Samstag, 4. Juli 2020

Hitler in Turnschuhen: Filmförderung plant Diversitäts-Check gegen Klischees


Hitler, umgeben ausschließlich von anderen alten weißen Männern. Western, in denen die Kerle kämpfen, Hüte tief ins Gesicht gezogen, während die Frauen Wunden versorgen und Suppe kochen. Ostdeutsche in Turnhemden, die Bierflasche in der Hand, die vor Managern aus dem Westen knien, die Anzug tragen und 100-Euro-Frisuren. So geht es nun wirklich nicht mehr weiter, hat die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein jetzt beschlossen. Klischees und stereotype Rollenbilder in Filmen müssen nicht sein, wenn Filmemacher dafür sensibilisiert, dass es auch anders geht.

Die Ehefrau muss nicht nur am Her stehend, der Schwarze Mensch oder Rumäne kann auch mal den Herzchirurgen, Bauarbeiter oder Kommissar spielen, statt nur stets verdächtig herumzustehen. Hitler dagegen bleibt auch in Turnschuhen und T-Shirt Hitler, warum also nicht. Und statt den Schwulen als "bloß eine tuntige Witzfigur" (RND) zu zeigen, bietet nicht zuletzt der anstehende Braunkohleausstieg Gelegenheit, ihn als Kohlekumpel zu besetzen, der nach einer neuen Zukunft sorgt.

Von ganz allein aber kommen Regisseure nicht darauf, alte Rollenklischees zu brechen und Diversity zur Grundidee für neue Filme und kleine Fernsehspiele zu machen. Um diesem Zustand einen Riegel vorschieben, hat die Filmförderung im Norden (FFHSH) jetzt als erste Filmförderung bundesweiteinen verpflichtenden Diversity-Fragebogen eingeführt: Filmemacher und Produzenten, die sich um staatliche Fördermittel bewerben, müssen bei der Beantragung nachweisen, dass sie in ihren geplanten Filmen unbewusste Vorurteile und Klischees hinterfragen und Rollen gegen den Strich besetzen werden.

Bunter soll auf der Leinwand werden, bunter und lebendiger. Dazu müssten Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseure sensibilisiert, ist FFHSH-Geschäftsführer Helge Albers überzeugt. "Mehr Vielfalt filmen und Geschichten erzählen, die sonst ungehört bleiben: Wir wollen unsere vielfältige, multikulturelle Gesellschaft modern und in all ihren Facetten auf der Leinwand sehen." Ehe Fördermittel fließen, müssen Filmemacher künftig Rechenschaft ablegen, wie sie auf ihre Themen, die einzelnen Rollen ihrer Filme und deren Besetzung gekommen sind. Ein Eingreifen der Filmförderung in Drehbücher, die etwa bei Ritterfilmen Frauen nur in Nebenrollen besetzen, oder bei Krimis ehemalige Ausländer, die jetzt im Inland wohnen, als Täter ausschmieren, sei nicht vorgesehen.

"Wir wollen verstehen und wissen, warum sie ihre Rollen so besetzt und den Stoff so entwickelt haben, wie sie es getan haben", ergänzte FFHSH-Sprecherin Claudia Hartmann. Es liege allein in der Verantwortung der verantwortlichen Produzenten, förderfähige Projekte einzureichen, indem etwa besonderer Wert auf eine regenbogenbunte Schilderung des Alltages gelegt werde. "Manchmal gibt es ja auch inhaltliche Gründe, warum ein Film nicht divers ist. Die wollen wir aber nachvollziehen können", sagt Claudia Hartmann. Sonst könne eine Förderung nicht stattfinden.

Filme mit vielen Männern, die mit anderen Männern interagieren, gebe es aber schon ausreichend. Der Filmförderung gehe es bei der Entscheidung einer Förderung immer um die Qualität der Stoffe. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeige: Je diverser ein Film ist, desto besser ist er meist auch.

Für FFHSH-Geschäftsführer Albers ist die "Diversity Checklist" ein wichtiger erster Schritt, dem allerdings noch zahlreiche weitere Aktionen folgen müssen. Die FFHSH selbst hat zuletzt eigenen Angaben zufolge ihre Fördergremien geschlechtergerecht und diverser besetzt. Vor einigen Jahren hatte die Filmförderung bereits mit dem grünen Drehpass in der Branche Maßstäbe gesetzt und die Filmemacher für umweltbewusstere Dreharbeiten mit einem grünem Label belohnt.

Denkbar sind für die Zukunft, dass Fördermittel abwechselnd quotiert an männliche, weibliche und queere Regiesseure ausgereicht werden, die den Diversity-Check bestanden haben. Gleichzeitig könnte eine Quotierung nach Hautfarbe, Herkunft und gegenwärtiger Staatsbürgerschaft der Produzenten hilfreich sein.

5 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das Foto ist genial. Ist das Bruno Ganz in einer Drehpause?

ppq hat gesagt…

ein ölgemälde eines ukrainischen künstlers, hängt hier bei PPQ in der gesindekantine

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich hätte jetzt gedacht, das sei womöglich ein früher Bisky, der im Keller eines Londoner Auktionshauses seiner Wertsteigerung harrt. Der Bisky stand doch mal auf stramm dargestellte Jungskörper am Strand und so. Dächte ich.

Florida Ralf hat gesagt…

ehrlich gesagt geht mir das nicht weit genug. koennte man nicht von jedem film verschiedene versionen drehen, um spezifische menschen zu erfreuen? also den ritterfilm als standard-, mindestens female-fronted- und bunt-queere variante? oder ein einfach den stoff an drei filmhochschulabgaenger m/w/d geben? und der clou: das publikum weiss nie, welche gezeigt wird! ich glaube, so koennten wir ein kraeftiges zeichen gegen eingeschliffene strukturen setzen!

Anonym hat gesagt…

Staatlich geförderte Kunst ist immer Propaganda. Es läuft also alles weiter wie bisher, nur dass die Propaganda bisher nicht kodifiziert war.