Montag, 22. Juni 2020

Wirecard, das deutsche Enron: Die Luftpumpe der Illusionen

Vom Börsenstar zum Scam-Skandal: Wirecard war Deutschlands Zukunftshoffnung, entpuppte sich aber nun als riesiger Betrug.

Es war das einzige Hightech-Unternehmen, das seit 1972 in Deutschland neugegründet wurde und danach bis in den Deutschen Aktienindex DAX aufstieg. Ein Traum aus Aschheim, einem Münchner Vorort, mehr clever als innovativ, aber doch, irgendwie, eine Firma, die was mit Internet machte. Wirecard nahm einen fantastischen Weg vom Zahlungsdienstleister für Pornoseiten und Schmuddelkram bis an die Supermarktkasse und damit ins Portemonnaie fast aller Bürger. Deutschland kann es doch noch, dafür stand das 1999 von Markus Braun gegründete Unternehmen beispielhaft. Echtzeitüberweisung, Bank der neuen Art, wertvoller als Deutsche Bank und Commerzbank zusammen. Apple, Google, Amazon, fragte das "Handelsblatt", "Deutschlands Antwort lautet: Wirecard."

Was für eine Freude, dass das noch geht. Warum es so gehen musste, wie es ging, wusste allerdings niemand zu sagen. Wirecard war keine Firma, die irgendwo saß und irgendwelche Geschäftsbeziehungen unterhielt, von denen erkennbar war, welchen Zweck und Nutzen sie haben. Eher schien das Unternehmen mit Magie zu  handeln: Als die Financial Times begann, Geschäftsabläufe infrage zu stellen und die Existenz von Umsätzen anzuzweifeln, stellte sich heraus, dass Wirecard selbst nicht in der Lage war, nachvollziehbar zu erklären, was alle die Partnerunternehmen im asiatischen  Raum für eine Rolle im eigenen Geschäftsmodell spielen, welche Aufgabe sie haben und wieso Wirecard-Gelder irgendwo bei ihnen versickert sein könnte.

Tooooo big to fail und zu wichtig als Aushängeschild für ein Land und einen Kontinent, die trotz aller Beschwörungen ihrer politischen Führer keinerlei Rolle bei den Industrien von Morgen spielen. Deutschland hat wie Europa weder einen bedeutenden Internetkonzern noch spielt es in sonst einem Innovativbereich eine andere Rolle als die des Kunden, Umsatzlieferanten und Absatzmarktes. Wenigstens würde Wirecard dafür sorgen, dass ein Teil der Umsätze als Steuern im Lande bleibt.

Deutsche Bescheidenheit nach der Kapitulation vor der Aufgabe, auf Augenhöhe mit den Industrienationen 4.0 zu bleiben. Dass es zum Betriebsablauf eines solchen Hoffnungsträgers gehören könnte, Firmenvermögen in Höhe eines Viertels des Eigenkapitals als Sicherheit im Ausland zu hinterlegen, hielten Wirtschaftsprüfer offenbar für einleuchtend. Selbst der Umstand, dass dieses Viertel bei Banken in einem einzigen Land geparkt wurde, kam niemandem seltsam vor. Hätte es auf den Philippinen einen Putsch gegeben, wäre es halt weg gewesen, vielleicht. Aber so hatte man ja Kontoauszüge, die bewiesen, dass es vorhanden war.

Zumindest bis vor ein paar Tagen, dann verschwanden die 1,9 Milliarden Euro in einem einzigen Moment. Die "Zukunft des Financial Commerce" (Wirecard) endete, als die seit Monaten im Dschungel der Wirecard-Verflechtungen mit allerlei Partnerfirmen verirrten Wirtschaftsprüfer feststellten, dass sie nicht feststellen könnten, ob das Geld wirklich existiere oder frei erfunden sei.

5.800 Mitarbeiter in 26 Standorten weltweit, namhafte Partner ohne Ende, gewaltige Kredite, gewährt von den größten Banken Europas - und auf einmal ist nichts davon noch wahr. Die Marktkapitalisierung von Wirecard, eben noch bei stolzen 40 Milliarden und damit sieben Mal höher als die der traditionsreichen Commerzbank, fiel mit dem Aktienkurs wie ein Stein. Vier Tage nach dem Rausschmiss von Firmengründer Markus Braun und seinem treuen Helfer Jan Marsalek ist Wirecard, Deutschlands Fahrkarte in die Zukunft des mobilen Zahlens, gerade mal noch 1,8 Milliarden Euro wert. Weniger als das Geld, das auf dem Weg nach Asien verschwunden ist oder aber niemals existiert hat.

Wirecard ist jetzt schon das deutsche Enron, ein Milliardenbetrug, bei dem nur noch nicht ganz klar ist, wer wen betrogen hat. Gerissene Geschäftspartner die naiven Deutschen? Mitglieder der Führung der Firma ihre Kollegen? Die Firma die Öffentlichkeit? Sicher ist hingegen, dass Kleinanleger wie seinerzeit bei dem von der Bundesregierung betriebenen Verkauf von Staatsanteilen an der Deutschen Telekom an Bürger, denen diese Anteile eigentlich ohnehin schon gehörten, die Rechnung zahlen werden.

