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| Das Gesicht des Grünen Flügels in der CDU: Ruprecht Polenz. Abb: Kümram, Bleistiftskizze, koloriert |
Es ist ein Bild, das viel über die deutschen Verhältnisse erzählt. Der Mann darauf ist alt, er ist seiner politischen Verantwortung längst ledig, er hat keine Zukunft mehr in seiner Partei, im Land, in Europa. Obgleich erst 79, ein Alter, in dem andere noch große Taten vollbringen, hat sich Ruprecht Polenz eingerichtet in der Rolle der Jette Nietzard der CDU. Er ist mittendrin, aber nie dabei. Und trotzdem der lauteste Quengler auf dem Platz, ein menschlicher Daueralarmton, der durch die sozialen Netzwerke schallt wie Donnerhall.
Grünwerdung und Sozialdemokratisierung
Polenz ist das Gesicht der CDU in den Jahren ihrer Grünwerdung und Sozialdemokratisierung. Für alle die Christdemokraten, die vor 20, 15 und zehn Jahren dachten, die Zukunft werde ein Ort der fortwährenden Freudenfeiern, bei denen Wolf und Lamm fröhlich miteinander singen, spricht der Mann aus Denkwitz bei Großpostwitz, der seine sächsische Herkunft stets sorgsam verborgen hat.
Ruprecht Polenz ist heute seine eigene Partei. Mit seiner Plattform "Compass Merkel" aber hat er deutlich gemacht, dass es dabei nicht blieben soll. Angesichts der hilflosen Versuche seines Parteigenossen und Bundeskanzlers Friedrich Merz, den alten Dampfer CDU zurück aus den Untiefen der Merkel-Jahre zu rudern, hat Polenz seine Nische im Netz verlassen. Und wie einst Sahra Wagenknecht mit ihrer "Aufstehn"-Kampagne begonnen, Gleichgesinnte und gleichermaßen Unzufriedene um sich zu scharen. Polenz, nach der Flucht seiner Familie aus der DDR heimisch geworden in der großbürgerlichen Krimihauptstadt Münster, will eine andere CDU, noch linker, noch freiheitsskeptischer und staatsgläubiger.
Der Staatsgläubige
Selbst Angela Merkel, die den Katholiken Anfang 2000 zu ihrem Generalsekretär gemacht hatte, schreckte letztlich vor dem Ausmaß der Naivität des studierten Juristen zurück, der als einer von nur einer Handvoll Menschen in der EU dafür warb, die Türkei lieber heute als morgen in die Gemeinschaft aufzunehmen.
Das Verblüffende an Polenz allerdings ist, dass der Leutnant der Reserve tief drinnen in seinem Herzen einem zutiefst rassistischen Menschenbild anhängt, wie seine aktuellen Einträge im Netz verraten. Für Ruprecht Polenz ist jeder Mensch ein Deutscher, wenn er einen deutschen Pass hat. Er verliert dann das Recht, etwa als Fußballer achtungsvoll "Deutsch-Kameruner" genannt zu werden, ein deutsch-libanesischer Wissenschaftler zu sein oder ein deutsch-ghanaischer Sprinter.
Bei Polenz ist Deutsch deutsch und nur deutsch. Würde der greise Anführer der Opposition gegen Merz beispielsweise nach Nigeria auswandern und dort die Staatsbürgerschaft annehmen, wäre er sofort kein Deutsch-Nigerianer und kein Nigeria-Deutscher, sondern einer von 230 bis 239 Millionen Nigerianer. Genau weiß es niemand.
Es zählt nur der Pass
Deutsche oder Deutscher ist, wer einen deutschen Pass hat, Punkt. Es seien nur Rechtsextreme, die "völkisch-nationalistisch in Blut-und-Boden-Kategorien" dächten, hat Ruprecht Polenz seine fortschrittliche Position verteidigt. Der CDU-Mann verweist dabei auf das vor 25 Jahren mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zusätzlich zum bis dahin allein geltenden Abstammungsprinzip (ius sanguinis) eingeführte Geburtsortprinzip (ius soli).
Seitdem kann Deutscher werden, wer keine deutschen Eltern hat, wenn er auf deutschem Boden geboren wurde. Allerdings war als Bedingung vorgesehen, dass der Bewerber sich mit seinem 18. Lebensjahr entscheiden müsse, welcher Staatsbürger er blieben wolle - ein deutscher oder der der Nation, dessen Staatsbürgerschaft ihm ein oder beide Elternteile vererbt hatten.
