Freitag, 6. Januar 2017

Populisten: Aus den Pforten der Hölle gespien

Seit der Kampf gegen den Populismus ausgerufen wurde, erstarkt der Populismsu wie nie zuvor.

Wie konnte es nur soweit kommen? Seit eine breite Bürgerkoalition mit Unterstützung von Bundesministerien und Ministern zum Kampf gegen den "Populismus" geblasen hat, scheint genau dieser Populismus überall und immerdar. Früher ein Personalpronomen für Thilo Sarrazin, ist der  Populist heute eine Menschenmenge, ein Heer, unzählige Köpfe stark. Massenhaft strömt er aus einem Mordor der Unmoral ans Licht, um Zeitungsseiten zu füllen, besorgte Bürger in Talkshowrunden zu beschäftigen und krisenalarmierte Politikerberatungen zu dominieren.

Populismus ist der Gottseibeiuns der modernen Demokratien. Richtete sich der Kampf der Rechten früher gegen Links und der Linken gegen Rechts - unterbrochen von gelegentlichen Autoimmumreaktionen, die Stalin auslöste - und der Kampf der Liberalen gegen alle, die nur ein Weltbild für das alleinseligmachende hielten, so dominiert heute ein weltanschauungsfreies Kriegertum, in dem die vermeintlich Vernünftigen gegen die vermeintlich Unvernünftigen streiten.

Der selbstgemachte Schiedsrichter als oberstes Gericht

Den Unterschied richten sie selbst ein: Vernünftig ist, wer sich zum Vernünftigen erklärt. Steht er dann erst einmal auf dieser Seite, hat ihm der Gott der Vernunft die Macht verliehen, alle anderen als "unvernünftig" zu bezeichnen. Mit denen, die er der Einfachheit halber "Populisten" nennt, muss er dann auch nicht mehr reden, keine Argumente mehr austauschen, ihnen nicht einmal zuhören. Denn es ist entschieden: Sie haben nicht recht, denn sie sind Populisten.

Ein lupenreiner Zirkelschluss, mit dem jede politische Auseinandersetzung schon gewonnen ist, ehe sie begonnen hat. Boris Blaha hat das Erfolgsgeheimnis der Erklärung immer größerer Bevölkerungsschichten zu "Populisten" in einem Beitrag für das Hannah Ahrend-Institut  analysiert. Danach beendet die bloße Beschreibung eines Gegners als "Populist" die Augenhöhe, auf der in der Politik gestritten werden muss. Es zieht Ungleichheit ein, ein Untermenschentum der Ansichten wird postuliert. Der Ansichtenuntermensch ist es nicht mehr wert sind, dass er gehört oder mit ihm gesprochen wird.

"Keine Plattform bieten", heißt es wie einstmals in der DDR, die in Ermangelung von Argumenten jeden Meinungsstreit mit ihren Gegnern vermied.  Diese Art der Auseinandersetzung durch Nicht-Auseinandersetzung vernichtet "das Gesetz, das Politische und das Spiel" (Blaha) gleichermaßen. "Die Aussagehandlung Populist setzt sich selbst in die Rolle des Gesetzgebers, der Innen von Außen trennt und über Zulassung und Nichtzulassung zum Inneren entscheidet." Ein Gespräch findet danach nur noch unter Gleichgesinnten statt, die sich gegenseitig versichern, dass sie recht daran tun, alle die, die nicht so denken, glauben und reden wie sie, nicht mehr in ihre Debatten einzubeziehen.

Dies soll, so die These, die krude genannt werden würde, spräche sie die Gegenseite aus,  die Populisten besiegen.

Mit der Bekämpfung wächst der Widerstand

Es führt natürlich zum Gegenteil. Wo frühere wenige waren, sind nun viele. Wo die ersten Vertreter am politischen Rand saßen und sich beschimpfen lassen mussten, als könnten sie mit ihren Büchern tatsächlich die Welt verändern, tauchen die Populisten nun schon in Wahlumfragen jenseits des Postens "Andere" auf, in Landtagen und demnächst sogar im Bundestag.

Die Strategie, Menschen ihre Meinungen verbieten zu wollen, sie außerhalb der demokratischen Gesellschaft zu stellen und ihnen keine Träne nachzuweinen, führt sichtlich zu einem Ergebnis, das das Gegenteil von dem ist, was als Ziel ausgegeben worden war.

Doch es gibt kein Zurück. "Mit der Herab-/Heraufsetzung hat sich der Nicht-Populist am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, auf einen privilegierten Sitz gehieft und sich dort fest gezurrt. Er muss nicht mehr herunter steigen, sich nicht mehr aussetzen, er muss nicht mehr selbst argumentieren, versuchen zu überzeugen, für seine Meinung streiten, er muss nichts mehr zum Verständnis der gegenwärtigen Lage beitragen, er muss nur noch laut aussagen: „der da ist ein Populist“.

Damit dient er dem Gegner mit - denn der verdankt seine Existenz wie seinen Erfolg nun nicht mehr nur realen Problemen, zu denen er andere Ansichten vertritt als der selbsternannte "Nicht-Populist". Sondern auch dem Umstand, dass Bürger und Wähler verstehen, was geschieht: Das politische Gespräch wird der Öffentlichkeit fortgenommen, die Diskussion um verschiedene Lösungswege für Probleme ausgesetzt, "die Wahrheit der Mitte zwischen den Bürgern entzogen und ins eigene Selbst verlegt" (Blaha).

Der Nicht-Populist hat immer recht, er ist "der Erhabene" (Blaha), der, der keine Ansichten hat, sondern alles überstrahlende Wahrheiten. Und der alle anderen deshalb nicht mehr respektieren muss, ja, sie nicht mehr respektieren darf.

Denunzieren und aussperren als Strategie

Er spricht nicht mehr mit ihnen, er denunziert sie und entlarvt sie als das Böse oder Falsche. "Es dauert meist nicht lange und die ehemaligen Mitbürger werden der letzten Reste ihres durch das Gesetz eröffneten Person-Seins entkleidet und zum Ungeziefer deklariert."

Der rechtschaffende Unterdrücker von Meinungen, die ihm nicht passen, beansprucht jetzt unbedingte Herrschaft und Gefolgschaft. Wer ihm und seinen Ansichten nicht folgt, ist jemand, der außerhalb steht, jemand, der wegen seines Außerhalbstehens mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Der Nicht-Populist, häufig bar jeder menschlichen Regung, "hat sich nicht etwa dem Urteil der anderen ausgesetzt, etwa gar den Wählern, er hat sich nicht darum bemüht, sich Autorität von den anderen zu erwerben, sondern von vornherein schon festgelegt: ich sitze auf dem einzig richtigen Platz, damit müssen alle anderen falsch sein." Und umdenken. Und sich abwenden von den falschen Göttern.

Das Traurige dabei ist das Ergebnis: Wie in den Tagen der Christenverfolgung scheint die Zahl der Populisten unablässig zu wachsen, je schärfer den Kampf gegen sie geführt wird.

1 Kommentar:

Die Anmerkung hat gesagt…

Schade, daß die Mittellinken bis ganz Linken noch nicht auf die Losung "Mehr Populismus wagen" gekommen sind. Dann hätte sich das Populismusproblem ratzfatz erledigt.