Montag, 6. Oktober 2008

Immer wieder sonntags

Das war alles noch nie da. Nie so schlimm, nie so schrecklich, nie so allumfassend, nie so endgültig. So beharrlich Ökonomen und Anleger, Banker und Politiker in den Zeiten des Booms predigen, diesmal werde er im Unterschied zu jedem Mal zuvor für immer andauern, so zuverlässig ist das Ende der Welt gekommen, wenn er dann doch wieder zu Ende ist wie jedes Mal zuvor. Viermal war der Kapitalismus in den letzten 15 Jahren am Ende, die Asienkrise und die Rußlandkrise, die Dotcom-Blase und der 11. September - jedesmal endete nicht Kapitel der Geschichte, sondern ein ganzes Geschichtsbuch. Und so ist es auch heute wieder - das alte Märchen davon, dass es nie so schlimm, so schrecklich und so akut war wie in diesem Zusammenbruch, es füllt Zeitungsspalten und Kommentarzeilen, Fernsehsendungen und Politikerpredigten.
Dabei ist der Ablauf immer der Gleiche, zuverlässig und schmerzhaft, wie Florian Schulz vom Börsenbrief Emerging Markets Trader am Beispiel der japanischen Immobilienkrise von Anfang der 90er aufgeschrieben hat:


Phase 1: Kampf gegen den Abschwung
Ein Land verliert international an Wettbewerbsfähigkeit und es droht ein Abschwung. Die Zentralbank reagiert mit niedrigen Leitzinsen um die gewohnten Wirtschaftswachstumsraten möglichst lange aufrecht zu erhalten.

Phase 2: Der Immobilienboom entsteht
Die niedrigen Leitzinsen machen kreditfinanzierte Immobilienkäufe attraktiv. Dies löst einen 5-10 Jahre andauernden Boom am Immobilienmarkt aus. Noch deutet allerdings nichts auf eine Blase hin, denn die Immobilienpreissteigerungen sind noch nicht exzessiv. In dieser Phase erlebt auch der arbeitsintensive Bausektor einen Boom. Dies hält die Arbeitslosenquote niedrig und überdeckt strukturelle Defizite in anderen Bereichen.

Phase 3: Der Boom wird exzessiv
Dem Anschein nach geht es der Wirtschaft hervorragend, die Risikowahrnehmung sinkt und alle Beteiligten beginnen daran zu glauben, dass Immobilienpreise „immer steigen“. Der Konsum boomt, denn durch den rasant steigenden Immobilienwert fühlt sich die Bevölkerung immer reicher und die Arbeitslosigkeit bleibt dank des Baubooms niedrig.

Phase 4: Endphase der Blase
Der Leerstand von Immobilien steigt, denn durch den Bauboom kommen immer mehr Wohnungen und Häuser auf den Markt. Obwohl die Mietpreise nicht so schnell zulegen wie die Immobilienpreise, explodieren diese stärker als je zuvor. Der Grund: Im Kreditsektor entsteht ein sogenanntes „Ponzi-System“. In der Erwartung sicherer Gewinne wird bei Hypothekenkrediten auf Sicherheiten verzichtet. Immer mehr Menschen, die sich eine Immobilie eigentlich nicht leisten können, werden durch zweifelhafte Werbeaktionen in Hypothekenkredite gelockt.

Phase 5: Der Markt erreicht seinen Gipfel
Die Erwartung ebenfalls rasant steigender Mieten wird enttäuscht und erste Immobilienbesitzer versuchen ihre unrentablen Objekte zu verkaufen. Die Immobilienpreise stagnieren erstmals seit vielen Jahren für 5-6 Monate.

Phase 6: Erster Preisverfall von Immobilien
Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage kippt. Die Immobilienpreise fallen erstmals auf Jahressicht um 3-5%. Die schwächsten Glieder in der Kette (Subprime-Kreditnehmer, die spätesten Käufer) können nun ihre Raten nicht mehr bezahlen. Die Branche verbreitet Zuversicht: „Langfristig können Immobilien nur steigen.“

Phase 7: Panik bricht aus
Die bevorstehende Krise wird erkannt. Immobilienspekulanten versuchen ihre Objekte so schnell wie möglich loszuwerden. Gleichzeitig steigen die Zwangsversteigerungen. Der Preisverfall für Immobilien beschleunigt sich (auf >10% p.a.). Die Kreditausfallquote zieht stark an, unvernünftige Kreditinstitute die sich alleine auf den Hypothekenmarkt spezialisiert haben stehen vor der Pleite und verschleppen diese Pleite in der Erwartung einer Besserung.

Phase 8: Der Bankencrash
Die ersten kleinen Kreditinstitute können Ihre Bilanzschieflagen nicht mehr verbergen und gehen in Konkurs. Die Risikowahrnehmung bei den großen Banken steigt schlagartig. Die Richtlinien für Kreditvergaben werden in allen Bereichen verschärft. Dies stellt immer neue Hypothekenkreditnehmer vor Schwierigkeiten. Es kommt zum „Credit Squeeze“ (Kreditinstitute vertrauen sich nicht mehr gegenseitig) Die ersten Großbanken stehen vor dem Konkurs.

Phase 9: Die Rettungsmaßnahmen
Großbanken sind „too big to fail“ und werden vom Staat gerettet, denn ihr Konkurs würde das gesamte System in Gefahr bringen. Der Staat versucht gleichzeitig den Abschwung durch Konjunkturprogramme auszubremsen und die Zentralbank schmeißt die „Druckmaschine“ an. Die Leitzinssenkungen verpuffen jedoch, denn die Banken halten Ihre Zinssätze hoch um die Bilanzen zu decken. Gleichzeitig sinkt die Bauaktivität auf einen historischen Tiefststand. Die Arbeitslosigkeit beginnt zu steigen.

Phase 10: Die Dauerrezession
Die Rettungsmaßnahmen des Staates und der Zentralbank beginnen zu wirken und bremsen die schockartige Rezession aus. Es kommt nicht zu einem Totaleinbruch der Wirtschaft sondern zu einer schwachen Rezession. Aus dieser findet das Land jedoch für sehr viele Jahre keinen Ausweg, denn die Krise ist ab nun nicht mehr konjunkturell, sondern strukturell.

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