Dienstag, 12. August 2025

Sie ist wieder da: Die beste aller Bundesrepubliken

Das beste aller Deutschlands
Sie ist wieder da: Das beste aller Deutschlands ist auch die beste aller Bundesrepubliken. 

Wenn es kein anderer tut, muss man es eben selber machen. Das ZDF ihre deutsche Börsenreporterin Sina Mainitz in Marsch gesetzt, um zum Kern der Dinge vorzubohren. Dominik H. Enste, ein Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftsethiker, der als Leiter des Clusters Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik an Marcel Fratzschers Institut der deutschen Wirtschaft in der Durchhaltparolenproduktion tätig ist, liefert bei solchen Anfragen prompt und passgenau. Positivismus ist Enstes Fachgebiet, seine rosarote Brille legt der 58-jährige Illusionskünstler aus Arnsbach niemals an.  

Augenzu und durch 

Den anhaltend schlechten Nachrichten von der Wirtschaft, aus der gespaltenen Gesellschaft und aus dem westlichen Bündnis setzt Enste ein klares Augenzu und  besser woanders hinschauen entgegen. Schon vor Jahren, als Deutschland erstaunt auf sich selbst schaute und plötzlich bemerkte, welche verheerenden Schäden die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie angerichtet hatten, tröstete der Ökonom neuen Typs. Deutschland stehe im Vergleich sehr gut da, "sowohl was den Zusammenhalt angeht als auch das Vertrauen in die Politik oder Wirtschaft", hatte Enste herausgefunden. "Das ist auch das Ergebnis von 75 Jahren positiver Wohlstandsentwicklung."

Die ist seitdem beendet, aber die Mission des Wirtschaftsvoodoopriesters nicht. Wie alle bei ZDF und ARD hat auch Sina Mainitz Enstes Nummer unter "Besser geht's nicht" abgespeichert. Immer, wenn Schlagzeilen aus einer Parallelwelt gebraucht werden, in der Deutschland nicht abschmiert, auf die Inflation keine Rezession folgt, die Lage nicht ausgerechnet für die einst so stolze Exportnation besonders düster ist und  die Renten-Krise mal wieder zum Wohlstandsverlust für alle führen muss, wird Dominik Entse angerufen. 

Kein Grund zum Meckern 

Egal, wie es ist, es ist sehr gut.
Der bestätigt dann selbst noch aus der Sauna, aus dem Strandkorb oder dem spanischen Steakhouse auf Sylt, was alle ohnehin jeden Morgen beim Aufstehen als Allererstes vermuten: "Den Deutschen geht es besser denn je". Für all das "Gemecker übers Wetter, Inflation, Krisen" (Mainitz) gibt es keinen wirklichen Grund. Denn "objektiv gesehen hat es nie eine bessere Zeit zu leben gegeben" sagt Dominik Entse, der Verhaltensökonom ist und es sicher besser weiß als alle, die ein ganz anderes Gefühl haben.

Man müsse sich doch nur umschauen, um die Wahrheit zu sehen.  "Wir sind immer noch eines der Länder mit der besten Gesundheitsversorgung weltweit", sagt Enste und er betont das "noch". Aus der Hoffnung, dass das noch eine Weile so bleiben könne, könne Hoffnung ziehen, wer an Märchen glaubt. Vertrauen ist die Grundlage von allem, und wem könnte das Volk mehr vertrauen als dem nächsten Kanzle, der ein neues Wirtschaftswunder verspricht, sich zumindest öffentlich grundlos optimistisch zeigt und bei seinen seltenen Auftritten im Inland regelrecht entkoppelt von der Realität wirkt?

Tiefes Misstrauen 

Eine Mehrheit der Menschen hielt schon den Umgang der Ampel mit der Wirtschaftskrise für inkompetent, teils sogar undemokratisch. Eine noch größere Mehrheit spricht der aktuellen schwarz-roten Koalition die Fähigkeit ab, das Richtige zu tun. Aus den hohen Umfragewerten der AfD sind noch höhere geworden, die ein tiefes Misstrauen gegenüber der Arbeit der Regierung bezeugen.

Das ZDF als eine jener "Institutionen, die mit öffentlichen Mitteln arbeiten", wie Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer die staatsnahe Institution beschrieben hat, sieht sich in der Verantwortung dafür, die Lage schön zu zeichnen. Und jemand wie Dominik Enste ist erste Adresse, wenn es darum geht, mit Durchhalteparolen gegen die Realität zu argumentieren. 

