Mittwoch, 25. November 2020

Zehn Jahre kein Street View: Deutschlands Abschied von der Zukunft

Für ihre größte Tat ist Ilse Aigner zum Jubiläum kein Kranz geflochten worden, keine ARD-Themenwoche hat mit Erziehungs- und Erbauungsfilmen auf jenen großen Sieg des deutschen Wesens über die Unbilden der Welt da draußen berichtet und selbst im Bundestag, einem Ort, an dem die Vergangenheit wechselweise bekämpft und feierlich begangen wird, fand keine Phoenix-Sondersendung statt, um den Moment in Erinnerung zu rufen, in dem sich Deutschland entschloss, die Zukunft an sich vorüberziehen zu lassen. Zehn Jahre nach dem wegweisenden Verbot des Google-Dienstes Street View ist der Triumph ein stiller. Niemand gedenkt der großen Stunde. Keiner nur erinnert sich an die titanischen Gefechte, die wackere deutsche Spitzenpolitiker aller Parteien einem Ungeheuer lieferten, das angetreten war, ganz Deutschland "abzufilmen" wie der Grünen-Politiker Volker Beck seinerzeit herausfand.

Ein Sieg der Angstmacher

Dabei ist der Sieg aus heutiger Sicht ein totaler. Wie Weißrussland, vor kurzem in "Belorussland" umbenannt, Serbien und Madaskar ist das früher so technikbegeisterte und innovationsfreudige Land der Dichter, Denker und Ingenieure bis heute einer der wenigen Staaten weltweit, die ohne Street View auskommen. Und wie gut das geht! Statt neuester Technik hat das Herzland der EU ganz viel Privatsphäre für Hausfassaden in die digitale Welt retten gerettet. Mit einem kleinen Trick: Statt des anfangs erwogenen Verbots, Häuser von außen zu fotografieren, machte die Bundesregierung es Fotowilligen zur Auflage, aufwendige Widerspruchsverfahren für Hausbesitzer anbieten zu müssen, die ihre Gartenzäune nicht fotografiert sehen wollten.

Ein kleiner Kniff für den Gesetzgeber, eine große Hürde für den Weltkonzern, der  bald darauf jedes Interesse verlor, seinen neumodischen Orientierungsdienst, der in 90 Ländern der Erde verfügbar ist, in einem Gemeinwesen anzubieten, in dem höchste Politiker ihren minderjährigen Nachwuchs im Netz präsentieren, während sie betonen, dass eine Straße Persönlichkeitsrechte habe, die gewahrt werden müssten. Dort, wo andere Gegenden der Welt von jedem Rechner aus neugierig beschnuppert werden können, ist Deutschland eine weiße Wüste. 

Ein Popanz für die Prediger

Aus heutiger Sicht war es ein Versuchsballon, experimentell gestartet in Zeiten, in denen die große Politik keine Corona-Regeln erlassen, keine Grundrechte aussetzen und weder Nachbarstaaten noch Kleinselbständige retten musste. Das Primat der Politik, es sollte damals, kurz nach der Finanzkrise, symbolisch demonstriert werden: Ein Popanz wie Google-Street-View kam gerade recht, die Prediger von Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner und ausgeweiteten staatlichen Überwachungsrechten als strenge Wächter über die Daten der Bürger zu inszenieren. 

Datenschutz war Fassadenrecht, die später nach Bayern verschwundene Verbraucherschutzministerin Aigner wurde nicht müde, die tödlichen Gefahren zu beschrieben, die drohten, sollte bekannt werden, welche Art Haustür Familie Müller in Buxtehude und welches Gartentor Frau Schmitz in Bautzen hat. „Ich kann mir anhand von solchen Diensten anschauen, wo und wie jemand lebt, welche privaten Vorlieben er oder sie hat, wie seine Haustür gesichert ist oder welche Vorhänge an den Fenstern sind – und das ist noch das Wenigste.“ Wer plane, das "Private ohne Schutzmöglichkeiten in die globale Öffentlichkeit" (Aigner) zu zerren, dem müsse der Rechtsstaat in den Arm fallen.

