Samstag, 20. Januar 2018

HFC: Zitternd in die Zukunft

Marvin Ajani stößt durch, umringt von drei hilflosen Aalenern
Schicksalstage im Saaletal, Stunden der Entscheidung nicht über die nähere sportliche Zukunft, sondern über die langen Linien in die Zukunft, die angesichts von plötzlich aufgetauchten 1,4 Millionen Euro, die in der Kasse fehlen, kürzer sein könnten als irgendwann in den vergangenen 15 Jahren gedacht. War die Mannschaft des Halleschen FC beim letzten Heimspiel gegen Hansa Rostock noch ausgepfiffen worden, weil erklärter Anspruch und sichtbares Auftreten einmal mehr entsetzlich auseinanderfielen, steht beim Treffen mit dem VfR Aalen mehr auf dem Spiel als die Frage von Platz 17, 11 oder 6.: Heute noch eine Pleite, und die richtige Pleite rückt nahe.

Gratulation nach Ajanis 1:0.
Vom unbedingen Siegeswillen, der vorher erklärt wurde, ist nach dem Anpfiff erstmal wenig zu sehen. Die Gäste aus Aalen machen das Spiel, der HFC kommt in der ersten Viertelstunde nur durch zwei Freistöße vor das gegnerische Tor. Dass da unten vor den 5200 Zuschauern nicht mehr das letzte Aufgebot der Rotweißen spielt, das wegen einer historisch einmaligen Verletztenmisere in wechselnder Besetzung fast die gesamte Hinrunde bestreiten musste, ist nicht zu spüren. Das Team von Trainer Rico Schmitt, diesmal mitGjasula und Zenga auf der Doppel-Sechs, agiert bei gegnerischem Ballbesitz mit einer Fünferkette in der Abwehr, die der eigentliche Mittelfeldmann Nick Fennell leicht zurückgezigen als Libero dirigiert. Die größte Chance haben die Gäste, die hier zuletzt ein fröhliches 4:1 mit nach Hause nahmen: Matthias Morys scheitert mit einem nicht allzu straffen Schuss an HFC-Keeper Tom Müller.

Wie aus dem Nichts dann der HFC. Zum ersten Mal dreht sich wirklich ein Offensivkreisel vor dem Tor von Aalens Bernhardt. Erst schießt Ajani aufs Tor, dann El-Helwe, dann segelt der Ball zum langen Pfosten, wo Ajani auftaucht und keine Mühe hat, per Kopf seinen ersten Saisontreffer zu markieren. Ein 1:0, mehr glücklich als verdient, aber wegweisend. Auf einmal kommt Aalen nicht mehr hinten raus, der HFC dominiert und er legt nach einem Freistoß in der eigenen Hälfte nach: Kleineheistmann schlägt den Ball lang in den Strafraum, Fetsch legt auf Ajani, Ajani verlängert und Fetsch und der schließt schräg in der Luft liegend traumhaft ab.

Ein Rückrundenauftakt nach Maß: 0:0 noch im alten Jahr gegen Paderborn, wie im Sommer. Nun ein Sieg gegen Aalen, gegen die in der Hinrunde noch 2:1 verloren wurde. Aber ganz so einfach ist es nicht, denn kaum steht die sichere Führung, kippt das Spiel. Aalen hat jetzt den Ball, der HFC schaut zu. Aus dem umschalten auf "wir lassen sie kommen und kontern" wird mit Beginn der zweiten Halbzeit ein "wir lassen sie kommen und hoffen, dass nichts passiert".

Es dauert nur bis zur 49. Minute, bis die riskante Taktik sich rächt. Wo Aalens Lämmel kurz vor dem Pausenpfiff noch Pech hatte, als ein schöner Schlenzer nur die Latte des HFC-Tor traf, macht es Schnellbacher nun besser. Nachdem Müller einen Schuss des nach einer Schwalbe von den HFC-Fans permanent ausgepfiffenen Morys nicht festhalten kann, vollendet der Aalener aus Nahdistanz zum Anschluss.

Der HFC wankt, kippt aber nicht. Wieder ist es Ajani, der das Ruder herumwirft: Nach einem langen Ball auf die rechte Flanke umkurvt er erst einen Aalener, dann noch einen. Schaut kurz und netzt zum 3:1 ein.

Mathias Fetsch trifft zum 4. Mal in dieser Saison.
Das müsste, das sollte es nun sein. Doch wir sind hier nicht irgendwo, sondern in Halle. Was folgt, ist folglich das übliche Zittern: Schmitts Mannschaft steht tief, Aalen spielt eine Art Handball-Taktik. Immer außen rum, immer auf der Suche nach der Lücke. Mehrfach fliegen Flanken mustergültig in den HFC-Strafraum, mehrfach muss Müller Kopf und Kragen riskieren oder ein Abwehrspieler den Ball planlos aus der Gefahrenzone befördern. Nur in der 62. Minute ist dann niemand da, so dass Preißinger nach einem von Gjasula vertändelten Ball nur noch ein wenig Slalom laufen muss, ehe er ein Loch entdeckt hat, durch das er den Ball zum erneuten Anschluss versenken kann.

Was auch immer in der Winterpause trainiert wurde, Abwehrverhalten war es nicht. Auch die Standards des HFC sind wie gehabt harmlos, aber gegen den heutigen Gast, der bis hierher erst eins von neun Auswärtsspielen gewonnen hat, reicht es. Bibbernd und wankend kämpft sich der HFC auf die Ziellinie, auch weil Manu und Pintol nach ihrer Einwechslung nach vorn für einen Hauch von Entlastung sorgen.

In der Nachspielzeit ist es schließlich Tom Müller, der den Ball nach einer Ecke im zweiten Zufassen fest macht, bis Schiedsrichter Frank Willenborg die Gastgeber erlöst. DSer sechste Saisonsieg, das dritte Spiel hintereinander ohne Niederlage. Ein paar hundert graue Haare mehr auf den Traversen für drei Punkte gegen den Abstieg und nun acht Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz.

Die Zukunft ist weiter offen, immerhin.

Dazu gab es 16.000 Euro aus der ersten Runde der Spendensammlung, die hier weiterläuft.

In der Nachspielzeit muss Tom Müller noch einmal retten.

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