Sonntag, 12. Dezember 2021

Annalena unterm Eiffelturm: Alte Bilder aus Paris

Annalena Baerbock setzte mit ihrem Auftritt vor dem Eiffelturm gleich eine eigene Duftmarke - streng nach 1940 riechend.

Ein neues Deutschland, das sich mit seiner neuen Außenministerin auf eine ganz neue Art präsentiert. Unübersehbar war das das Zeichen, das Annalena Baerbock bei ihrem ersten Auslandsbesuch setzen wollte. Die junge Grüne ließ ihren Wagenkonvoi direkt vor dem Eiffelturm halten. Der mitreisende Fotograf der Nachrichtenagentur DPA bekam der Schuss seines Lebens präsentiert: Annalena Baerbock in dem roten Kleid, das die Vertreterin einer ernstgemeinten Nachhaltigkeit auf ihrer ersten Dienstreise als Deutschlands höchste Diplomatin auch später in Brüssel noch tragen wird, vor dem Eiffelturm.  

Schöne alte Bilder aus Paris

Baerbock zeigt sich als stolze Eroberin Frankreichs. "Schöne neue Bilder aus Paris", freut sich das im politischen Berlin gelegentlich als Reichsnachrichtendienst verspottete SPD-nahe Redaktionsnetzwerk Deutschland und greift in die sexistische Klischeekiste: Baerbock habe "in rotem Kleid und schwarzen Stiefeln eine gute Figur" gemacht vor dem Wahrzeichen der französischen Hauptstadt. "Viele werden sich freuen über die schönen neuen Bilder aus Paris", so der RND, "sie gehören zu den ersten Dokumenten des Wirkens einer Frau an der Spitze des Auswärtigen Amts." 

Dokumente, die Baerbock selbst strategisch kühl inszeniert hat, um offenbar vom "ersten Morgen im neuen Amt" (RND) einen neuen Ton zu setzen für neue deutsche Ansprüche. Seit Konrad Adenauers Parisbesuch vom 1. Januar 1950, bei dem der erste Bundeskanzler sich gemeinsam mit André Francois Poncet, dem französischen Botschafter in Berlin, beim nachdenklichen gemeinsamen Spaziergang vor dem Eiffelturm hatte ablichten lassen, vermieden es deutsche Kanzler wie deutsche Außenminister über 70 Jahre lang peinlichst, gemeinsam mit dem 324 Meter hohen Eisenfachwerkturm am nordwestlichen Ende des Champ de Mars auf einem Foto zu landen. 

Das Mutter aller Eiffelturm-Bilder

Mutter aller Eiffelturmbilder.

Von Ludwig Erhard über Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl bis Gerhard Schröder und Angela Merkel samt deren Außenministern galt als ungeschriebene Lehre aus der unheilvollen deutschen Geschichte, dass sich deutsche Spitzenpolitiker auf keinen Fall hier fotografieren lassen dürfen, wo bereits Ende Juni 1940 ein deutscher Kanzler hatte ablichten lassen.

Annalena Baerbock, die später bei ihrer Vorstellung bei der EU-  Kommission in Brüssel gleich noch einen beeindruckenden Einblick in ihre Interpretation der Definition von "fließend Englisch" gab, wusste davon offenbar nichts. Oder sie ignorierte es bewusst. Im ersten Anlauf hebelte die 40-Jährige den Konsens aller Demokraten seit 1949 aus: Niemals ohne Schirm nach London. Niemals in Stiefeln nach Moskau. Und niemals in Erobererpose vor den Eiffelturm in Paris.

Die ausgeschiedene Kanzlerin Angela Merkel hatte sich über 16 Jahre strikt daran gehalten: Mit acht Moskau-Besuchen, 15 Visiten in London, 20 Reisen in die USA und 41 Abstechern nach Paris zeigte sie nicht nur deutlich, welchen Wert ihre Regierung welchem Nachbarn und Partner beimaß, sondern sie ließ auch nie einen Zweifel daran, dass sie aus der Geschichte gelernt hat. So gibt es denn Fotos von Merkel beim inszenierten "Trauermarsch" der politischen Weltelite nach den Terroranschlägen von Paris, es gibt Motive, die sie beim Reden, bei Begrüßungszeremonien und beim Unterzeichnen von Dokumenten zeigen.  Provozierend aufzutreten wie Hitler damals im Bildband "Mit Hitler im Westen" wäre der Ostdeutschen aus Hamburg allerdings wohl nie eingefallen.

Annalena Baerbock hingegen geht ihre neue Aufgabe sichtlich unverkrampft an, frei von übertriebener Ehrfurcht vor den sensiblen Gefühlen anderer Völker, souverän und selbstbestimmt in der Wahl ihrer Mittel, neues deutsches Selbstbewusstsein in die Welt zu tragen. Während im EUnrechtsstaat Polen an Geschichte erinnert wird, liefert die zweite grüne Außenministerin in ihrer federleichten Art drastische Kontrastbilder zum Kniefall von Warschau, mit dem Bundeskanzler Willy Brandt vor 51 Jahren den Zorn rechtspopulistischer, rechter und rechtsextremer Kreise heraufbeschworen hatte. In der "fabelhaften Welt der Annalena" (Taz) aber, in der ein solidarischer Journalismus sich als Teil der Problemlösungskompetenz begreift, die die Welt retten muss, fällt das überhaupt nicht auf.