Eine Pixel-Burka für ein ganzes Land

Es waren diese Tage, als sich Hysteriker und Angsterzeuger mit ihren Forderungen nach Verpixelung und einem Ende der Zukunft mit ihren neumodischen Erfindungen sich zum ersten Mal durchsetzten. Auf Street View und die „Pixel-Burka“ folgte der Atomausstieg, später machte die Datenschutzgrundverordnung das Wegklicken zahlloser Cookie-Warnungen für Millionen Menschen zu einer täglich neu zu absolvierenden Aufgabe, gewidmet einem "Datenschutz", den die EU-Kommission selbst so ernst nimmt, dass sie bis heute unter Missachtung des privacy shield-Urteils des Europäischen Gerichtshofes an ihren Auftritten bei amerikanischen Datensammeldiensten wie Twitter, Facebook und Instagram festhält

Deutschland erster Versuch, bei der Zukunft nicht mehr mitzumachen, darf heute als wegweisende Weichenstellung gelten. Seit dem Milliarden-Desaster um den angeblichen "Zahlungsdienstleister" (DPA) Wirecard existiert hierzulande nicht einmal mehr die Andeutung eines Unternehmens, das auch nur auf Hüfthöhe mit den Googles, Amazons und Alibabas der neuen Welt konkurrieren könnte. Deutschland ist nicht mehr Werkbank, nicht einmal mehr verlängerte.

Es ist digitaler Absatzmarkt ohne Zukunft.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich glaube aber, man kann mit Fug und Recht sagen, dass Google eine Drecksfirma ist. Und eben nicht unsere Drecksfirma.

Gerry hat gesagt…

Beide Sichtweisen, ppq und anonym, scheinen berechtigt zu sein. Gestern las ich die Meldung vom fassungslosen (O-Ton) Betriebsrat von Daimler. Weil der Vorstand ein Abkommen mit den Chinesen getroffen hat, einen wesentlichen Teil der Motorenherstellung nach China zu verlagern. Geht alles in dieselbe Richtung.

Die Anmerkung hat gesagt…

Telepolis hat auch was dazu.
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https://www.heise.de/tp/news/Sag-mir-wo-es-hingehen-soll-4966230.html?wt_mc=rss.red.tp.tp.atom.beitrag.beitrag

2020 wird wegen alledem vermutlich in die Annalen als das Jahr eingehen, in dem Google anfing, freundlich, aber bestimmt wie eine Helikoptermama den Einwohnern dieses Planeten ihr Leben vorzuschreiben. Und in 50 Jahren wird man sich fragen, wie wir alle ohne die wertvollen Tipps von Mama Maps noch leben konnten. Das heißt, wir fragen uns das nur vordergründig. Hinter vorgehaltender Hand geben wir uns zu verstehen, dass das mit diesen ewigen Tipps ziemlich zu nerven beginnt und wir uns nach den Faltplänen der guten alten Zeit zu sehnen beginnen. Die konnte man wenigstens zuklappen und ins Regal stellen. Die poppten nicht ständig mit "Darf ich Dir einen Tipp geben" in die Fresse.

Anonym hat gesagt…

"deutschlandfunk" : "äähm - ja - hmm , kann ich so jetzt nicht spontan sagen "

junge Nachwuchsärztinnen stellen sich und ihre Sprachbehinderung vor .

"... da müsste man viel emphatischer sein ; jaja die Schulmedizin , also ich bin die Beate , habe studiert und jetzt darf ich meine eingeschränkte Sprachkompetenz im d- Funk abbilden - äähm " .

"schildern sie doch mal ihren Alltag "

"ja ääähm , also wir haben äähm eine Runde mit dem Scheffaazt ( kieks) - äähm "


niemand hat es bemerkt - wirklich niemand .

grenzdebile Schummelsilkes mit Auchabitur werden durchs Studium geschmuggelt und dann auf kranke Menschen losgelassen .

Anonym hat gesagt…

Recht OT:

>> 7berjer 25. November 2020 at 14:13

Was laut den globalistischen „HumaniSSt“_Innen für die „unsere Umwöllt“ ... ...
Den „HumaniSSmus“ in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. <<
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Diese feinsinnige Ironie, mit der dieser SS-Mann seinen berechtigten Abscheu gegen das Böse unter der Sonne kundtut, seit Jahren allerdings, hat einen gewissen Pfiff.
ESS iSSt zu mutmaSSEn, daSS ihm der Unterschied zwischen Leugnen und Bestreiten völlig Wumpe - wahrSScheinlich aber gar nicht bekannt iSSt.

Anonym hat gesagt…

Und noch einen:
<< BlogJohste 25. November 2020 at 13:39
Wer vor der Anarchie nieder kniet, stirbt oder ist schon tod. <<

Manchmal bin ich nur noch müde, sehr müde.