Dürre und Dauerregen bei 17 Grad: Deutschlands Hitzeschutzplanung wirkt. |
Die ersten Herbststürme kamen diesmal schon im Mai und Anfang Juni. Die Dürre und der Dauerregen aber blieben und einzelne Böen der Stärke sechs ließen die Stimmung auf Grillpartys bis zum Gefrierpunkt sinken. Bis in die zentralen Wetterredaktionen geht die Sorge um, ob die jüngste Rekordserie jetzt doch reißt: Bisher war der letzte immer der heißeste Monat aller Zeiten. Jetzt aber lassen Sturmböen Bäume umstürzen, starke Gewitter grollen über Berlin, eine S-Bahn "fährt gegen einen Ast" und es ist überall nass, kühl und ungemütlich.
Brücke zwischen Widersprüchen
Diesmal aber ist es nicht die Nordatlantische Oszillation, die als Erklärung parat steht und eine wissenschaftlich standfeste Brücke zwischen den Widersprüchen bauen. Wie beim Kühlschrank für Erwärmung zu Kälte. Wo hinten Hitze herauskommt, wird es vorn besonders kalt. Schon seit Monaten ist das Medienphänomen, das immer zur Stelle ist, wenn der Klimakonsens der Verteidigung bedarf, abgetaucht. Auch der Mai war der zweitwärmste seit immer. Weltweit konnten 1,4 Grad mehr gemessen werden als im vorindustriellen Zeitalter. Deutschland war noch schwerer betroffen. Und schon droht die nächste Hitzewelle.
Das Wetter, vom Klima beeinflusst, ist viel zu warm, aber deutlich zu kühl für die Jahreszeit. Liegt es am Regierungswechsel? Oder zeitigen die Klimaschutzbemühungen der Ampel doch noch Erfolg? Bereits seit Jahren ist die Zahl der Heißen Tage (Eigenschreibweise), an denen das Umweltbundesamt Temperaturen von 30 Grad Celsius oder mehr messen musste, rückläufig. Waren in den Jahren 2003, 2015, 2018 und 2022 noch zwischen 18 und 20 Heiße Tage aktenkundig geworden, waren es 2023, dem wärmsten Jahr seit Messbeginn 1881, nur noch 12 und 2024 gerade mal 12,5.
Hilfe vom Hitzeschutzplan
Unverkennbar zeigen sich in dieser Statistik die Folgen des Nationalen Hitzeschutzplan (HS) , mit dem der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Juni vor zwei Jahren 2023 erste konkrete und bedeutungsvolle Schritte einleitete, um den Klimawandel zu zügeln. Fünf Warn-, Alarm- und Einsatzstufen regeln seitdem die Reaktionstiefe, mit der Behörden das Alltagsleben aufrechterhalten müssen.
Je nach Heat Readiness Condition (Hetcon) - dem aktuelle ausgerufenen sogenannten Hitzebereitschaftszustand - wissen Städte und Kommunen heute genau, welche Automatismen wann zu greifen haben. Bei Stufe 1, der bedrohlichen Hitze, sind Trinkhelfer einzusetzen. Stufe 2, die gefährliche Hitze, erlaubt es Fachressorts in Stadtverwaltungen und Ministerien, Medien mit Pressemitteilungen zu angemessener Bekleidung zu versorgen.
Bei Stufe 3, die erhöhten Kühlungsbedarf signalisiert, sind Rundfunksender verpflichtet, regelmäßig vor dem Verlassen geschützter Räume zu warnen. Stufe 4 markiert die Vorwarnstufe zum freiwilligen Einrücken der vulnerablen Bevölkerung in Innenräume (Code: Fast Pace). Und Stufe 5 leitet schließlich die Verbringung aller Lebewesen in eigens gekühlte kommunale Schutzbauten (Code: Crocked Pistol) ein.
Treffen am Trinkbrunnen
Dort warten Trinkbrunnen, dünne Leinenlaken und ausgebildete Hitzehelfer. Vorbeugen ist besser als heilen, das zeigt die erste Zwei-Jahres-Bilanz des Lauterbach-Plans, über den sich hitzebelastete Kommunen und die an Sofort-Maßnahme und langfristiger Planung interessierte Bevölkerung auf der eigens eingerichtet digitalen Internetseite hitzeservice.de informieren können.
Die auf dem Weg zum Supermarkt mitgeführte Trinkflasche an einer modernen Refill-Station auffüllen, das Morbiditätsgeschehen während des Sommers bzw. einer längeren Hitzeperiode zu beobachten oder eine hitzegerechte Veranstaltung im Rahmen der Fürsorgepflicht des Veranstalters idealerweise über vorgesehene Maß hinaus zu organisieren, das ist inzwischen kein Hexenwerk mehr.
