Montag, 13. Mai 2013

Fahnders willige Helfer


Aufatmen in Süddeutschland, wo sich der "mysteriöse Medienmogul" (Manager-Magazin) Dieter Schaub über ein kompliziertes Geflecht an Holdings die Süddeutsche Zeitung hält. Nur knapp fünf Wochen nach der Zusicherung der Redaktion, man werde die von Unbekannten zugespielten Steuerdaten von mehr als 120.000 Bürgern aus aller Welt nicht zur Durchsicht an die deutschen Behörden weitergeben, sind die nun doch schon in Besitz des sogenannten Offshore-Leaks-Materials gekommen. "Großer Schlag gegen Steuerhinterzieher - bald werden auch die deutschen Fahnder die Daten auswerten können", jubelt das Blatt, das Anfang April eine neue Ära des Journalismus einleitete, als es begann, Namen prominenter Inhaber von Briefkastenfirmen aus aller Welt veröffentlichte und damit den Vorwurf verband, alle Inhaber von Briefkastenfirmen irgendwo auf der Welt hätten Steuern hinterzogen und müssten nun umgehend bestraft werden.

260  Gigabyte Daten hatte die Süddeutsche gemeinsam mit einem Verbund aus anderen willigen Blättern in anderen Ländern zuvor übergeben bekommen, um mit einer Artikel-Serie bei der Vorbereitung einer Kampagne gegen "Steuersünder" (Wolfgang Schäuble) zu helfen. In Zeiten der überschießenden Staatsausgaben möchten Regierungen weltweit lieber nicht über Spaßmaßnahmen reden, sondern eine Diskussion zur Erhöhung der Einnahmen führen - auch wenn die gerade so hoch sind wie noch nie zuvor.

Der theatralisch geführte Kampf gegen Steuersünder, in den zuletzt auch der Bayern-München-Manager Uli Hoeneß eingriff, wird als fröhliche Menschenjagd inszeniert, in der schon die Anklage einem Schuldspruch gleich kommt. Kein Wort fällt dabei mehr über Briefkastenfirmen in Staatshand, über Drahtzieher wie das von der Knights-Stiftung und der Ford-Foundation finanzierte "International Consortium of Investigative Journalists", das es in den 24 Jahren seiner Existenz bis dahin nicht einmal zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht hatte, sondern dort als "Center for Public Integrity" firmieren muss, über gute Menschen, die Gutes im Ausland tun, und über die Verstrickung ostdeutscher Finanzminister in steuersparende Versuche, islamistisches Geld für den Aufbau der neuen Länder zu mobilisieren.

Das verwendete Schema folgt den klassischen Regeln der Bühnenzauberei. Es geht um Technik, es geht um Schnelligkeit, um Ablenkung und es geht um Illusion. Unter der großen Überschrift "Gerechtigkeit" findet ein Kampf nicht um zusätzliche Steuergroschen, sondern um die Köpfe der Wähler statt, die gern glauben möchten, ihr eigenes Leben werde leichter, wenn das anderer nur endlich schwerer wird. In der Mediendynamikkunde heißt dieses Vorgehen nach einer Figur aus der Augsburger Puppenkiste Ziegenbock-Bobesch-Prinzip: Eben jener Bock Bobesch hatte sich in schweren Zeitenals Sündenbock angeboten. Der Kampf gegen ihn, einen rüpeligen, vorlauten Kerl mit nicht ganz reiner Weste, einte das Volk der Puppenkiste, größere Probleme blieben liegen, existenzielle Bedrohungen mussten nicht mehr weiter beachtet werden, im kleinen Dorf Holleschitz herrschte eitel Sonnenschein.

Steuersünder sind die neuen Großverbrecher, ihre Taten gleichen zumindest in der medialen Darstellung terroristischen Anschlägen auf das Gemeinwesen. Dass aus den 260 Gigabyte Daten, die die Süddeutsche Zeitung zu Beginn der auflagensteigernden Jagdsaison vorgab zugespielt bekommen zu haben, indessen 400 Gigabyte geworden sind, die nun Grundlage "einer international koordinierten Aktion britischer, australischer und US-amerikanischer" sowie bald auch deutscher Behörden sind, wird so wenig hinterfragt wie der Umstand, dass diese 400 Gigabyte an Offshore-Leaks-Dateien augenblicklich aus "mehr als zwei Millionen Dokumenten" (Spiegel) besteht. Während die ursprünglichen 260 Gigabyte bekanntlich bereits aus "2,5 Millionen Dokumenten" (SZ) bestanden.

So sehen Leitmedien aus, die sich nicht der Aufklärung verpflichtet fühlen - etwa der der näheren Umstände, unter denen die Offshore-Leaks-Daten ihnen zugespielt wurden. Statt die Interessenlagen zu beschreiben, die in Wahlkampfzeiten so schwer nicht zu erkennen sind, gefallen sich Blätter wie die "SZ", der "Spiegel" oder die Frankfurter Rundschau als Hilfssheriffs und reisende Schnellgerichte, deren Urteile klingen wie ein Echo der Haltet-den-Dieb-Propaganda der Bundespolitik.

Holleschitz im Ausnahmezustand, Medien wie Bauchredner der Agitationsabteilungen der Volksparteien. Datenschutz ist Täterschutz! Stadt und Land, Hand in Hand. "Jetzt muss schnell gehandelt werden", mahnt der SPD-Finanzexperte Joachim Poß. "Deutsche Fahnder können auf Offshore-Daten zugreifen", freut sich die Süddeutsche. Da ist zusammengewachsen, was zusammengehört.

2 Kommentare:

Teja hat gesagt…

Wieder einmal ein launiger Kommentar von ppq zum Tagesgeschehen, so erhellend, dass mir die Tränen kommen. Einst schrieb sich die Journaille auf die Fahnen, den Herrschenden genau auf die Finger zu schauen, um Umgereimtheiten schön aufzuklären. Längst zu einer Wichse mutiert, werden auch kriminelle Machenschaften honoriert und unterstützt.
"Da ist zusammengewachsen, was zusammengehört." - Ein wahres Wort. Wenn es doch nur nicht so dilettantisch ablaufen täte ... So hat man noch nicht mal Respekt vor dem Feind.

suedwestfunk hat gesagt…

"Das älteste und unentbehrlichste Haustier des Menschen ist der Sündenbock" (大老虎 - Da Lao Hu)