Mittwoch, 22. August 2018

Neue CO2-Ziele: Nur die DDR rettet das Weltklima

Erreichst du deine Ziele nicht, dann setze dir doch einfach neue! Jeder Suchtkranke kennt das, jeder Übergewichtige und jeder Scheidungswillige: Morgen, morgen, nur nicht heute! Dann geht es aber los, richtig, krass und hart! Schonungslos wird nichtgeraucht, trainiert bis zum Umfallen und endgültig ausgezogen! Heute aber muss es noch mal so gehen - sagt sich auch die Europäische Union, deren wichtigste Mitglieder ihre Klimaziele zwar nicht erreichen. Die in ihrer Gesamtheit dafür aber fest entschlossen ist, sich für später nun einfach noch ehrgeizigere neue Ziele zu setzen.


Ein Signal soll das sein für eine Welt, die sich seit dem Scheitern von Kyoto in weiten Teilen der Unterzeichnerstaaten durch den Klimaausstieg von Donald Trump verunsichert fühlt und bitter enttäuscht ist. Ihnen will die EU-Kommission Halt und Hilfe geben, indem sie die EU-Klimasenkungsziele für 2030 von bisher 40 Prozent im Vergleich zu 1990 auf demnächst 45 Prozent "nachschärft", wie es die Wirtschaftswoche nennt.

Verheerende Bilanz


Ein überaus ehrgeiziger Plan, betrachtet man allein die Bilanz der EU in den letzten 13 Jahren. Nahezu utopisch wird das Vorhaben, schaut man sich die Details an: So hatte Deutschland, der größte CO2-Produzent in der Gemeinschaft, in diesem Jahre schon bis Ende März schon so viel Kohlendioxid ausgestoßen, wie das Pariser Klimaabkommen für das gesamte Jahr 2018 erlaubt hätte. Etwa zu diesem Zeitpunkt hatte auch die Bundesregierung ihre sogenannten "nationalen Klimaziele" beerdigt - indem sie alle bis 2020 nicht mehr erreichbaren Reduktionsvorhaben auf die Zeit bis 2030 verschob.

Die Geschichte zeigt allerdings, dass sie auch bis dahin nicht erreichbar sein werden. Denn die bis heute einigermaßen stolze Klimabilanz des Exportüberschussweltmeisters verdankt sich vor allem dem Ende der DDR als Industrieland: Zwei Drittel des gesamten deutschen Co2-Rückgangs um 28 Prozent wurden in den ersten zehn Jahren nach der deutschen Einigung und der Abwicklung der volkseigenen Kombinate erreicht. In den letzten zehn Jahren hingegen gelang überhaupt keine Reduzierung mehr, wie das Umweltbundesamt errechnet hat.


Was du morgen kannst besorgen

Da hilft nur, das offizielle Klimaziel deutlich zu erhöhen, aber gleichzeitig nicht mehr von den "verbindlichen Rechtsvorschriften" (EU) zu sprechen, die das "Klima- und Energiepaket 2020" im Rahmen der "zweiten Verpflichtungsperiode (2013 bis 2020) des Kyoto-Protokolls" eigentlich zu einem der "Kernziele der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" machen sollten.

Stattdessen geht es jetzt um 2030 und noch mehr Reduzierung im Tausch gegen ein paar positive Schlagzeilen und das kollektive Vergessen der bisher für überlebenswichtig erklärten Klimaziele für 2020. Miguel Arias Cañete, ein Großagrarier und früherer Ölfirmenbesitzer, der heute als EU-Klimaschutzkommissar amtiert will im Oktober "einen offiziellen Beschluss der EU-Staaten erreichen", um mit "nachgeschärften" (Wiwo) Versprechungen ein Signal an die Partner in den Vereinten Nationen zu senden, "mehr gegen die globale Erwärmung zu tun". Schuld an der Krise des Klimaschutzes sei nicht das Verfehlen der eigenen Klimaziele in zahlreichen EU-Ländern, sondern Trumps Ausstieg aus dem Pariser Abkommen von 2015.

Neue Versprechen für später


Nach Cañetes Berechnungen wird das neue Ziel erreicht, sofern die neuen EU-Beschlüsse zum Energiesparen und zum Ausbau erneuerbarer Energien umgesetzt werden. Die ursprünglich geplanten Ziele in beiden Sparten waren im Frühsommer im Konsens von Kommission, Europaparlament und Mitgliedsstaaten erhöht worden. Statt um 30 Prozent soll die Energieeffizienz bis 2030 um 32,5 Prozent steigen; der Anteil von Ökoenergie am gesamten Bedarf soll auf 32 Prozent wachsen statt nur auf 27 Prozent.

Die eigentliche Abrechnung der Ziele erfolgt allerdings nicht 2030, sondern erst 2050. Bis dahin peilt die EU mindestens 80 Prozent Reduktion gegenüber 1990 an. Da ist noch viel Luft, die Ziele immer mal wieder zu erhöhen. Und nach hinten zu verschieben. Miguel Arias Cañete selbst wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht an der Endabrechung teilnehmen: Der Spanier wäre 2050 hundert Jahre alt. Für Angela Merkel, das deutsche Klimaziel für 2020 im Frühjahr kassiert, für 2030 aber gleichzeitig eine höhere Reduzierung versprochen hatte, gilt dasselbe. Mit 96 wird die Kanzlerin sich Kritikern vermutlich nicht mehr stellen müssen.

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