Allein die von Experten erarbeiteten Checklisten für das Überleben in großer Hitze haben viel bewirkt: Die "Klimaerhitzung" ist im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schon fast ein Jahr lang nicht mehr aufgetaucht. Deutschland, dem von der Wissenschaft eine Erwärmung "deutlich schneller als der globale Durchschnitt" vorhergesagt worden war, ist hinter andere Weltregionen zurückgefallen. Ein kleiner Erfolg im Kampf um das 1,5-Grad-Ziel.
Beunruhigende Zahlen
Doch es wäre viel mehr drin gewesen, glaubt der Klimawissenschaftler Herbert Haase, der mit seinen Kolleg*innen vom Climate Watch Institut (CWI) im sächsischen Grimma zuletzt eine wegweisende Studie über die CO2-Einspareffekte warmer Winter vorlegte. Haase verweist auf die beunruhigenden Zahlen der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Gasverbrauch in der zurückliegenden Heizperiode. Obwohl jeder Monat der ehemals kalten Zeit wärmer gewesen sei als jeder jemals zuvor, hätten Bürgerinnen und Bürger geheizt, als sei es so kalt gewesen wie früher.
"Wir sehen hier die verhängnisvollen Folgen des gestoppten Heizungsgesetzes", sagt der Wissenschaftler. Haase ist überzeugt, dass das populistische Agitieren gegen die Wärmewende ein grundlegendes Umsteuern behindert hat. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Fachrichtungen haben Haase und Forschende vom Institut für Vielfalt und Nachhaltigkeit den Diskurs um die Hitzebremse der Ampel analysiert und entdeckt, mit welch perfiden Methoden eine fossile Mafia die Ziele des Gebäudeenergiegesetzes torpediert haben.
Tiefschlag für Deutschland
Statt Heizen endgültig klimafreundlicher zu machen und die Klimaerhitzung damit zu bändigen, haben Verbraucher zuletzt erstmals seit zwei Jahren wieder mehrheitlich Strom aus Kohle und Gas verbrauchen müssen. Der Anteil der erneuerbaren Energiequellen an der Stromproduktion ging nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf 49,5 Prozent zurück. Anfang 2024 waren es noch 58,5 Prozent. Die Stromerzeugung aus Kohle stieg um 15,3 Prozent, die Erzeugung aus Erdgas sogar um 27,5 Prozent. Ein Tiefschlag für Deutschland Ambitionen, weltweite Zeichen zu setzen.
Haase ist alarmiert. "Wer auf das Heizungsgesetz als Initialzündung für die Wärmewende gesetzt hatte, spürt jetzt die Folgen der populistischen Attacken auf die Klimapolitik." Bis zur Umbenennung des als "Habecks Heiz-Hammer" verleumdeten Umbaugesetzes hätten vor allem konservative, wirtschaftsliberale und andere Medien gegen die Pläne zum Austausch aller Kohle-, Öl- und Gasheizungen nach der 65-Prozent-Regel geschossen. Selbst Vorwürfe auf privater Ebene und Angriffe auf die im Entstehen begriffene neue Wasserstoff-Infrastruktur seien unübersehbar gewesen. "Mit solchen Strategien wurde große Entrüstung ausgelöst."
Polemische Überspitzungen
Gezielt, so wissen die Forscher heute. Während die Bürgerinnen und Bürger lange Zeit nicht geahnt hätten, was auf sie zukommt oder sich bereits damit abgefunden hatten, seien von interessierten Kreisen gezielt Ängste geschürt worden. Obwohl das Gebäudeenergiegesetz (GEG) schon 2020 vom Kabinett Merkel IV entworfen und im Bundestag verabschiedet wurde, um die nationalen Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreichen zu können, habe erst die Verschärfung von Dämm- und Austauschvorgaben zu polemischen Überspitzungen wie "Energie-Stasi" und Vorwürfen wie dem geführt, dass sich Ältere und Arme die geforderten Investitionen würden leisten können.
Das Muster sei bekannt, sagt Haase, gearbeitet worden sei auch mit Unwahrheiten: "Dass durch das Gesetz eine Enteignung von Hausbesitzern stattfinde, dass eine Form von Entmündigung stattfinde." Menschen sei eingeredet worden, dass sie sich keine Wärmepumpe für ihre alten Häuser hätten leisten können, dass Banken Senioren keine Kredite geben würden und sich ein Umbau für Hochbetagte niemals rechnen werde.
Entmündigt und enteignet
Das seien die bekannten Diskursstrategien der Populisten, sagt Haase: "Ihnen wird eingeredet, sie würden vom Staat entmündigt und enteignet." Dabei sei das Gebäudeenergiegesetz von demokratisch gewählten Parlamentariern beschlossen worden, die ausdrücklich Fördermittelzahlungen vorgesehen hätten. "Und wer den Eigenanteil nicht hätte aufbringen können, dem wäre es unbenommen geblieben, aus seinem meist ohnehin zu großen Eigenheim auf dem Land oder am Stadtrand in eine kleine gemütliche Mietswohnung zu ziehen."