Erniedrigter Staat
Das war kompliziert. Erniedrigend für den Staat, dem viele Betroffene erklärten, das Land von Mutter und Vater gestattete ihnen gar nicht, ihre angeborene Staatsbürgerschaft abzulegen. Andere wollten sie behalten, doppelt hält besser. Die Ampel schließlich machte kurzen Prozess mit komplizierten Fragen, die sich aus den "nicht einheitlichen Regelungen in den einzelnen Staaten" ergaben. Das Prinzip, dass bei der Vergaben der deutschen Staatsbürgerschaft eine Mehrstaatigkeit vermieden werden soll, wurde aufgegeben. Heute ist es möglich, sich zwei, drei oder auch sieben Staatsbürgerschaften zuzulegen.
Für den unbedachten Betrachter wirft das neue Fragen auf. Wenn ein Däne Deutscher wird, ist er nach Lesart der Polenz-Schule kein Däne mehr. Nach Lesart der Polenz-Schule ist er jedoch gleichzeitig, wenn er seine dänische Staatsbürgerschaft behalten hat, weiterhin Däne. Zugleich aber wären Deutsche, deren sogenannte Volkszugehörigkeit im bis heute geltenden Bundesvertriebenengesetz (BVFG) danach bestimmt wird, dass sie "sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat" und "dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird", keine Deutschen im Polenzschen Sinne.
Weg vom Blut, hin zum Boden
Wenn allein der Pass über die Zugehörigkeit entscheidet, kann Möchtegern-Deutscher in Russland, Kasachstan oder Polen echt sein wie ein. Ein Gesetz, das eine Volkszugehörigkeit durch "Bekenntnis, Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur" behauptet, wäre rassistisch, grundgesetzwidrig und auch mit Europarecht nicht in Einklang zu bringen.
Polenz Fortschritt weg vom Blut, hin zum Boden, teilt die Deutschen in zwei Gruppen unterschiedlicher Qualität. Hier sind die Doppelstaatler der Vergangenheit, die das neue Deutschland bunt und vielfältig gemacht haben, jetzt aber falsche Zeichen setzen. Dieser neue Staat, an dem Ruprecht Polenz mitgebaut hat, will nicht mehr "Bekenntnis, Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur", sondern bestenfalls Nützlichkeit. Er verlangt auch keine ungeteilte Loyalität mehr - mehr mag, dar in fremden Heeren dienen, wer möchte, seine Steuern auswärts zahlen.
Wer kann, darf, muss aber nicht
Deutsch-syrische Ärzte können dorthin zurückkehren, wo sie einst zu Hause waren. Sie können damit aber getrost warten, bis es in Deutschland wegen der hohen Klimabetroffenheit und des permanenten Rechtsrucks schlechter läuft als dort. Deutsch-namibische Kicker dürfen aussuchen, welche Nationalmannschaft die besseren Titelchancen hat. Griffe Russland an, dürften die Doppelstaatler sich entscheiden, ob sie hier mitkämpfen, dort oder gar nicht. Die deutsch-chinesischen Erfinder, deren Mühen Deutschland immer noch auf einem der vorderen Plätze im Wettbewerb um Patente halten, wären keine mehr.
Die Logik der Welt des Ruprecht Polenz ist vielgestaltig und von der Tagesaufgabe abhängig. Wichtig ist dem greisen Vordenker der innerparteilichen Opposition in der Union, dass etwas los ist, wo immer er auftaucht. Heute sind es Deutsche, die keine mehr sein sollen. Morgen Mitbürger, die alle "nicht als Demokratin oder als Demokrat geboren" wurden und deshalb Nachbeschulung von Polenz brauchen. Übermorgen verhöhnt der erfolgreichste Lautsprecher der Union in den sozialen Netzwerken Merz als "Der Konservative" und den Außenminister Johann Wadephul als einen "Liberaler", der der "CDU guttut".
Spiel über Bande
Polenz' Methode ist perfide. Mit seinem Aufruf zu mehr gesellschaftlicher Geschlossenheit – ja, zur faktischen Homogenisierung verbalisierter Zustände – demonstriert er vermeintlich großzügige deutsche Weltbürgerschaft. Gemeint aber ist kleinliche Aneignung. der deutsch-chinesische Forscher darf keine Wurzeln mehr haben, der deutsch-polnische Speerwerfer keine Zuneigung mehr zum Herkunftsort seiner Familie spüren. Mit dem Versuch, jedermann mit deutschem Pass als Deutschen einzugemeinden, der sich in nichts von anderen unterscheidet, deren Urahnen seit Jahrhunderten in Sachsen; Hessen oder dem Münsterland leben, erregt Ruprecht Polenz das gewünschte Aufsehen, auf das jede antirassistische Inszenierung hoffen kann. Praktisch aber zerstört er die Grundlage, auf der Menschen friedlich miteinander leben können.
