Worthülsenfabrik

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Die SPD hatte lange einen klaren Klassenstandpunkt in der Drohnenfrage. Mittlerweile ist die frühere Volkspartei hier auf die Position der menschenfeindlichen AfD umgeschwenkt.

Sie fliegen überall, immerzu, seit zwei, drei Wochen schon. Als hätte der russische Präsident Wladimir Putin die Europäer vor ihrem Gipfeltreffen in Kopenhagen noch einmal extra motivieren wollen, alles gegen ihn aufzubieten, lässt er seine Drohnen fliegen. Oft beleuchtet, meist in Gegenden, deren Lufterkundung problemlos über Google Earth durchgeführt werden konnte. Der Westen ist gewarnt. Es wird ernst, denn Putin will der Menschen Angst machen mit seinen hybriden Angriffen. Und die Medien in ganz Europa machen sich bereitwillig zum Helfershelfer des Diktators, indem sie jeden Anflug eines mutmaßlich russischen Ufos melden wie einen Tieffliegerangriff.

Drohnen-Friends und -Freunde 

Zum Glück für die 440 Millionen EU-Europäer und ihren in der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) vereinten Freunden ist die Brüsseler Kommission nicht lange um eine angemessene Antwort auf die massenhaften Fremdflüge verlegen. Während Drohnen im deutschen Militär wie in der deutschen Politik noch vor sechs Wochen als unritterliche und unziemliche Waffe galten, die in den angedachten Aufrüstungsplänen keinerlei Rolle spielen sollte, reagierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen blitzschnell. 

Die Frau aus Niedersachsen, durch ihre frühere langjährige Tätigkeit als deutsche Verteidigungsministerin in Militärdingen deutliche erfahrener als der heute amtierende Christdemorat Boris Pistorius, brauchte vom ersten Auftauchen der Rätseldrohnen in Funk und Fernsehen nicht einmal vier Wochen, um mit einem ausgeklügelten Plan zur Verteidigung Europas in der Luft vorzulegen: Ein  "Drohnenwall" solle Europa künftig um geben, quasi der fliegende Teil des "Stählernen Stachelschweins" (steel porcupine), das die Kommissionspräsidentin im März in Dienst gestellt hatte.

Fürchterliche "Tötungsinstrumente" 

Widerworte kommen keine, nicht einmal von der SPD, die eine Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen über Jahre hinweg mit großen Erfolg verhindert hatte. Unter ihren Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die von Fraktionschef Rolf Mützenich unterstützt wurden, beharrte die führe Volkspartei darauf, dass militärpolitische Notwendigkeiten keine Rolle spielen dürften, wenn es darum gehe, neue fürchterliche "Tötungsinstrumente" (Taz) wenigstens von der eigenen Seite des Schlachtfeldes fernzuhalten. Mit einer gewissen Verzögerung ist inzwischen auch die SPD vom lange behaupteten klaren Klassenstandpunkt in der Drohnenfrage abgerückt. Mittlerweile hat die frühere Volkspartei hier Stellungen bezogen, die menschenfeindliche AfD seit sechs Jahren vertritt.

Der von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin gelieferte martialische Name ist natürlich die wirksamste Waffe am geplanten "Drohnenwall". Das neue "System zur Abwehr unbemannter Flugobjekte" werde ein "ein Schutzschild für unseren gesamten Kontinent" sein und die Grenzen "an Land, auf See und in der Luft", hatte Ursula von der Leyen angekündigt. Bei einem "Wall" handelt es sich sprachgeschichtlich um eine Aufschüttung aus Erde, Steinen oder anderen Materialien, mit der ein Bereich schützend umgeben oder abgeschirmt wird. Soll er aus Drohnen errichtet werden, kommt es auf Masse an. Knüppeldick müssen die Flugkörper massiert werden, um durch ihre schiere Menge jeden Angriff abweisen zu können.

Von der Leyens Konzept sieht vor, dass ganz Europa umschlossen wird. Nicht nur die als Ostflanke bezeichnete künftige Ostfront, sondern auch die Grenzen im Westen und Süden des Kontinents sollen demnächst mit großen Mengen von Drohnen geschützt werden. Naheliegend: Seit dem Brexit traut niemand in Brüssel den Briten wirklich. Und so lange Erdogan regiert, gilt es auch, den angriffslustigen Nato-Partner Türkei in Schach zu halten, der immer wieder gierig Richtung Griechenland und Zypern schielt.

Ein fliegendes Wällchen 

Mit Kosten von vier Milliarden rechnet von der Leyen offiziell, in Wirklichkeit aber ließe sich mit dieser Summe nicht einmal ein fliegendes Wällchen errichten. Allein um die NATO-Ostgrenze zu  Russland, Belarus und der Ukraine wirksam abzusichern, gilt es letztlich, entlang einer Strecke von  etwa 3.000 Kilometern Länge  - die finnisch-russischen Grenze mit 1.300 Kilometern, die baltischen Grenzen zu Russland und Belarus mit 1.000 Kilometern und die polnisch-belarussischen und rumänisch-ukrainischen Grenzen mit mehr als 600 Kilometern - grenznahe Drohnenstützpunkte aufzubauen. 

