Dienstag, 12. August 2025

AfD im Umfragehoch: Land der zwei Geschwindigkeiten

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Am Ende der Brandmauer-Debatte steht der nächste Aufschwung der AfD.
 
Es ist nur noch einen Monat hin, und auf einmal ist sie wieder da. Die AfD, durch die bockstarken ersten Auftritte einer zu allem entschlossenen neuen Bundesregierung in ihrem Aufstieg gestoppt, hat nicht lange gebraucht, um auch die jüngsten Rückschläge im Kampf für sich zu nutzen. In den neuesten Umfragen hat sich die zeitweise in Gänze als gesichert rechtsextremistisch bezeichnete Partei wieder an die führende Union herangeschoben. Bei Forsa liegt sie gar wieder gleichauf mit der Merz-Partei.  

Ende der Brandmauer 

Die Folgen des Endes der großen Brandmauer-Debatte sind überall zu sehen. Verzweifelt versuchen die Grünen, sich zum Teil delegitimierende Regierungskritik lieb Kind bei abtrünnigen Wählerinnen und Wählern zu machen. Der atemberaubende Aufstieg der Linken, die vorübergehend zur beliebtesten Partei der Medien geworden war, scheint beendet. Das BSW stagniert weit unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Die SPD kann machen, was sie nicht will und Geld ausgeben, das sie nicht hat. Ihrem Zuspruch bei den Bürgern nützt es nichts. Er geht weiter zurück.

Und aus einem lange Zeit auf die entleerten Flächen Ostdeutschland begrenzten Rechtsruck droht nun  ein gesamtdeutscher zu werden. Immer schon hatten die Rechtspopulisten in den erfahrenen Demokratien der elf westdeutschen Länder mehr Wähler als im Osten, der erst seit 35 Jahren von den geschenkten Vorteilen der freiheitlichen Demokratie profitiert. Zuletzt aber stiegen die Beliebtheitswerte der ursprünglich von westdeutschen Professoren gegründeten eurokritischen Protestpartei hüben unübersehbar. Die AfD hat sich auch in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Zwölf Jahre nach ihrer Gründung - damals in Oberursel im Taunus - droht die AfD zu einer fest etablierten politischen Kraft auch im Westen zu werden, die nicht mehr nur im abgehängten Ostdeutschland erschreckende  Wahlergebnisse erzielt. 

Der Westen hinkt hinterher 

Unabhängige Experten der Amadeu-Antonio-Stiftung hatten es schon lange vermutet. Der Westen hinke dem Osten bei der AfD-Zustimmung nur knapp vier Jahre hinterher, hieß es Anfang des Jahres in einer Analyse, die aufzeigte, dass die ehemaligen Rechtspopulisten "die stärksten Sprünge in den Bundesländern", machten, "in denen sie bislang am schwächsten waren". Bis zur stärkten politischen Kraft, werbewirksam weniger durch spezielle Inhalte als durch das Alleinstellungsmerkmal der einzigen Partei auf der anderen Seite der Brandmauer, ist es noch ein Stück Weg. Doch bundesweit legte die  Partei in den zurückliegenden zwölf Monaten fünf Prozent zu. 

Einen ähnlichen Mobilisierungserfolg schaffte nur die Linkspartei, der allerdings ein einziger Sprung im Februar half, als die als "Ostmulle" geschmähte Heidi Reichinnek den deutschen Politikbetrieb auf dem Höhepunkt der drohenden Machtübernahme der Rechtsfaschisten mit einer Wutrede auf den Kopf stellte. Seitdem geht es seitwärts, das Wählerpotential der Linkspopulisten scheint ausgeschöpft. Die Sehnsucht nach einer Rückkehr zum Sozialismus teilen trotz Bildungsmisere wohl wirklich nur höchstens 15 Prozent der Wahlberechtigten.  

Mit Schwankungen aufwärts 

Bei der AfD dagegen geht es unter geringen Schwankungen aufwärts. Kein Mittel, kein Werkzeug und keine Waffe hat daran bisher etwas ändern können. Ob Ausschluss aus der Diskussion oder Verbotsdiskussion - in den Ostländern sind die Rechten als stärkste Kraft fest etabliert. Allmählich aber zeigt sich auch im Westen ein bemerkenswerter, wenn auch längst vorhergesagter anhaltender Aufstieg. Die Pariapartei schickt sich an, ihre beeindruckende Erfolgsgeschichte aus dem Osten im Westen zu wiederholen: Erreichte sie auf dem Gebiet der Ex-DDR bereits bei der Bundestagswahl 2017 überraschende 22 Prozent der Stimmen, liegt sie heute in mehreren westdeutschen Flächenländern schon in der Nähe dieser Marke und in Bayern sogar exakt darauf.