Es ist das übliche Spiel über Bande, mit dem Populisten aller Colour Unsicherheit schüren wollen. wenn nichts mehr gewiss ist,wenn eine Regel der andreen widerspricht und der gesunde Menschenverstand noch etwas ganz anderes sagt, dann haben Populisten wie Polenz ihr Ziel erreicht. Mit der Gründung der Oppositionsbewegung "Compass Merkel" mitten in der CDU - der Name spielt direkt auf Friedrich Merz’ Vorliebe für die Formulierung vom "klaren Kompass" an - hat Ruprecht Polenz jetzt gezeigt, dass er mehr will als von der Seitenlinie schlechte Ratschläge geben.
Keine Mehrheit mit den Falschen
Er will spalten, vereinzeln und Grüppchen bilden, um die CDU von einer Expedition hinter die Brandmauer abzuhalten. Keine Mehrheit mit den Falschen, lieber soll niemand regieren als jemand, der mit dem Feind der Mitte paktiert. Polenz' Kalkül ist nicht uneigennützig, denn trotz seines hohen Alters sieht sich der geschickte Stratege löngst nicht im Ruhestand. Polenz weiß genau: Je stärker die Union nach links rückt, umso näher kommt der Tag eines Kurswechsels. Die Mitte verliert die Mehrheit, sie wird in Gönze in die Opposition gezwungen. Dann, so glaubt er, könne sein Zukunftstraum einer neuen Union wahr werden: Die CDU als Mischung aus grüner Volksdemokratie, sozialdemorkatisch lackiert und überzuckert mit ein paar christlichen Plattitüden.
Dass Polenz selbst, inzwischen 79, noch eine große Rolle beim Neuaufbau dieser neuen Mitte-Partei spielen wird, ist fast ausgeschlossen. Doch als Spiritus Rector im Hintergrund könnte er Fäden ziehen, um die Partei mit seinen Vorstellungen zu besetzen. Es wäre der späte Triumph eines ewig unterschätzten Mannes, den ein grausames Schicksal schon als jungen Mann in eine Partei verschlagen hatte, mit der er nie etwas anfangen konnte. Trotzdem blieb er die treue Seele – in der Hoffnung, eines Tages dafür sorgen zu können, sie neu zu erschaffen. Trotz aller Rückschläge auf seinem langen Weg hat der Mann aus Münster niemals aufgegeben. Hartnäckig blieb er dran. Außerhalb der Partei baute er sich eine treue Gefolgschaft auf.
Ein Ego geht spazieren
Die schaut ihm fasziniert zu, wie er Tag für Tag sein beträchtliches Ego spazieren führt. Polenz Haupteinträge entbehren zwar meist einer faktischen Basis, sie sind aber meist fehler- und beleidigungsfrei formuliert. Erst die Gesamtschau aller Polenz-Kommentare lässt das Bild eines älteren weißen Mannes entstehen, der viel meint, wenig weiß und selbst dort noch belehrt, wo er lernen könnte.
In seiner Doppelgesichtigkeit erinnert der frühere CDU-Generalsekretär an den bekannten Wettermann Jörg Kachelmann: Bei Auftritten im öffentlichen Rundfunk ist der ein durchaus zivilisierter Gastgeber, dem niemand einen gewissen allumarmenden Charme absprechen würde. Die dunkle Seite des in Baden-Würrtemberg geborenen Schweizers offenbart sich jedoch im Internet. Dort pöbelt und schimpft Kachelmann auf Holzofenbesitzer, Ostdeutsche, einfache Leute - sie alle sind für ihn Nazis, unbesehen der Person. Er muss sie nicht kennen, um sie mit aller Inbrunst zu hassen.
Die rigorose Ablehnung anderer Ansichten teilen beide. Und die Wut auf Verhältnisse, die sie daran hindern, ihre Vorstellungen von einer Gesellschaft, wie sie sein sollte, per Dekret durchzusetzen.


1 Kommentar:
Völlig OT: ...lernt Erstaunliches. Ob der Klimawandel menschengemacht ist, sei nicht erwiesen ... (aktueller Artikel von Klonovsky, Zitat aus der Saudeutschen Zeitverschwendung).
Dieses "nicht erwiesen" weckt meinen Grimm: Das Klimazeugs ist ohne wenn und aber völlig erstunken und erlogen. Wie Gerhard Rotkohl einst sagte: "Basta!"
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