Auffällig, dass der Skandal, der kein Wirecard-Skandal, sondern einer für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland ist, medial kaum Wellen schlägt. Obgleich bei Wirecard Tausende wenn nicht zehntausende Anleger betroffen sind, weil viele Publikumsfonds Millionen in den aufgehenden Star am deutschen Börsenhimmel gesteckt hatten, bleibt die Berichterstattung eines des Kleingedruckten.

Dass eine Firma, die mit Luft handelt, mit Luftbuchungen Umsätze generiert und aus Luft Sicherheiten herstellt, um die Luftpumpen immer weiter in Gang zu halten, bis in den höchsten deutschen Aktienindex aufsteigen konnte, wirft ein grelles Licht auf ein Land, dessen Selbstbild sich grundsätzlich von dem unterscheidet, was andere sehen, die beim Betrachten nicht in den Spiegel schauen müssen. Was die Zukunft betrifft, sind die Alarmsignale unübersehbar. Allein Amazon ist heute mehr wert als die 30 größten deutschen Unternehmen zusammen, für Apple trifft dasselbe zu, ebenso für Alphabet und Microsoft.

7 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

In ein paar Monaten ist das alles Schnee von Gestern. Die Aasgeier, werden sich mit den geraubten Milliarden ein schönes Leben machen,und die kleinen Anleger können sehen wo sie bleiben.Beispiel Wien-Wert. Ein aufgelegter Betrug.Hoert man noch etwas? NEIN!! Seht ihr? So funktioniert Spekulation.Frei nach dem Motto,dein Geld ist nicht verloren!Es hat nur ein anderer😜

Sauer hat gesagt…

Die Deutschen lieben und verherrlichen Anglizismen, selbst wenn sie sie nicht verstehen. Wichtig ist ihnen, in Anglizismen zu schwelgen und stolz ihre angeblich kosmopolitische Einstellung vorzuführen. Sie fragen dann gar nicht danach, was der angebetete Ausdruck bedeuten könnte, ja sind vielleicht nicht mal fähig, ihn zu begreifen. Momentan faseln die öffentlichen Lautsprecher allenthalben vom lockdown und glauben, dieses Wort hätte eine nuanciertere Bedeutung als Ausgangssperre. Aber es bedeutet nichts anderes und ist somit auf die von Merkel, Söder, etc. angeordneten Beschränkungen des öffentlichen Lebens gar nicht anwendbar, denn sie sind und waren keine Ausgangssperre, wer wollte konnte jederzeit sich im Freien ergehen. Richtiger wäre der Ausdruck Ausgangseinschränkung. Aber soviel sprachliche Exaktheit darf man von den deutschen Armin- und Mariettawürsten nicht erwarten.

Kommen wir zu Wirecard. Liegt nicht im Namen schon der Versuch eines Betrugs oder haben Sie schon einmal einen Draht in Form einer Karte gesehen? Oder umgekehrt eine Karte als langgezogenes Stück Draht? Der Betrug wurde für jeden dem Anglizistenfimmel nicht Verfallen also überdeutlich angekündigt. Der Stolz der deutschen Politik und Journaille basierte von Anfang an auf einem morschen Fundament. Irgendwann mußte die mit Schwefelwasserstoff gefüllte Baracke Wirecard zusammenkrachen und den üblen Geruch nach faulen Eiern ausstoßen. In Zeiten von Merkel ist das die deutsche Kunst der Innovation, die mit amerikanischen Unternehmen der letzten Jahre mithalten will, indem sie sie mit einem Dunst aus Fäulnis einhüllt, damit sie nicht überdeutlich hervorstechen und die Infertilität des besten aller Deutschland nicht allzu sichtbar wird.

Die Anmerkung hat gesagt…

Noch so eine Luftpumpe, wo sich BILD heute aufplustert, als wäre es sensationell. SAT1 darf nächsten 6 Spiele der Bundesliga übertragen, irgendwas mit 1. Spieltag, 2. Liga und in der Mitte was.

Wenn es die Deutschen Ernst meinten, würden sie jetzt vor den Reichstag ziehen und ein FRVuÖRPFÜG fordern, ein Fußballrechteverwertungs- und Öffentlichrechtlichespflichtübertragungssgesetz.

Anonym hat gesagt…

Ach Mist, diese Innovationslokomotive sollte doch das Geld erwirtschaften, das wir heute für 100 Jahre im voraus ausgeben.

Anonym hat gesagt…

Das ist echt der Hammer, ein Jahrtausendzitat:

Wer sich an solchen Gewaltausbrüchen beteiligt, wer Polizisten brutal angreift und Geschäfte plündert, der stellt sich gegen seine Stadt, die Bürger und die Gesetze.

Echt? Ist ja ein Ding. Da wäre man jetzt nicht drauf gekommen. Was für ein Glück, von so weisen Menschen und alles überragenden Denkern regiert zu werden.

Erfuchtgebietend, dass sie das auch noch in so kurzer Zeit hinbekommen haben.

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Hadmut der Weise ist im allgemeinen Elend des Internets der Schlechteste zwar nicht.
Aber break on through to the other side will ihm nicht gelingen.

Ernst & Young hat gesagt…

Wir sind uns keiner Schuld bewusst. Wir kamen, haben die Prüfungsrückstellung gesehen und das reichte halt nur fürn kaffeeklatsch mit den jungen nudeln ausm marketing.

Anonym hat gesagt…

als nordischer Adler würde ich solchen Kreaturen nicht mal 50 Pfennig anvertrauen