Selbst ohne die Berücksichtigung der maritimen Grenzen, die damit zwangsläufig allerdings Einflugschneisen für russische Drohnen blieben, wäre der Bau von 50 bis 60 Drohnenflughäfen erforderlich. Größere Abstände sind nicht möglich, weil jeder Stützpunkt unter Berücksichtigung der typischen Reichweiten von Drohnen (kleine ~2 km, mittlere ~10–20 km, schwere ~200 km) nur einen  FrontFlankenbereich von etwa 50 Kilometern Breite abdecken kann. Zumindest für mittlere und schwere Drohnen Bauart "Black Hornet" oder MQ-9 "Reaper" wären damit auch unterstützende Überlappungen der Gefechtsbereiche und eine nötigenfalls schnelle Rotation möglich.

Der wahre Preis des Abwehrschirms 

Ein solcher wirklich dichter "Abwehrschirm" (von der Leyen) hätte jedoch seinen Preis. Schon für den Erstbesatz jeder Wachstation wären 1.000 kleine Aufklärungsdrohnen, 200 mittlere und wenigstens zehn schwere Drohnen als Grundausstattung nötig. Eine DJI FlyCart 30 gibt es bereit zum Preis von 18.000 Euro, eine Black Hornet kostet aber bereits 100.000 Euro pro Stück. Die schweren Reaper, hergestellt von General Atomics und bekannt aus Hollywood-Filmen wie "Land of Bad" mit Russel Crowe, kosten schon weit mehr als eine Million Euro pro Stück.

Das summiert sich auf Strecke, ein Umstand, den Ursula von der Leyen und ihre Fachleute im Eifer des Vorgefechts offenbar weitgehend außer Acht gelassen haben. Die Strategin aus dem Berlaymont-Palast sprach gar nicht über Geld, denn das ist ihrer Erfahrung nach am Ende sowieso immer da. Doch Nato-Chef Mark Rutte merkte vorsorglich an, dass all das "viel Geld" kosten werde, "das die meisten Mitgliedsstaaten nicht haben". 

Lautes Schweigen über die Kosten 

Wie viel, darüber schwieg sich auch der nach seinem Scheitern als niederländischer Ministerpräsident  rasch zum Militärbündnis gewechselte Mann von der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie aus. Rutte war im Unterschied zu von der Leyen selbst nie beim Militär, nicht einmal wie der amtierende deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius als einfacher Gefreiter. Vielleicht wollte er nicht die Pferde scheu machen.

Denn was da auf die Gemeinschaft zukommt, wird etwas richtig Großes. Im  Idealfall werden zur Abdeckung der gesamten Grenze drei Millionen kleine Drohnen. Eine halbe Million größere und wenigstens 25.000 schwere Kampfdrohnen gebraucht. Die Kosten für die Starausrüstung dieses Drohnenwall-System liegen - großzügige Herstellerrabatte bereits eingerechnet - bei mehr als 300 Milliarden Euro. 

400 Milliarden in die Luft 

Um die 60 Stützpunkte rund um die Uhr zu besetzen und die Drohnen jederzeit einsatzbereit zu halten, wird basierend auf den militärischen Standards für Drohnenbasen pro Standort wenigstens ein Trupp von zwölf Personen benötigt. Drei bis vier Techniker und Piloten pro Schicht, dazu Ersatz- und Unterstützungspersonal. Rein rechnerisch wäre mit 720 Soldaten und Offizieren auszukommen. 

Doch Urlaubs- und Dienstfreizeiten nebst Befehlsketten-, Kantinen- und Logistikpersonal berücksichtigt, dürfte die notwendige Personalstärke eher bei 5.000 als bei 3.000 liegen. Handelte es sich bei allen 3.000 Soldaten um Angehörige der Bundeswehr mit dem niedrigsten Dienstgrad, würde das Personalkosten von etwa 100 Millionen Euro im Jahr ergeben. Bei der Bundeswehr ist allerdings jeder fünfte Bewaffnete ein Offizier. Was bedeutet, dass 1.000 der 5.000 Mann der Drohnentruppe eine  deutlich höheren Sold erhalten, so dass sich zusätzliche Kosten in Höhe von etwa 50 Millionen ergeben.

Die Armierung des Drohnenwalls 


Nur verglichen mit den Bau- und Unterhaltungskosten der Drohnenstützpunkte wirkt das günstig. Die kleinen, kompakten, aber vollfunktionalen militärischen Einrichtungen, die die stählerne Armierung des Drohnenwalls bilden, brauchen Hangars, Bodenkontrollstationen, Generatoren, Kommunikationssysteme und Radare, Breitbandverbindungen und ausfallsichere Versorgungsleitungen.  Je nach Lage variieren die Kosten für solche Drohnenbasen, doch aus den Daten der Kosten realer US-Militärbasen in Afrika oder Europa ergibt sich eine Bandbreite der Baukosten von 50 bis 100 Millionen Euro pro Stützpunkt. Jeder wäre eine kompakte, praktische Einrichtung ohne unnötige Schnörkel, dafür mit modularen Hangars, einer Piste von zwei Kilometern Länge und Unterkünften.

Mit diesem Betrag baute das Pentagon seine Drohnenbasis in Agadez (Niger), Europas Drohnenwall aber wird günstiger werden, weil die Vielzahl der zu vergebenden Bauaufträge den Auftraggebern eine hohe Preissetzungsmacht verleiht. Mit vier bis fünf Milliarden solle gerechnet werden, bei Betriebskosten, die später kaum darüberliegen werden. Alles in allem aber ergibt das eine Gesamtinvestitionssumme von um die 500 Milliarden Euro.

Geld, das, wie Rutte sagt, niemand hat. Ohne ein neues Sondervermögen für den Drohnenbewaffnung des freien Europa wird es angesichts solcher Summen wohl bei einer fliegenden Worthülsenfabrik bleiben müssen.


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