Samstag, 22. Juni 2019

Die Nationalisten: Alle Macht dem Hinterzimmer

Marktplatz der Nationalisten: Beim Postenpoker in der EU wollen alle ihre eigenen Leute auf die besten Plätze schachern.

Einmal mehr muss im Hinterzimmer gekungelt werden, es gilt, aufzurechnen, zu geben und zu nehmen, zu schachern und zu pokern, bis die fragile europäische Demokratie wieder für fünf fantastische Jahre zum Beispiel für die ganze Welt wird. Die Situation aber ist vor dem erneuten Endspiel um die Führersitze im Europa-Zug noch unübersichtlicher als beim letzten Mal. Stand vor fünf Jahren nur die Frage zu lösen, was die SPD dafür bekommt, wenn sie einen EU-Kommissionspräsidenten aus den Reihen  der sogenannten Europäischen Volkspartei akzeptiert, dreht das Postenkarusell diesmal frei.

Alles ist möglich, nichts ist undenkbar, die vor der EU-Wahl wie eine Monstranz vorgezeigte "europäische Demokratie" hat vorerst Pause, das vermeintlich so bedeutsame EU-Parlament darf behutsam schweigen. Denn nun verhandeln doch wieder die Staats- und Regierungschef über eine Verteilung der Brüsseler Spitzenposten, bei der es jedem einzelnen Mitgliedsstaat darum geht, sich möglich viel direkten Einfluss auf die EU-Politik zu sichern.

Gefechtslage ungewiss wie nie


Die schönen Zeiten, als der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel der europäischen Rechten im Namen der europäischen Linken einfach anbieten konnte, deren Kandidaten zum EU-Chef zu machen, wenn sein Kandidat Martin Schulz zum Dank Präsident des Europaparlaments werden dürfe, sind vorüber. Mittlerweile hat die SPD keinen Mann mehr Rennen, auch keine Frau, und einen Parteivorsitzenden hat sie auch nicht mehr.

Tragische Spielfigur im EU-Postenpoker: Wahlsieger Weber.
Diesmal ist die Gefechtslage ungewisser denn je: Allen Wahlversprechungen zufolge müsste der deutsche christsoziale "Spitzenkandidat" Manfred Weber Nachfolger des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker werden. Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchte dort keinen Deutschen, so wenig wie Bundeskanzlerin Angela Merkel dort einen Franzosen möchte. Die Nordstaaten sähen auf dem parallel zu besetzenden Posten des EZB-Chefs zudem gern einen strengen Sparfuchs aus ihren Reihen. Während die Schuldenmächte des Südens jemanden wie den derzeitigen Helikoptergeldbomber Mario Draghi bevorzugen würde.

Seit einem Monat gibt es deshalb immer wieder Gipfelerklärungen mit Versprechen, dass es demnächst beim EU-Gipfel „Entscheidungen über Nominierungen“ geben werde. Nur Entscheidungen über Nominierungen oder gar die Besetzung von Führungsstellen gibt es nicht.

Es gibt auch nach vier Wochen und unzähligen Pokerrunden hinter den Kulissen keine Mehrheiten für irgendwen. Manfred Weber wird es nicht, dafür aber kann es der Sozialdemokrat Frans Timmermans auch nicht werden. Die liberale Margrethe Vestager, außerhalb der Konkurrenz gestartet und demokratisch durch die Wähler der EU noch weniger legitimiert als ihre beiden Konkurrenten, findet allerdings auch keine ausreichende Zustimmung im Kreis der 28 Regierungschefs. Und fände sie sie, wäre da immer noch das EU-Parlament, das sich, um den Schein zu wahren, auf den traurigen Wahlsieger Weber festgelegt hat, diesen aber nicht gegen die Regierungschefs durchsetzen kann.

Pokerrunden im Dunklen


Die EU entpuppt sich wieder einmal als Trutzburg von Intransparenz und Illegitimität. So laut der Ruf vor jeder Wahl ertönt,  dass nun Zeit sei, den bürokratischen Machtmechanismus durchzudemokratisieren, so schnell ist das Vorhaben vergessen, geht es nach dem Urnengang daran, die Machtbalance zwischen den EU-Staaten, den Parteien, den Interessengruppen und Kulturen neu auszubalancieren. Der Chefposten bei der EU-Kommission kann nur deutsch werden, wenn Emmanuel Macron Zugriff auf den Präsidentensessel der Europäischen Zentralbank bekommt. Das aber werden die anderen 26 Mitgliedstaaten nur mitmachen, wenn die beiden Führungsnationen ausreichend vielen von ihnen ausreichend lukrative Nebenposten anbieten.

Ein Postenschacher, der alle Beteiligten als Erz-Nationalisten zeigt, die in einem europäischen Mäntelchen herumspazieren, im Moment der Entscheidung aber einzig und allein das Ziel verfolgen, die eigenen Farben auf die besten Plätze zu schieben: Unvorstellbar für Macron, dass ein Deutscher gut für Europa sein könnte, denn gut für Europa kann aus seiner Sicht nur sein, was gut für Frankreich ist. Nicht akzeptierbar für Angela Merkel, daheim erklären zu müssen, dass der "Spitzenkandidat", für den man geworben hat, nur als Verhandlungsmasse taugte, um den im Kanzleramt ungeliebten Jens Weidmann wenigstens als Trostpreis an die Spitze der EZB zu bekommen.

Am Ende wird dennoch eine Lösung gefunden worden sein, in höchster Not und letzter Sekunde, anders als in anderen Fällen. Doch es wird eine Lösung sein, die die EU einmal mehr als Königreich der Hinterzimmer zeigt, in dem Wählerinnen und Wähler allenfalls ein Vorschlagsrecht über den Ausgang von Wahlen haben.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

https://de-de.facebook.com/vierfragen/

MITMACHEN !

schreibt mal was - schreibt viele kluge Dinge , verbreitet den fb link.

DANKE

Gernot hat gesagt…

Unterschätze ich denn ignorant die Bedeutung dergleichen Ämter?
Genügte es denn nicht, irgendjemanden mit Ischias aus einem Frauenhaus oder Männerwohnheim zu holen, um sie oder ihn mit Fackeln auf afrikanische Staatsoberhaupte zutorkeln, vor amerikanischen Präsidentengattinnen straucheln und fremde Menschen abschlecken zu lassen?

Anonym hat gesagt…

https://de-de.facebook.com/vierfragen/

Ich schreibe nichts, wo ein Sacharogor Chef von's Ganze ist.