Samstag, 16. November 2013

Tatort Alltag: Angst auf den Straßen

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das Bundeskriminalamt bei seiner Herbsttagung mit dem Thema „Straßenkriminalität“ beschäftigt. Schon 2003 und 2007 war dies das zentrale Thema der Tagung. Bei der diesjährigen Zusammenkunft zeichneten BKA-Chef Jörg Ziercke und Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, ein recht düsteres Bild über die deutschen Straßen als Tatort und Tatmittel. Natürlich hat die Debatte um Datenmissbrauch etwa im Fall des Autobahnschützen und die von Innenminister Friedrich angestrebte Überwachung aller Straßen durch die Spionageaffäre rund um die NSA noch einmal an Aktualität gewonnen, doch streiften das Ziercke und Fritsche in ihren Erläuterungen nur.

Kriminalität auf Straßen, durchgeführt zu Fuß oder mit Kraftfahrzeugen, hat laut Ziercke eine neue Dimension. Weil die Dunkelziffer hoch sei, könne man den Schaden und die Zahl der Delikte kaum genau beziffern, aber Ziercke geht vom Doppelten dessen aus, was Kriminalität etwa im Internet ausmacht. Er spricht von rund 5,99 Millionen Delikten. Verglichen damit ist die vielbeschworene Cyberkriminalität ein Klacks: Hier komme man nicht einmal auf eine Viertelmillion angezeigter Taten, allerdings kämen auf jede Tat mehr bedrohliche Warnartikel. Besonders problematisch für den BKA-Chef ist dabei der technische Vorsprung der Kriminellen auf den Straßen: Sie sind höher motorisiert, zu Fuß beweglicher und die Rockerkriminalität findet oft auf Motorrädern statt, denen Fahrradstreifen nicht beikommen können.

So gebe es eine regelrechte Schattenwirtschaft, in der deutschen Leitmedien zufolge Kriminelle Banküberfälle begehen, Baustellen ausrauben, Rentner betrügen und Morde begehen. Grundlage ist immer die gute Erreichbarkeit der Tatorte. Die Taten der rechtsextremen Terrorgruppe NSU etwa wären laut Ziercke ohne Kraftfahrzeuge und die gut ausgebaute deutsche Verkehrsinfrastruktur nicht möglich gewesen. Laut Ziercke habe es zuletzt fast 2,5 Millionen Diebstahldelikte in Deutschland gegeben, die weniger im virtuellen Raum, sondern eher im realen Leben stattgefunden hätten. Dies bedeute einen Anstieg um 4,4 Prozent. Besonders deutlich zugenommen haben im Jahresvergleich auch Wohnungseinbrüche mit einem Plus von 9,3 Prozent. Die Täter nähern sich ihren Zielobjekten hier meist per Pkw und nutzen geschickt die vorhandene Infrastruktur bis hin zu den Autobahnen. Die Aufklärungsquote betrug hier lediglich 16,2 Prozent. Stark zugenommen haben auch Fahrraddiebstähle mit 7,2 Prozent. Hier gebe es bei denen die Behörden besondere Ermittlungsdefizite, denn die Aufklärungquote liege trotz jährlich rund 350.000 gestohlener Räder bei nur zehn Prozent. Der volkswirtschaftliche Schaden betrage allein mehr als 150 Millionen Euro, sagte Ziercke. Das sei mehr als doppelt so hoch wie der Schaden, der von Internetkriminellen verursacht werde.

Staatssekretär Fritsche, der Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vertrat, weil der in Berlin durch die Koalitionsverhandlungen unabkömmlich war, forderte mehr Einsatz der neuen Bundesregierung gegen Straßenkriminalität. Die Ermittlungsbehörden müssten auf Augenhöhe mit Kriminellen agieren können. Die Tagung zog ein ernüchterndes Fazit für die Sicherheitsbehörden. Kriminelle seien den Verteidigern vor allem in Deutschland um Längen voraus. Auf Seiten der Polizei fehle es an Kreativität, an strategischen Überlegungen, an Personal, an Know-How, Strafverfolgungsmöglichkeiten gebe es auch nicht, sobald die Täter unerkannt entkommen seien. In Fällen wie den Sprengungen von Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn agierten die Angreifer schnell, kreativ, professionell und das noch nicht einmal mit großem Personaleinsatz. Zwanzig Leute reichten laut der Experten, um binnen einer Woche mehrere Dutzend Automaten zu knacken.

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