8 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Wurde Kay Nietfeld gezwungen, das Foto Hitler vor der dem Eiffelturm mit Außenminister Baerbock nachzustellen?

Im übrigen sind mir Fotografen, die den Fotoapparat nicht einmal gerade halten können, ein Gräuel, nicht satisfaktionsfähig. Abgesehen von der ungeheurlichen Tabuverletzung sehen die Bilder auch noch richtig Scheiße aus.

Carl Gustaf hat gesagt…

Klein Annalena in Paris ist ein Nebenkriegsschauplatz narzisstischen Weltführertums. Viel interessanter ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass Dr. A. Merkel endlich angekommen ist: im Ex-Büro von Margot Honnecker. Wie lautet der Mythos, den man Merkel immer unterstellt hat: Sie denkt alles vom Ende her.

Anonym hat gesagt…

Die Kamera zu verkanten, ist bei gestellter Spontaneität durchaus ein akzeptiertes Gestaltungsmittel. Wenn man nicht gerade für Bravo (ja gibt's noch) fotografiert, kann man das zumindest ironisch einsetzen. Ironische Gedanken dürften freilich weder Fotograf noch Modell gekommen sein.
Nicht der Fotograf und schon garnicht die Außenministerin hatten die leiseste Idee von Geschichte und waren sichtlich in der Ästhetik der Influenzerei und des Otto-Katalogs gefangen, als sie den shoot abzogen. Ein angemessener Start, kann ich nicht leugnen.
In Sonnenrichtung in den Großstadt-Dunst zu knipsen kann man machen, aber ein Bild, bei dem das Überbelichtungszebra eine so große Fläche frisst, würde ich garnicht erst hochladen. Die megatolle Symbolik hin oder her.

Anonym hat gesagt…

so dicht am Eiffelturm war der Föhrer nicht . Annalehner steht deutlich näher am Turm .

https://war-documentary.info/hitler-in-paris-june-1940/

( rechts im Bild - Reichskonstleiter Dr.Zipp-La-Douche ; Heeresgruppe WEST und Konstsachverständiger Bürro Göring Eckarrt )

Die Anmerkung hat gesagt…

@Sepp

Doch, dörr Föhrer war schon näher dran. Damals konnten Regierungsfotografen noch fotografieren.

Die Anmerkung hat gesagt…

@anonym

>> Die Kamera zu verkanten, ist bei gestellter Spontaneität durchaus ein akzeptiertes Gestaltungsmittel.

Keine Ahnung, von wem das akzeptiert wird, von mir nicht. Ich fotografiere so nicht. Mir ist auch noch nie ein Motiv untergekommen, bei dem von schief nach schräg ein akzeptables fotografisches Abbild ergeben hätte. Mir sind auch keine schiefen Bilder bekannt, die bei mir einen Aha-Erinnerung auslösen.

Es mag sein, daß es fotografische Nischen für Schieflagen gibt. Mir ist da nur das Elend der pornografischen Fotografie bekannt. Das Genre glänzt mit schlechten Fotografen zuhauf.

Der Nietmann ist Regierungsfotograf. Erste Voraussetzng dafür ist, daß er seinen Job beherrscht. Macht er aber nicht. In der DDR wäre er nach einem halben Tag Praktikum auf eine andere Lehrstelle versetzt worden. Such dir einen anderen Job , mit dem du glücklich wirst (O'Sullivan).

Kann sein, daß ich da zu hart urteile, aber ich bin mit NBI und Horizont aufgewachsen, die durch zwischen den fotos auch lgeich ncoh beigebracht ahben, was gute Fotografie ist, denn was anderes kam für deren Bildredaktionen nicht in Betracht.

ein großer Fehler bei der Kostenreduzierung in westdeutschen Blättern war in den 90er Jahren die Abschaffung der hauseigenen Fotografen und der Einkauf der gewünschten Produkte. Kannste alle großen Magazine nehmen, die strotzen heute vor schlechten Fotos.

Man schaue sich die Fotos der amerikanischen White House Photographers an, des russischen oder Kim-Fotos. Die haben dem deutschen Influencer zumindest eines voraus. Sie können fotografieren, wissen Motive einzuschätzen, auch, was Propaganda bewirken soll, vor allem aber können die alle ihren Fotoapparat gerade halten, so schwer das Teil im Einzelfall auch sein mag.

Kay Nietfeld Fotos. Ein Kracherfotograf ist er nicht gerade, Und er hat häufig Gleichgewichtsprobleme, kann gerade noch so den Auslöser drücken, bevor er umgefallen ist.

So, das kupfer ich gleich mal für meinen Blog, ist auch kostenreduzierend und spart jede Menge an Freizeit, die ich in Snooker schauen investieren kann.

Die Anmerkung hat gesagt…

Kay Nietfeld Fotos

Anonym hat gesagt…

ahaaa - Sepp hat das mal wieder einen Fehler eingebaut . Gott sei Dank haben wir aufmerksame Bildjournalisten