Eine Fast-Verdopplung in nur acht Jahren. In Sachsen und Thüringen dauerte es nach 2017 nur noch vier, bis die AfD zur stärksten Kraft wurde. Und im gesamten Osten nur sieben, bis die jüngste Partei im Bundestag die CDU in den ostdeutschen Ländern mit durchschnittlich 34 Prozent hinter sich ließ, mit Spitzenwerten wie 38,6 Prozent in Thüringen und 37,3 Prozent in Sachsen. Diese Zahlen spiegeln eine mittlerweile eingeübte Gewohnheit wider, es "denen da oben" und ihrer elitären Auffassung von "unserer Demokratie" mal so richtig zu zeigen. Bis sie nicht nur sagen, dass sie verstanden haben. Sondern tun, was ihnen gesagt wird.

Nicht mehr nur Protestpartei 

Nur stundenweise sieht es immer mal so aus. Dann aber setzt sich die politische Routine des Politbetriebes in Berlin durch. Dies geht nicht, das darf nicht, hierfür gibt es keine Mehrheit, dafür braucht es eine Kommission. Als beste Wahlkämpfer für die Feinde der Demokratie entpuppen sich Mal um Mal des besten Demokraten.

Studien zeigen zwar, dass die AfD nicht mehr nur als Protestpartei wahrgenommen, sondern auch ihre Lösungsvorschläge angesichts des Scheiterns der zaghaften Versuche der Wettbewerber auf immer mehr Zustimmung treffen. Kaum jemand aber zweifelt daran, dass der AfD-Aufschwung an dem Tag beendet wäre, an dem eine andere Partei beginnen würde, Politik nicht mehr hauptsächlich für sich selbst, sondern für die Bürgerinnen und Bürger zu machen.

Dass die AfD, eine Partei mit überwiegend drittklassigem Personal, der Hebel ist, die anderen in Bewegung zu versetzen, diese Erkenntnis setzt sich im Westen Deutschlands langsamer durch als im Osten, wo die Menschen ihren Brüdern und Schwestern die Erfahrung des Zusammenbruchs der DDR voraushaben. Ostdeutsche erinnern sich, dass kein System bleiben kann, wie es ist, wenn eine kritische Masse der Bürger es infrage- und sich demonstrativ auf die Seite seiner größten Feinde stellt. Im Westen gibt es solche Erinnerungen nicht. Hier ist alles, wie es immer war. Seit Helmut Kohl sein Amt antrat, hat sich am mehr und mehr ritualisierten Vollzug der Demokratie nichts geändert.

Von elf auf unter 20 

Der von den elf auf knapp unter 20 Prozent beinahe verdoppelte Zuspruch der Westdeutschen zu ausgerechnet der Partei, die fast die Hälfte aller ostdeutschen Abgeordneten im Bundestag stellt, ist umso beunruhigender als ihr Wachstum bis 2021 stagnierte. In Schleswig-Holstein, home of the brave Robert Habeck, scheiterte sie 2022 sogar am Wiedereinzug in den Landtag. Doch seit 2023 zeigt sich ein grundlegender Wandel, der vom Verlieren der Geduld bei denen erzählt, denen ein Langmut mit der politischen Klasse mit den ererbten Häusern, Bankguthaben und etablierten Verbindungen in Köln, Stuttgart und München zufällt.

Bei den Landtagswahlen in Hessen holten AfD-Abgeordnete 18,4 Prozent und Bayern 14,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl reichte es zu 17,6 Prozent im Westen. Aktuelle Umfragen unterstreichen diesen Trend. In Rheinland-Pfalz und Hessen kämen die Blauen derzeit auf jeweils 19 Prozent, selbst in bisher schwachen Regionen wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein reicht es zu 17,8 Prozent  und 16,3 Prozent.