Besser als gut 

Am Fratzscher-Institut haben sie zu diesem Zweck schon das Recht auf Wohnen zu einem Recht aus urbanes Wohnen für alle abgeleitet. Sie haben der Generation X ins Stammbuch geschrieben, dass sie die "positiven Effekte einer Haushaltshilfe unterschätzt" und sich besser umgehend eine zulegen. Und sie haben den 40 Prozent der Deutschen, die  sämtliche Alternativen zum Umbau der Alterssicherung als ungerecht empfinden, nachgewiesen, dass dabei einem "entscheidungstheoretisch gut nachgewiesenem Trugschluss" unterliegen, "dass man die Wahl hätte zwischen der sicheren Alternative, den Status Quo beizubehalten, und einer unsicheren Zukunftsalternative".

Gar nicht. Dominik Enste knüpft an Angela Merkels Zusicherung von  2015 an, dass "unser Deutschland das schönste und das beste Deutschland, das wir haben" ist. Mag das Land, "in dem wir gut und gerne leben" auch als einiges von wenigen weltweit seit fünf Jahren kein Wirtschaftswachstum mehr vorweisen können, mag es auch gesellschaftlich tiefer denn je gespalten sein und zerfressen vom Neid zwischen Ost und West, Jung und Alt und Rechts und Links. 

Teure Billigtarife 

"Wir zahlen weniger Geld für Handytarife als noch vor vielen Jahren, fliegen verhältnismäßig günstig in den Urlaub, haben ein Riesen-Angebot an Musik oder Filmen, die wir kostengünstig streamen können", hält Dominik Enste den Skeptiker entgegen, für die jedes Glas immer nur halbleer ist.

"Nie gab es eine bessere Zeit zu leben als heute", sagt der Forscher und er erinnert die Bürgerinnen und Bürger damit an eine längst vergangene Zeit als eine beim Weltwirtschaftstreffen in Davos vorgestellte Studie die Sache auf den Punkt brachte: Eine einzigartige Mischung aus "guter Führung, starkem Mittelstand und hoher Lebensqualität" machten Deutschland damals zum unumstritten "besten Land der Welt". Ein einfach nur perfekter Staat mit hochgerüsteter Moral, der mächtigsten Frau der Welt an der Spitze und dem Willen, als Leuchtfeuer für die andere Völker an beiden Enden zu brennen, bis die gesamte Menschheit am deutschen Wesen genesen ist.

Völker der Welt, schaut auf diesen Staat

Völker, ruft Dominik Enste heute, schaut auf diesen Staat! Es sind doch nicht nur die gesunkenen Handytarife, bei denen Deutschland nach wie vor zu den teuersten Ländern gehört, selbst im Vergleich mit anderen EU-Partnerstaaten. Der Preis für ein Gigabyte Datenvolumen liegt hier bei einem Euro oder 50 Cent, während es in Italien nur acht Cent sind, in Frankreich bei 19 und in 35 Cent. Doch hierzulande, betont Enste, "können "Kleinkinder früher in frühkindliche Bildungseinrichtungen geschickt werden und auch im Rhein kann man heute schwimmen, weil er sauberer ist als noch vor 20 Jahren". 

Wie überzeugend das Agument ist, zeigen Zahlen, die die ZDF-Meisterwerkstatt für Mediale Manipulation (MMM) vor einem Jahr einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert hatte: Längst gehöre Deutschland zu den "Top 5 der attraktivsten Arbeitsländer". Statt nach Norwegen, Dänemark, in die Schweiz, nach Schweden, in die Niederlande oder die traditionellen Einwanderertraumziele USA, Australien und Kanada zu ziehen, entscheiden sich immer mehr Leistungsträger aus aller Welt, das Land mit der "kaputtgesparten Infrastruktur" (Lars Klingbeil), mit den marodierenden Nazibanden, dem mangelnden Wohnraum und der fehlenden Breitschaft, auf E-Mobilität umzusteigen, zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt zu machen. 

Die Liste des Guten 

"Die Liste des Guten", sagt Dominik Entse, "könnte man noch länger fortsetzen". Doch der Forscher weiß: Es würde nichts bringen. So wie Neid nur das Blumenbeet sieht, aber nicht den Spaten, sieht der Deutsche die Servicewüste, die hohen Baupreise, den starken Anstieg bei Steuern, Abgaben und Lebenshaltungskosten und die schwache Regierung, die eine schwache Vorgängerregierung mit markigen Sprüchen abgelöst hat, deren Politik aber seitdem konsequent fortsetzt.

