Dienstag, 18. Dezember 2012

So spielt ein Absteiger

Fünf Siege, sechs Unentschieden, und die auch noch über die Jahreszeit verteilt, als sei irgendwann im Herbst eine ausgedehnte Spielpause angeordnet gewesen - die erweiterte Halbserienbilanz des 3.-Liga-Aufsteigers Hallescher FC sieht als Grafik auf wie ein Kamm mit viel zu wenigen Zähnen. Ausgebrochen wurden sie auch noch recht ungerade (Grafik unten): In der ersten Hälfte der ersten Halbserie (nebst dreier bereits stattgefundener Rückrunden-Partien) holte die Mannschaft von Trainer Sven Köhler 14 Punkte. In der zweiten Hälfte dann mit sieben nur noch halb so wenig. Noch deutlicher wird der Bruch im Jahr, werden die absolvierten Spiele in drei Phasen geteilt: Die ersten sieben Begegnungen brachten elf Punkte. Das zweite Drittel ganze drei. Und das letzte dann immerhin wieder sieben.

Von 66 möglichen Punkten eroberte der HFC magere 21, das sind durchschnittlich nur 0,955 Punkte pro Spiel, wobei die Tendenz hier eher nach unten als nach oben geht. Kein Wunder, denn die anfangs noch sattelfeste Abwehr, die in den ersten sechs Begegnungen nur ein Gegentor zuließ, schloss sich ab Anfang September den Leistungen der bis dahin schon auffällig erfolglos agierenden Offensivkollegen an: Vom 7. bis zum 17. Spielstand stand nicht ein einziges Mal mehr die Null, die die Hallenser in der Vergangenheit so stark gemacht hatte. Zumindest hinten, denn vorn reichte es in neun Spielen nur zu acht Toren.

Viel unter dem Saisondurchschnitt, den zwei 3:0-Siege gegen Erfurt und - das unterdessen faktisch abgestiegene - Aachen aufpimpen, liegt das aber nicht. Durchschnittlich treffen die HFC-Spieler pro Spiel 0,82 Mal - die Reaktion der Mannschaft, die gut kämpft, bis sie das erste Gegentor fängt, ist denn auch nicht sehr überraschend. Alle Spieler wissen, dass alles drin ist, so lange es 0:0 steht. Dass aber mit höchster Wahrscheinlichkeit alles sofort verloren ist, sobald der HFC erst einmal in Rückstand geraten ist. Neben den zwei 3:0-Spielen gelang gerade in zwei weiteren Begegnungen mehr als ein Tor (Grafik unten). Achtmal reichte es nur zu einem, neunmal zu gar keinem eigenen Treffer.

Die Aussichten sind denn auch mehr als mau, betrachtet man die Bilanz bis zur Saisonhalbzeit am 19. Spieltag und verlängert den Trend bis zum 36. Spieltag. 18 Punkte ergäben am Ende 36, 16 geschossene Tore wären am Ende 32 - der beste Absteiger aus der 3. Liga, der FC Carl Zeiss Jena, kam in der Vorsaison auf 39 Punkte und 39 Tore. Selbst in der Spielzeit zuvor musste Burghausen mit 37 Punkten und 46 erzielten Toren absteigen.

Der HFC zeigt die typischen Werte eines ernsthaften Bewerbers um einen Abstiegsplatz. Auch die Abwehr, ehemals besser als die des FC Bayern München, macht kaum Hoffnung. Jena stieg letztes Jahr mit 59 Gegentoren ab, der Hallesche FC käme bei Beibehaltung der derzeit durchschnittlich 1,455 Gegentore pro Spiel am Ende auf 55 Tore. Das ist zwar nur der fünfschlechteste Wert der Liga, doch er findet sich hier unglücklicherweise auch noch in Kombination mit einer Offensive, die den Namen nicht verdient: 18 erzielte Treffer sind Negativrekord in der 3. Liga.

So spielt ein Absteiger, und so spielt der HFC nun schon dreieinhalb Monate. Erst fehlte das Glück, dann kam Verletzungspech dazu - und die sorgfältig austarierte Mannschaftsaufstellung des Vorjahres zerfiel in eine ersatzgeschwächte Abwehr, in der ein Trainer, der es anders geplant hatte, plötzlich wieder die Stammspieler des letzten Jahres spielen lassen musste. Vorn agierte ein Stürmer ohne Fortune, der Zeit bekommen sollte, nach einer Verletzung aber von einer Art Karussell aus seinen zwei, später drei Stellvertretern ersetzt wurde. Der einzige Angreifer, der ein Tor schoss, war ein eigentlich als Außen geplanter Mann. Nachdem er getroffen und seine Gefährlichkeit angedeutet hatte, rotierte sein Trainer ihn umgehend wieder aus der Startelf.

