Mittwoch, 18. Februar 2009

Großküchen unter Volldampf

Zwei plus zwei ist zweiundzwanzig, 14 ist mehr als 17 und dreimal drei ist Scheune. Anschließend mach ich mir die Welt, wie sie mir gefällt, so singt es alleweil aus den Großküchen der deutschen Qualitätsmedienhäuser, in denen Nachrichten gebacken werden, indem einer vom anderen klaut, was der sich gerade nach einem recherchierenden Blick aus dem Bürofenster ausgedacht hat.

Immer gern genommen werden tautologisch "neue Rekorde" genannte Wasserstände bei rechtsextremen Straftaten. Dabei ist es mittlerweile an der Tagesordnung, dass ein Leitmedium sich eine Zahl ausdenkt, die dann von allen anderen kritischen Redaktionen besinnungslos und ohne überflüssige Recherchen übernommen wird: Als die Frankfurter Rundschau im Dezember verdienstvoll eine "neue Rekord"-Runde initiierte, stimmte das zwar nicht. Aber die Medienrepublik zitierte sich eine Woche wund an der neuen Rekordzahl von 14.000 rechtsextremen Straftaten - dass im Jahr zuvor 17.000 gezählt worden waren, merkte dann immerhin der "Spiegel", der es sogar mutig vermeldete.


Doch kein Chor, nirgends, diesmal. Die Hamburger Meinungsmacher blieben allein mit ihrer Fehlermeldung. Alle anderen setzten darauf, dass sich sowieso niemand irgendwelche Nazi-Gewalt-Zahlen merken kann, da ja im Monatsrhythmus neue Rekorde gemeldet werden.

Und da sind sie schon! Ganz ohne neue Zutaten wärmte die "Tagesschau" die schwer angeschimmelte Mär vom neuen Rechts-Rekord entschlossen noch einmal auf. Die allgegenwärtige Deutsche Presseagentur sprang eilig hinzu und die Großküchen überall im Land gingen blitzartig unter Volldampf. 121 deutsche Medienhäuser (nach Google News) bliesen den Nazi-Zahlen-Schwachsinn vom Dezember noch einmal im Chor hinaus ins Land, als sei auf der dunklen Seite des Mondes eine kostenlose Armenspeisung mit Atomofen entdeckt worden.

Unser kleines Rekordliebhaber-Blog PPQ hat selbstverständlich nachgefragt. Die Tagesschau teilte uns darob schon nach sieben Nachfrage-Mails bürgerfreundlich mit, dass "der verantwortliche Redakteur" heute nicht im Hause sei. Wir würden dann von dem Kollegen hören. DPA lässt wissen, dass man prüfen und sich bei uns melden werden. Keine Antwort gibt es von der lesernahen Süddeutschen Zeitung, bei der unsere Mails laut Read-Melder immerhin zweimal gelesen wurden.

Wenigstens der "Focus", online mittendrin im Rekord-Fieber, ließ uns inzwischen wissen, wie deutscher Journalismus kocht, backt und den ewig gleichen Einheitsbrei kollektiv abschmeckt: "Der von Ihnen angesprochene Artikel beruhte auf Agenturmaterial, dem primär zu vertrauen ist. Inzwischen ist er jedoch offline, weil er aufgrund der fehlerhaften Zahlen unhaltbar war."

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Immerhin scheint bei der Welt-Online-Redaktion mal jemand zwischenzeitlich gelesen zu haben, was auf der eigenen Seite steht. Der Beitrag läuft jetzt (18.02./17:30) unter "MEISTKOMMENTIERT"
o h n e Kommentare (schon wieder ein mathematisches Wunder).

Anonym hat gesagt…

Nicht schlecht. Statt eines BILD-Blogs sollte man einen Qualitätsmedien-blog aufmachen, um noch viel größer und strahlender berühmt zu werden, als Stefan Niggemeier, der sich stets auf Bildschlagzeilen stürzt. Was ja keine Kunst ist. Allerdings, die Neonazi-Hysterie bietet auch viele Angriffsflächen, deren Aufdeckung jedoch leider weniger Schulterklopfen von etabliert-kritischer Seite.