Es fehle "bei vielen Deutschen an innerer Zufriedenheit", hat Enste ermittelt. Statt wie er gleich "acht Arten von Kapital" heranzuziehen, um angesichts der wachsenden Zahl von Armen, Arbeitslosen und Bürgergeldberechtigten auf ermutigende Zeichen für einen grassierenden Wohlstandszuwachs zu kommen, schauen die Traditionalisten nur auf Brieftasche, Beruf und die Lage im Bekanntenkreis. Überall sieht es mau aus, Depression ist der Normalzustand und Hoffnung auf Besserung rar.

Einfach mal zufrieden sein 

Es war der von Haus aus wenig fantasiebegabte Olaf Scholz, der angesichts der aussichtslosen Situation schon vor Jahren vorgeschlagen hatte, sich beim Wohlstand nicht mehr mit Schwergewichten wie den USA, der Schweiz und Norwegen zu vergleichen. Inspiriert von einer großen Relotius-Reportage über Bhutan, das bettelarme "einzige klimaneutrale Land der Erde" (Spiegel) müsse der Begriff "grüne Glückseligkeit" an die Stelle der vergeblichen Jagd nach mehr Einkommen, ein besseres Auskommen und größerer Wettbewerbfähigkeit treten, wie sie die EU sich vom früheren EZB-Chef Mario Draghi ins Stammbuch hatte schreiben lassen. 

Dominik Entse hat sich eine Reihe von Indikatioren ausgedacht, bei denen das technologisch abgehängte Deutschland nicht nur mit neuen Rekordschulden und cleveren Haushaltstricks glänzen kann. Stolz verweist er auf die industrielle Basis, die immerhin immer noch da sei. Dazu "kommt Sozialkapital, ein gesellschaftlicher Zusammenhalt, Familie, Freunde". 

Abbröckeln ignorieren 

Ebenso wichtig sei Humankapital, also Wissen und Bildung, die zwar fortwährend abbröckeln, aber in Spuren noch zu erahnen sind. Für das Wohl eines Landes sei es überdies entscheidend, dass es auch kulturelles Kapital gebe. "Dazu gehören Museen, Religionen und Bauwerke." Zusammen mit dem "körperlichen" und dem  spirituellen Kapital, also der physischen und psychischen Gesundheit und dem Geist einer inneren Zufriedenheit bilde das Naturkapital die entscheidende Grundlage eines Wohlbefindens, dem sich niemand verweigern könne.

Nur Kleingeister und Feinde unserer Demokratie schauen auf Statistiken, Zahlen und ernüchternde Daten. Nur Schwarzmalen, Zweifler und Hetzer quengeln über eine Bevölkerung, die ihrer eben erst gewählten Regierung mehrheitlich ablehnend gegenübersteht, über die vielen Risse quer durch Land und die zunehmenden Mangelerscheinungen selbst bei den Waren täglichen Bedarfs. "Demokratie  erhöht das Wohlbefinden", hält Entse dagegen. 

Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen  

Die seit Jahren schrumpfende Wirtschaft könne man doch auch mal für ihr "minimales Wirtschaftswachstum" loben und behaupten, dass sich "die allermeisten Dinge hierzulande doch gut entwickelt" hätten. Dass eine Mehrheit im Land Umfragen zufolge skeptischer denn je auf öffentliche Institutionen aller Art schaut, veranlasst Enste zu einem überschwänglichen Lob. "Weil sich die meisten Menschen hier wohlfühlen und Vertrauen in die Institutionen haben." Den wichtigen Beweis dafür, wie gut es letztlich läuft, schiebt Dominik Enste am Ende nach: Wir sind ein Rechtsstaat, wir müssen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen und die Demokratie."


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Verhaltensökonom? Wirtschaftsethiker?
Fratzschers Pandämonium schiebt Sonderschichten im Elfenbeinturm, den sie mit meinen Steuern gebaut bekommen haben. Das ist Wirtschaftsethik pur, sich sich mit Bullshitjobs vom Steuerzahler alimentieren zu lassen.
Alles toll, klar, aber wenn nicht >50% meines Einkommens für solche Schweinepriester und ihre Klientel verbrannt würden, ginge es mir noch besser. Von der Zukunft rede ich gar nicht, wird sicher Bombe.

A propos Fratzscher. Zufallsfund:
https://finanzmarktwelt.de/diw-fratzscher-klimarisiken-industrie-absturz-357450/

Laut DIW-Chef Marcel Fratzscher wandern ... Investitionen massenweise ins Ausland ab, wegen dem [sic!] Klimawandel! Aber eine wichtige Umfrage in der Industrie, auf die er sich bezieht, spricht gar nicht von Klimarisiken als Grund, sondern nur von hohen Energiepreisen! Wir führen hier eine klare Dokumentation an, dass Fratzscher das Wort „Klimarisiken“ als Grund einfach hinzugefügt hat.

Ich übersetze: Fratzscher lügt.