Wenigstens zum teil ist das Elend selbst gemacht. Neben einem unheimlichen Verletzungspech waren es konfuse Wechsel und eine zuweilen tollpatschig wirkende offensive Spielanlage, die Punkte kosteten. Statt sich wie gewohnt auf die Defensive zu verlassen und vorn auf Zufallstreffer zu hoffen, verlegte sich der HFC - vom Aufstieg noch euphorisiert - darauf,  seine Gegner bespielen zu wollen. Mehr als einmal sah das gut aus, ging aber dennoch in die rote Hose: Wer vorn nicht trifft, nicht mal theoretisch, unterliegt eben schon nach einem Abwehrfehler.

Bereits Mitte August hatte PPQ gewarnt: "Passiert im Sturm des HFC nicht in den kommenden Wochen ein mittelgroßes Wunder, spielen die Rot-Weißen zu Weihnachten gegen den Abstieg". Nun ist Weihnachten und der Abstieg steht vor der Tür. Verglichen mit Tabellenführer Osnabrück wird das Leistungsloch noch deutlicher: Holt der VfL mit 0,76 Toren einen Punkt, benötigt der HFC derzeit 0,85 Tore dafür - das klingt verglichen mit Burghausen im vorletzten (1,25) und Jena im letzten Jahr (1,0) besser, als es ist. Denn dem HFC gelingen nur halb so viele Treffer wie den Niedersachsen und er kassiert mehr als doppelt so viele Gegentore.

Das zeigt sich erstaunlicherweise sogar in der Elfmeterstatistik, die schon in der letzten Saison äußerst dürftig ausgefallen war. Aber es geht noch magerer: Zwei ganze Strafstöße holten HFC-Spieler in bisher 22 Spielen heraus. Viermal dagegen verursachten HFC-Abwehrspieler Elfmeter gegen ihre Mannschaft. 85 Strafstöße gab es bislang in der gesamten Liga, der HFC liegt damit bei den Strafstößen klar über den 3,25 Elfmetern, die im Schnitt auf jedes Team entfallen - nur eben, dass vier der sechs, die bei halleschen Spielen insgesamt gepfiffen wurden, auf das Tor von Darko Horvat geschossen werden durften.

Durchaus passend: Sie gingen alle rein, obwohl der 39-jährige Kroate im vergangenen Jahr in der Regel noch so souverän gehalten hatte, was an Strafstößen auf sein Tor ging.

Doch die Hoffnung aufzugeben bedeute, nach der Gegenwart auch die Zukunft preiszugeben, vermutete einst die für ihre Fußball-Sachkenntnis nicht eben berühmte Pearl S. Buck. Weshalb der Hallesche FC aller Wahrscheinlichkeit nach auch zum Rest der zweiten Halbserie antreten wird. Nicht von Spielkultur muss bis dahin die Rede sein, nicht von Kombinationsfußball, von Laufwegen und entschlosseneren Abschlusshandlungen, sondern von einem Wunder, das nötig sein wird, trotz der eklatanten Schwächen, zu denen auch eine jüngst entwickelte Heimspiel-Phobie gehört, die Klasse zu halten.

Trotz allem: So sehr weit ist der Weg nicht zum Glück, auch wenn es so aussieht. In den 16 offenen Spielen sind noch 48 Punkte zu vergeben, mindestens 21 bräuchte der HFC, um am Ende auf 42 zu kommen, die reichen könnten, um drin zu bleiben. Macht sieben Siege, am besten flankiert von drei, vier Unentschieden. Vier neue Spieler sollen kommen, wohl mindestens zwei aktuelle gehen. Wer das sein könnte, geht aus einer Bewertungsliste hervor, die ein recht kundiger Nutzer bei den Webhallunken erstellt hat.



Horvat (2,5) - starker Rückhalt, mit zwei, drei unnötigen Gegentoren
Benes (3,0) - nach dem Tief findet er langsam zur alten Stärke
Ruprecht (3,0) - ein Spieler seiner Klasse kann noch mehr rauskitzeln
Mouaya (2,5) - stark, bester Abwehrmann, er fehlt
Becken (3,5) - wird langsam besser, guter Mann, Stammspieler
Kanitz (3,5) - Ergänzungsspieler, der gut ausgeholfen hat
Eismann (3,5) - nach der Verletzung fehlen bestimmt noch 30 Prozent
Hartmann (3,0) - Licht und Schatten, ein Kämpfer vor dem Herrn
Wagefeld (3,5) - zu Beginn der Saison gut, dann ein Leistungseinbruch
Zeiger (3,5) - als IV schwach, auf der 6 für Wagefeld sehr solide
Sautner (3,5) - wenn er spielt, spielt er gut
Lindenhahn (3,5) - eines der Sorgenkinder
Müller (3,5) - hat Luft nach oben
Teixeira (5,0) - Totalausfall, mit einem guten Spiel
Mast (2,5) - positive Überraschung der Saison
Shala (4,5) - Totalausfall, mit zwei guten Spielen
Hauk (4,5) - Totalausfall
Pichinot (4,0) - hat zu Beginn ein, zwei Treffer vorbereitet, danach schwach
Preuß (4,0) - der optimale Einwechsler, kann immer für ein Tor gut sein

Trainer Sven Köhler (4,5) - sympatisch, sturköpfig, (etwas) überfordert

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