Mittwoch, 11. Mai 2011

Immer mehr arme Kinder reich

Ehe die große deutsche Volksdichterin Tamara Danz starb, ahnte sie Schreckliches. "Der Wohnblock spuckt sie in den kalten Wind wo sie zu Hause sind", ahnte die Interpretin der "Wilden Mathilde", "ab und zu nur sieht einer frierend hin wo sie zu Hause sind." Dort ist, "wo die Fenster locken mit so gelbem Licht" - doch sie wissen natürlich, "diese Zimmer wärmen nicht".

Der Kenner weiß, es geht um die "verlorenen Kinder in den Straßen von Berlin", um, alle Poesie beiseite gelassen, soziale Kälte, Hunger, Armut, Krankheit, Tod, keine Playstation haben, kein iPhone und nicht genügend Essen, um es wegwerfen zu können. Tamara Danz vermutete es, inzwischen ist es Fakt: Mit der großen Armut, gerade bei Kindern, ging es erst richtig los, als die Mauer fort war. Jedes sechste Kind lebte in Armut, darauf wiesen Statistiken unwiderlegbar hin. Kommissionen tagten, Experten warnten, Politiker versprachen zu handeln.

Und nun der Schock: Die Kinderarmut in Deutschland ist seit Jahren offenbar weit niedriger als von vielen Medien behauptet. Statt bei 16,3 Prozent, wie 2009 über anderthalb Wochen aufgeregt berichtet, lag sie nach neuen Erkenntnissen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung damals nur bei zehn Prozent. Eigentlich sei die Kinderarmut auch nie höher als der OECD-Schnitt von 12,3 Prozent gewesen hieß es.

Was jedem Anwohner eines deutschen Schulhofes immer klar war, erschüttert das Selbstverständnis gleich mehrerer Gewerbe, die von der Kinderarmut leben, in den Grundfesten. Wo sind sie hin, die armen Kinder? Und was soll werden, wenn jetzt nur noch 8,3 Prozent arm sind und damit nur noch jedem 12. geholfen werden muss? Eine Katastrophe, schließlich hatte das „Phänomen der Kinderarmut“ (dpa) in Deutschland gemeinsam mit der "rechten Gefahr" und allerlei Warnungen vor Blutbädern und Schweinegrippen die Aufgabe übernommen, die früher Atomkriegsangst und die Furcht vor dem Einfall der Russen erfüllten.

Mit Erfolg. "Vor 42 Jahren war nur jedes 75. Kind unter sieben Jahren zeitweise oder dauerhaft auf Sozialhilfe angewiesen", rechnet der "Spiegel" stolz vor, "2006 war es jedes sechste Kind." Dieselbe Steigerungsrate vorausgesetzt, wären bereits in 30 Jahren mehr deutsche Kinder arm gewesen, als es überhaupt gibt. Doch der Traum ist aus. Die Zahlen waren alle falsch, wie PPQ bereits 2008 nach einer Überschlagsrechnung feststellte, die ergeben hatte, dass der Trend, wenn es ihn gäbe, dazu führen würde, dass Deutschland in den nächsten 25 Jahren die Vollverarmung erreichen werde.

Werden dem erfindungsreichen Danachrichtenmagazin nun auch noch alle anderen Henry-Nannen-Preise aberkannt?

Alles nur ein Irrtum, der Druckfehlerteufel! Weil die zur Erfassung des beständig wachsenden Elends im Lande regelmäßig befragten "tausende Haushalte" wegen des von der Regierung geforderten Datenschutzes immer öfter Auskünfte über ihre missliche Lage verweigern oder aus hungerbedingter Schwäche nicht mehr antworten können, seien Einkommensangaben oft unvollständig gewesen. Dadurch sei der Anteil der Armen gestiegen, ohne dass Passanten und Schulhofanwohner die Betroffenen jemals auf der Straße entdecken konnten. Durch eine Änderung der Zählweise sei der "Fehler" jetzt behoben worden, teilte das DIW mit. Tamara Danz´verlorene Kinder sind wieder da. Demnächst in einer Studie mit dem Titel "Immer mehr deutsche Kinder zu dick".

Hängt ihn höher!
Geld macht arm
Wirbel um Wohlstandsarmut

8 Kommentare:

nwr hat gesagt…

Sie stehen schon zu Hunderten nackert auf der Straße und betteln um einen Kanten Brot. Das habe ich im Fernsehen gesehen.

Warum sie alle schwarzhäutig waren, konnte ich mir allerdings nicht erklären. Das macht wohl die Armut. Schrecklich!

ppq hat gesagt…

hier im arm en osten können sie teilweise ihre handyrechnungen nicht mehr bezahlen. dramatisch!

nwr hat gesagt…

Ich habe erst jüngst Jugendliche mit zerrissenen Jeanshosen gesehen, die taumelten vor Hoffnungslosigkeit vor einem Gebäude namens "Disko" herum. Sie wollten darin wohl diskotieren, sind aber offensichtlich nicht hineingekommen. So schließt man sie von der Bildung aus! Unfaßbar!

Anonym hat gesagt…

Auf die Gefahr hin als Ignorant zu firmieren: Aber mir war der Begriff „Kinderarmut“ schon immer suspekt. Wie können Kinder als arm tituliert werden, wenn sie doch über keinerlei Einkommen verfügen können, sondern vollständig vom Elternhaus bzw. Erziehungsberechtigten versorgt werden. Was ich noch verstehen könnte, wäre eine Armutsbetrachtung der Elternhäuser, oder der(des) Erzieher(s) durchzuführen.
Davon abgesehen sind die Kriterien, die für solche erschröcklichen Bettelarmutskriterien herangezogen werden, fürwahr hanebüchen. So die Bälger nicht mindestnens 3 Handy-Verträge, die neuesten und teuersten IPods haben , sich nicht in die „angesagtesten“ Klamotten-Labels schmeissen können, die schnellsten Computer mit den „geilsten“ Spielen, die geilsten „DVDs“ und und und und haben, sind sie offenbar ganz „arme Schweine“.

ppq hat gesagt…

ja, ganz arme schweine!

derherold hat gesagt…

"Der Autor selbst hatte am Freitag bei der Verleihung erzählt, er habe die Eisenbahnanlage des CSU-Politikers nie zu Gesicht bekommen. ... Das Gremium betonte aber, dass es keinen Zweifel an der Korrektheit von Pfisters Fakten (sic !) habe."

*lol*

ppq hat gesagt…

recherche wird überhaupt überbewertet, genauso wie fakten oder die überprüfung von dem, was heute gemeldet wird, an dem, was gestern gemeldet wurde.

die einzigen, die sich wirklich noch regelmäßig erinnern, was sie kürzlich geschwatzt haben, sind die sportreporter.

bpb hat gesagt…

Hier in Berlin kann es so schlimm nicht sein. Die meisten der armen Bettelkinder sprechen im Gegensatz zu allen anderen Kindern immerhin mindestens eine Fremsprache, Indisch oder Rumänisch, können arbeiten (unaufgefordert Fensterscheiben an Autos putzen) oder kennen sich gut mit taschendiebischen Tricks aus. Manche spielen gar ein Instrument in der S-Bahn.