Eine beschleunigte Dynamik ist unübersehbar, die Parallelen zur früheren Entwicklung im Osten zeigt.  Eine Analyse von Wahlergebnissen und Umfragewerten legt eine zeitversetzte Kongruenz zwischen Ost- und Westdeutschland nahe: Der Aufstieg der AfD im Osten begann etwa mit der Bundestagswahl 2017, als die Partei in den neuen Bundesländern durchschnittlich 22 Prozent erreichte. Im Westen werden ähnliche Werte erst jetzt erreicht. 

Ein Abstand von sieben Jahren 

Die Daten deuten auf einen zeitlichen Abstand von etwa sieben Jahren hin, nicht vier. Die Dynamik der Zuwächse verstärkte sich dabei in nachlassenden Schüben: In Ostdeutschland verdoppelte die AfD ihre Stimmenanteile zwischen 2013 und 2017 von 4,7 auf 22 Prozent. Danach folgte ein Anstieg um ein Drittel auf heute über 30 Prozent. Im Westen vollzog sich in der verspäteten ersten Phase zwischen 2021 und 2025 eine ähnliche Verdopplung: Aus acht Prozent wurden um die 17. 

2025 ist in NRW, Baden-Württemberg und Hessen, was 2017 für Sachsen, Thüringen und Brandenburg war. Die AfD scheint im Westen nun jenen Wachstumspfad zu beschreiten, den sie im Osten bereits hinter sich hat, denn die damals nur im ärmeren, ausgegrenzten und allenfalls schiefangeschauten Ostdeutschland maßgeblichen strukturelle Faktoren wirken jetzt auch jenseits der früheren innerdeutschen Grenze. 

Alarmrufe sorgen für Harthörigkeit 

Wirtschaftliche Unsicherheit, Zurücksetzungsgefühle durch die hohe Zuwanderung, Vertrauensverlust in die Institutionen und ein Gefühl der politischen Entfremdung gegenüber Politikern, die jedes Maß in jeder Hinsicht verloren zu haben scheinen, greifen nun auch im Westen Raum. Aktuelle Krisen wie der Ukrainekrieg, die Inflation und die sichtliche Hilfslosigkeit aller jemals an einer Bundesregierung beteiligten Parteien tun ein übriges. Alle Bemühungen der inzwischen vom Staat auskömmlich finanzierten Zivilgesellschaft verpuffen. Die andauernden Alarmrufe der Medien haben zu Harthörigkeit geführt. Selbst Hitlervergleiche und Weltuntergangsbeschwörungen kommen bei den Adressaten einfach nicht mehr an.

Die AfD lebt von der Ausgrenzung, sie gedeiht am besten unter Sonne der Ablehnung derjenigen, die sie ablehnen. Im Westen  war die Partei lange auf urbane und strukturschwache Regionen wie das Ruhrgebiet beschränkt gewesen, weil es ihr an Personal fehlte, das bereit war, die öffentliche Verdammung zu tragen, fasst sie jetzt Fuß in ländlichen und konservativen Gebieten von Bayern oder Baden-Württemberg. Jede Ankündigung, ihre Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst zu werfen, jeder Lauschangriff  und jeder Bürgermeisterkandidat, der zum Schutz des Gemeinwesens schon vort dem Wahltag aus dem Rennen genommen wird, hilft der Partei bei der Mobilisierung.

Verzögerter Westeffekt 

Im Westen wirkt dieser Effekt verzögert, weil die etablierten Parteien hier bisher keinen Grund hatten, die AfD als ernsthaften Mitbewerber zu fürchten. Doch die letzten vier, fünf Generaldebatten um Migration und innere Sicherheit, um Trusted Flagger und Meinungsaufsicht und eine hasserfüllte Medienkampagne gegen eine Bundesregierung, die vermeintlich "Verbrechen gesprochen" haben soll, haben die Partei auch im Westen gestärkt. Ein Land, zwei Geschwindigkeiten: Die AfD hat in Ostdeutschland eine Zukunft hinter sich, die im Westen noch vor ihr liegt. Während die Partei im Osten bereits als stärkste Kraft etabliert ist, wird sie es im behäbigeren Westen vermutlich erst in etwa sieben Jahren sein. 



2 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Die Reichinneck ist keine "Ostmulle". Sie gehört dem Stamme jener an, die den Fotzenfreitag heiligen.

Anonym hat gesagt…

Kann sein, dass Gaza-Chrupalla mit seiner Unterstützung der islamischen Freibadpiraten noch ein paar Punkte dazu holt, ich werde aber wohl wieder MLPD wählen müssen.