In der damaligen Bundesregierung hätten alle die Wirkungsmacht solch stumpfer Parolen unterschätzt. "Im Fachministerium sah man die Notwendigkeit, das jetzt durchzuziehen, der Bundeskanzler wollte selbst am liebsten nichts damit zu tun haben - deshalb stellte er sich letztlich nicht wirklich hinter diese wichtige Initiative."
Hoffnung auf Wärmeplanung
Für das globale Klima ist der Schaden immens. Nachdem Deutschland als Vorbild ausfiel, scheuten andere Staaten davor zurück, bei sich ähnlich rigorose Maßnahmen zu ergreifen. Ein Sieg der Populisten, auch wenn das Heizungsgesetz letztlich nicht aufgehoben, sondern sein Inkrafttreten nur nach hinten verschoben wurde.
"Die Fertigstellung der sogenannten kommunalen Wärmeplanung dazwischenzuschieben, war geschickt, doch ob das reichen wird, wissen wir nicht." Wenn Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern im Juni 2026 und Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern ihren Wärmeplan bis zum 30. Juni 2028 vorlegen müssen, drohe die gesamte Diskussion von vorn zu beginnen.
"Wir erwarten, dass sich dann wieder bestimmte Akteure zur Stimme einer vermeintlichen Mehrheit aufschwingen werden, die für die nötigen Klimaschutzmaßnahmen nicht zahlen will." Das learning aus dem fatalen Ende der Heizdebatte, so der Klimaforscher, liege auf der Hand: Der Bevölkerung müsse die Angst genommen werden, dass Klimaschutzinvestitionen viel Geld kosteten, ohne sich in absehbarer Zeit auszuzahlen.
Es muss teurer werden
"Darum brauchen wir eine höhere CO2-Steuer als klares Kostensignal." Wenn Kohle, Öl und Gas ausreichend verteuert seien, wachse der Raum für demokratische Entscheidungen zugunsten strengerer Vorgaben für eine nachhaltige Gesellschaft, glaubt Herbert Haase. Statt wie der Vorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken, ein Abfinden mit der Klimalkatastrophe zu suchen, indem Anpassungsmaßnahmen das Wort gerdet werde, gelte es, gerade jetzt noch mehr zu tun.
Der Ertrag sei es allemal wert, wie die Zwischenbilanz von vergleichsweise zarten Klimamaßnahmen wie der Hitzeschutzplanung und der abrupt gestoppten E-Auto-Förderung für Wohlhabende zeigt. " Die neue Bundesregierung hat das sofort begriffen und deshalb entschieden, besonders großzügige neue Zulagen an Unternehmen zu zahlen." Solche sozialpolitischen Hilfsangebote ließen populistische Kampagnen ins Leere laufen, sie stärkten die Entschlossenheit von Demokraten, sich für den Klimaschutz einzusetzen. "Selbst Populisten sind in vielen Fällen für Argumente zugänglich, wenn sie überzeugend sind."
5 Kommentare:
Von Bodenfrost zu 36 Grad: Nach Pfingsten kommt die Hitze – Extremwetter in Deutschland
Stand:11.06.2025, 04:52 Uhr
Von: Dominik Jung
Haase: "Darum brauchen wir eine höhere CO2-Steuer als klares Kostensignal."
Der soll den Ball mal schön flach halten, falls er auch fürderhin am Bierausschank pausieren und unbelssiert auf Arbeit will.
Übrigens:
Windows Update ist bestrebt, zur Reduzierung der CO₂-Emissionen beizutragen.
jeder weiß, so lange wir nicht bodenfrost und 36 grad zugleich haben, ist der durchschnitt vulnerabel
Seltsam, dass die Leute, die es im Urlaub nicht sonnig und heiß genug haben können und dafür teuer nach Südeuropa, in den Orient oder die Tropen reisen, sofort klimapanisch losplärren, wenn es in ihren heimischen Betonwüsten nach monatelangem Kaltmatsch endlich auch mal ohne Heizung auszuhalten ist.
Es liegt am Wohnort und dessen Infrastriuktur, wenn man innerorts gegrillt wird und nicht an eventuell kurz mal maximal 38-40 Grad Warmluft. Und warum müssen Senioren unbedingt zur sommerlichen Mittagshitze shoppen gehen? Wenn die dabei kollabieren, sind sie doch selber schuld. Viele leiden somit massiver unter ihrer Unvernunft als unter den wenigen auch hier gobal betrachtet nur mäßigen Spitzentemperaturen. Mutter Erde bietet nämlich für jeden Geschmack etwas zwischen etwa -70 und +70 Grad an.
Im deutschen Wald ist es zudem einige Grad kühler als in der zugepflasteren Multikulti-Steinstadt, und zur Not nutzt man Sonderpreis-Aircondition oder campt abenteuerlich im Keller. Nicht luxuriös, aber sicher angenehmer als in der bequemen Bude unbequem zu schwitzen.
Das Klima macht in Deutschland gerade Pause, es ist jetzt in Indien.
Kommentar veröffentlichen