Samstag, 12. August 2017

EU für mehr Eurofilme: Warum nicht wieder 60/40?

Die amerikanische Unkultur soll europäischen Filmfreunden künftig zumindest teilweise erspart bleiben.

Die EU schraubt an neuen Auflagen für Inhaltsangebote wie Netflix, Amazon Prime & Co. Können die Anbieter derzeit noch schrankenlos und ohne rechtliche Einschränkung ihren Ami-Müll in Europas wehrlose Wohnzimmer verklappen, will der Kulturausschuss des EU-Parlaments künftig eine rote Linie einziehen: Die neue "Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste" wird nachgeschärft. Nach Inkrafttreten müssen künftig 30 Prozent der Inhalte auf Streaming-Portalen aus Europa kommen.

"Einsatz Hafenkante" statt "Narcos", der Fernsehgarten statt "Bosch", "Mord mit Aussicht" anstelle von "Hand of God". Wunderbare Aussichten für alle, die amerikanische Unkultur ablehnen. Aber reicht die Maßnahme wirklich aus?


Sie ist zweifellos wegweisend und im Sinne aller "Tatort"-Fans, die ihre Lieblinge auf den großen Plattformen bisher schmerzlich vermissen. Doch warum nur 30 Prozent? Hat nicht die einstmalige DDR mit einer harten 60/40-Regelung hervorragende Erfahrungen gemacht? Ist nicht die starke europäische Filmindustrie leicht in der Lage, dem endlosen Zustrom von billigem Hollywood-Müll, der fern ist von jeder europäischen Lebenserfahrung, eigene, hochwertige Filmkunst entgegenzusetzen? Um so auch einer gemeinsamen europäischen Identität den Weg zu ebnen?

Horst Schrotmann verantwortet im Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin den Bereich Inhalteherstellung, der 56-Jährige verdienst sich seine ersten Sporen seinerzeit beim staatlichen Komitee für Unterhaltungskunst der DDR und er war dabei, als mit der Anordnung über die Programmgestaltung bei Tanz- und Unterhaltungsmusik des Ministeriums für Kultur der DDR der ausländische Anteil am Repertoire der DDR-Unterhaltungskünstler auf 40 Prozent begrenzt wurde. Schrotmann erinnert sich: "Als Folge der 60/40-Regel wurde die eigenständige Entwicklung der Pop- und Rockmusik der DDR gefördert", sagt er, "wir verdanken dieser Maßnahme heute noch Hits wie ,Über sieben Brücken " und "Erna kommt".

Ein Beispiel, das bei der Reform der "Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste" hätte Schule machen können. Doch der EU-Parlamentsausschuss hat die Pflichtgrenze für europäische Inhalte im Rahmen der neuen "Buy european"-Kampagne auf künftig 30 Prozent festgelegt - ein Wert, den Horst Schrotmann scharf kritisiert. "Ein Drittel eigener Filme wird nicht reichen, um wirklich einen Schub auszulösen", glaubt er. Dass die US-Portale sich künftig zwangsweise an europäischen Filmfördersystemen beteiligen müssen, hält er hingegen für zukunftsweisend. "Es ist nur gerecht, dass derjenige, der mit der Verbreitung von Kulturgütern an europäische Zuschauer Geld verdient, auch für den Fortbestand dieses Kulturgutes hier in Europa mit verantwortlich ist."

Wichtig sei nun, dieses Konzept auszuweiten. "Ich könnte mir vorstellen, dass auch die europäische Musikindustrie eine neue Blüte erleben würde, wäre nur genug Geld da, um einheimische Künstler mit namhaften Beträgen fördern zu können." Eine 60/40-Regelung würde die für diesen Zweck verfügbaren Beträge im Vergleich zur anvisierten 30/70-Regelung verdoppeln. "Deshalb sollte die EU hier keine halben Sachen machen", mahnt Horst Schrotmann.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn die Regulierung kommt, biete ich den Streamingdiensten eine nervenzerfetzende Krimiserie unter dem Titel "Das Trocknen der RAL Farben" an. 420 Folgen von jeweils 90 Minuten in 4K produzierter Hochspannung. Das sollte die Quote europäischer Meisterwerke schnell heben.

Anonym hat gesagt…

das ewige je-je-je brauchen wir hier nicht ,

der Sepp , Reichsgeschmackswart

Gernot hat gesagt…

Ich weiß gar nicht, ob das so lächerlich ist. Wie wär´s, den Zoll mal seine Arbeit machen zu lassen, sodass Filmimporte verzollt werden müssten, statt immer nur Leute abzuzocken, die sich aus Holland etwas Kraut, aus Polen eine paar Zigaretten zu viel oder aus einem freien Nachbarland ein paar vernünftige Knaller mitbringen?

Auch das Kulturelement "Film" ist schließlich in Konzernhand, und Filme aus den VSA, die Millionen einspielen, müssen noch lange nicht gut sein. Sie müssen einfach nur protegiert, propagiert, beworben werden, einen "hype" der Medien auslösen, die in derselben Leute Hand sind.
Als Bestandteil von Kultur zeigen Filme wie jede kulturelle Äußerung Fragmente der (seelischen) Befindlichkeit von Völkern auf. Daher unterscheiden sie sich auch so sehr je nach Herkunftsland und -zeit.
"Internationale" Produktionen haben ebenso wie "Kunst internationaler Bedeutung" manchmal mehr mit Zivilisation zu tun als mit Kultur, denn die unterscheidet sich von Volk zu Volk.

Man schaue sich europäische Produktionen an und vergleiche sie mit denen aus Hollywood. Letztere werden einem dann zum großen Teil gleichartig erscheinen. Der deutsche Film und der anderer europäischer Länder ist nicht schlecht(er), aber anders; er wird nur nicht vergleichbar kommerzialisiert. Von den alten Defa-Produktionen will ich (Wessi oder Wossi oder so) gar nicht erst anfangen.

Ein paar Tipps, falls das alles noch jemand liest:

"Im Winter ein Jahr" (d)
"So finster die Nacht" (s)
"Der Vorleser" (d)
"Das Leben der Anderen" (d)
"Elementarteilchen" (d)
verschiedene, verbotene Produktionen von Dario Argento (it)
"Das grüne Wunder - unser Wald" (d)
"Die Tür" (d)
"Rammbock" (d)
"Tatis herrliche Zeiten" und "Die Ferien des Monsieur Hulot" (f)

Die Auswahl ist willkürlich, umfasst verschiedene Zeiten und Genre.
Natürlich sind all diese Filme weder vom künstlerischen Anspruch, noch von dem auf Unterhaltung, geschweige denn von Würde und Ernsthaftigkeit den großen Leistungen der amerikanischen Filmwirtschaft annähernd gleich. Prost.