Dienstag, 8. November 2022

Letzte Meile: Stauraum ohne Strom

Der "People Mover" aus Aachen sollte Deutschlands Verkehrswende to the people bringen.

Es würde die Zukunft sein, haben sie gesagt. Sie würde von Deutschland aus organisiert, dem Land, das den Diesel erfand und die Solarzelle, das sich als erstes weltweit entschloss, ganz auf Wind- und Sonnenenergie zu setzen, um ein Zeichen zu geben für den Rest der noch zögerlichen Welt. Elektromobilität, ein Zauberkunststück, das seine frühesten Ausformungen hierzulande mit dem Flocken-Elektrowagen von 1888 erlebte, der in Coburg gebaut wurde, versprach früh die Erlösung der Mobilität von Abgasen, CO2 und Autobahnraserei. 

Staatsplanposten Streetscooter

Während anderswo spleenige Multimilliardäre sich der Idee bemächtigten, entschied sich Deutschland, die neue Art des sauberen Fahrens zur Staatsangelegenheit zu machen: Der "Streetscooter" der Deutschen Post war ein riesiger Erfolg. Er war mit "feiner Sensorik" (Der Spiegel) ausgestattet. Und bewies bis zur Einstellung der Herstellung, dass sich 200 Millionen Euro für Entwicklungsarbeiten problemlos verbrauchen lassen, ohne dass am Ende ein winterfestes Fahrzeug dabei herauskommen muss.

Aber Winter mit Eis und Schnee wird es demnächst ohnehin nicht mehr geben, der Streetscooter war also genau das richtige Fahrzeug zur richtigen Zeit. Stolze 10.000 Fahrzeuge wurden produziert und zugelassen, die "Erfolgsgeschichte" (Streetscooter) führt indessen trotzdem irgendwann eine neue Gesellschaft fort, weil der Deutschen Post die Verluste zu groß wurden. Der neue Hersteller ist nun ein "wahrern Pionier von vollelektrischen leichten Nutzfahrzeugen", der die "letzte Meile bei Paketlieferungen revolutionieren" wird, nur derzeit aber noch keine Preise für die künftigen Straßenfeger mit immerhin 160 Kilometern Reichweite nennen.

Der deutsche Elon Musk

Gute Nachrichten für B-On kommen nun aber jetzt aus Aachen, wo der deutsche Elon Musk Günther Schuh, seines Zeichens Vater des Streetscooters, nach seinem Abschied von der Deutschen Post einen eigenen leichten Elektrolieferwagen entwickelt hatte. Sein Unternehmen e.Go Mobile setzte für die letzte Meile auf den Cargo-Mover, verschlang Millionen, benannte sich um, wurde verkauft, fand neue Partner und Anteilseigner und verlor seinen Gründer. Vor zwei Jahren schließlich endlich der Durchbruch: Der Mover erhielt eine deutsche Straßenzulassung. Bald sollte er auch autonom fahren. Und schon im vergangenen Jahren sah der Produktionsplan die Fertigstellung der ersten 2.000 Fahrzeuge vor.

Nun allerdings ist die Moove GmbH pleite. Vier Jahre nach der Vorstellung des ersten Prototypen hat der "Stromer mit Stauraum" (Focus) ausgestromert. Das "neue Mobilitätskonzepte für Transport und Gewerbe" scheitert ausgerechnet pünktlich zum Start der so hoffnungsvoll  begonnenen Klimaberatungen im ägyptischen Badeort Sharm El-Sheikh,  die so sehnlich auf ein starkes Klimazeichen aus dem zuletzt in die Kritik geratenen Klimavorreiter Deutschland gewartet hatte.

134 Jahre nach Andreas Flocken

Weil "Elektromotoren drei- bis viermal effizienter sind als Verbrennungsmotoren" (Flixbus) hat das vorläufige Ende des deutschen Aufbruchs zu "elektrischen, automatisierten und vernetzten Lösungen für den Güter- und Personentransport der letzten Meile" keine sachlichen Gründe. 134 Jahre nach Andreas Flockens Elektrokutsche ist die Technik der Elektromobilität ausgereift, beim Mover waren sogar  Konzeptphase und Vorserienentwicklung abgeschlossen und potenzielle Investoren hochinteressiert. Erst die "jüngeren Entwicklungen am Finanzmarkt", trafen die junge Firma ins Mark, wie der vorläufige Insolvenzverwalter mitteilte. Niemand wollte mehr Geld geben, offenbar war sogar die Zuschusspipeline aus dem Steuersäckel verstopft.

Deutschland verspielt so seinen Innovationsvorsprung auf der letzten Meile zur Paketstation, auch die Verkehrswende in den bisher kaum elektrisch erschlossenen ÖPNV-Regionen der ostdeutschen Flächenländer dürfte ins Stocken kommen. Und aus Berlin kein tröstendes Wort, keine helfende Hand, keine rettende Initiative.


9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bernd möchte nicht gemeinsam mit telefonierenden Buntbürgern im pipl-muwer herumgefahren werden - auch die aggro Aura vom Schemm mag der Bernd nicht

Anonym hat gesagt…

Die Redwitzer halfen Andreas Flocken dabei, sein Auto bis zum Ziel zu schieben. In Redwitz besaß der Pionier sein eigenes Wasserkraftwerk.

Ein eigenes Wasserkraftwerk ist ein guter Einstieg in die Elektromobilität.

Carl Gustaf hat gesagt…

Derweil produziert der mdr Realsatire vom Feinsten: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/polizei-ostdeutschland-abhoerzentrum-innenminister-100.html?fbclid=IwAR1DRZAZxmQ3u463HymT5l8UteXa7j78_Ya2ot80NmyTxtIdSFxSaUU9I_c

Anonym hat gesagt…

Abhörzentrum
Offiziell trägt das Zentrum den Namen "Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum" (GKDZ).

Spontaner Lacher. Machen sie dann Bautzen auch wieder auf?

Anonym hat gesagt…

Ich las zuerst (altersichtig bedingt) "Peoples Mower", und dachte mir, soweit sind wir nun.

ppq hat gesagt…

man erwartet ja unterdessen immer das schlimmste

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich kenne nur power to the people.

Anonym hat gesagt…

meinten Sie "peoples Mauer , usa ?"

Anonym hat gesagt…


meinten Sie "peoples Mauer , usa ?"

Wiewohl nicht angesprochen, erfreche ich mich, zu antworten: Nö. Und Hero kommt nicht von Herodes. Umgekehrt auch nicht.

Parodie bei Seyfried, der alten Edelzecke: Powder to the People...