Dienstag, 28. Mai 2024

Doppelt hält besser: Einmal ist kein Mal zur EU-Wahl

Wer mehr als einen Pass hat, kann bei der EU-Wahl mehrfach abstimmen. Das EU-Parlament schaut dem kriminellen Treiben seit Jahren tatenlos zu.


Wäre es damals nach Guy Verhofstadt gegangen, müsste sich niemand mehr etwas einbilden. Der Belgier, einige Stunden lang heißer Anwärter auf die Nachfolge Jean-Claude Junckers als EU-Kommissionspräsident, hatte sie doch ausgerufen. Eine "EU-Staatsbürgerschaft", die "mehr bietet als nur offene Grenzen", wie das EU-Parlament bis heute schwärmt, ganz unabhängig von den längst abgelaufenen Höchstfristen für vorübergehende Grenzkontrollen, die vor sieben Jahren für so große Aufregung gesorgt hatten. Damals waren sie noch legal, allerdings in Brüssel anmeldepflichtig und von dort zu genehmigen. Das hat sich gegeben. Mittlerweile kontrollieren alle. Und niemand schert sich mehr um die Zustimmung der Kommission.

Durchlässig für Insassen

Dieses Europa bleibt durchlässig, zumindest für seine Insassen. Die anstehende EU-Wahl zeigt sogar, dass viel mehr möglich als sich die Schulweisheit der Gründer des Kontinents einst hatte träumen lassen: Wer heute zwei Pässe von zwei Mitgliedsstaaten besitzt, der kann um den 9. Juni herum - auf einen gemeinsamen Wahltag konnten sich die Partnerländer bisher noch nicht einigen - auch zweimal abstimmen. Das Ende der Demokratie ist das nicht. Ein begeisterter Sammler von Staatsbürgerschaften wie der auf Rügen lebende Jean Andreas Elferant kommt derzeit auf fünf Pässe, die ihm Zugang zu fünf Wahlurnen in fünf Staaten verschaffen würden. "Aber ich mache das nicht", sagt der Mecklenburger, "das ist mir zu mühsam, wo ich doch nicht mal hier zu Hause mitmache."

Seit der "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo nach der Europawahl 2014 offenherzig bekannte, dass er seine Stimmen sowohl in Deutschland, als auch in Italien abgegeben habe, herrscht dennoch Futterneid bei vielen, die durch ihr persönliches Schicksal an ein paar Wurzeln gefesselt sind. Wird es weitgehend hingenommen, dass deutsch-türkische Doppelstaatsbürger sowohl Olaf Scholz als auch Recap Erdogan ins Amt verhalfen, und US-Amerikaner, die ihren deutschen Pass sicherheitshalber (Trump!) behalten haben, sowohl hüben als auch drüben abstimmen können, stößt der Umstand der Wettbewerbsverzerrung durch die "Doppelwahl der Doppelstaatler" (BR) dem Fußvolk vor der Urne übel auf. 

Schräge Wahlregeln

One Man, one Vote, das vom EU-Wahlverfahren ohnehin zum Treppenwitz karikierte demokratische Grundprinzip, es werde schwer verbogen, wenn ein Teil der Bevölkerung einmal im Heimatland - der BR nennt es "Gastland" - und ein weiteres Mal im Herkunftsland einen Vertreter ins größte zumindest teildemokratisch gewählte Parlament der Welt entsenden dürfe. Nach Angaben der Bundesregierung könnten etwa 800.000 Menschen in Deutschland von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Sie besitzen mindestens zwei EU-Staatsbürgerschaften, haben also praktisch zwei Stimmen, während Krethi und Plethi genau überlegen müssen, wem sie ihre eine einzige geben.

Wie immer in der Wertegemeinschaft EU ist es kompliziert. Prinzipiell hat jeder Doppelstaatsbürger das Recht, bei der EU-Wahl sowohl in seiner einen Heimat als auch in der anderen eine Stimme abzugeben. Faktisch schließen Gesetze die Ausübung dieses Rechtes aus, seit bemerkt wurde, dass eine demokratische Wahl, die aufgrund ihrer ungerechten Regeln zum absurd ungleichmäßigen Gewicht der Stimmen der Wahlberechtigten in den einzelnen Staaten ohnehin unter schwerem Manipulationsverdacht steht, sich vollends unmöglich macht, wenn einer nur einmal, ein anderer aber auch drei- oder viermal abstimmen darf.

Eine echte europäische Lösung

Herausgekommen ist eine echte europäische Lösung. Gewählt werden darf nur einmal. Wer zweimal wählt, dreimal oder auch fünfmal, muss jedoch keinesfalls fürchten, sich damit Ärger einzuhandeln. Doppelwahl ist ein strafbares Vergehen, das zu 100 Prozent unentdeckt bleibt, weil die 27 Mitgliedsstaaten ihre Wählerlisten nicht abgleichen. Niemand darf, aber jeder kann unbehelligt von den Behörden wählen, so oft er möchte. Unterschiedliche Rechte für Staatsbürger im traditionellen Sinn, die etwa als Deutsche nur Deutsche mit einem einzigen Pass sind, und multinationale Weltbürger mit Wurzeln hier und Aufenthaltsstatus da, sind gelebte Wirklichkeit in der Gemeinschaft. 

Um die 20 Millionen Menschen mit solchen ganz besonderen Mitbestimmungsrechten beherbergt die EU, das sind stolze fünf Prozent der Wahlberechtigten. Vor zehn Jahren hatte sich die Gemeinschaft eigentlich entschlossen gezeigt, das Schlupfloch für Straftäter zu schließen, die es darauf anlegen, die Wahlergebnisse durch Mehrfachstimmabgaben zu delegitimieren. Auf das geplante Wahlgesetz aber hatten sich die in sieben Fraktionen vereinten 200 Parteien, die Europa im EU-Parlament vertreten, vor der letzten Wahl nicht einigen können. Vor den nun anstehenden versuchten sie es gar nicht erst.


4 Kommentare:

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Doppelpass gehört wie Doppelbesteuerung abgeschaft.

Hase nochmal.... hat gesagt…

Kaufe ein f und löse. Kann wech !!!

Anonym hat gesagt…

Das heißt nicht, dass das Brüsseler Volkstheater delegitimiert wäre. Wer das glaubt, hört auch Nazimusik von Gigi d'Agostino.

Anonym hat gesagt…

Mal sehen, wie am neunten des Junius das Wetter sein wird. Wenn es Scheibe wird, gehe ich hin und wähle - ich schwanke noch zwischen der Gesundheitspartei und den Bibeltreuen Christen.
Wenn das Wetter leidlich bis gut sein wird, werde ich meiner Steckenpferde pflegen.
Eines davon ist, Teilchenbeschleuniger mit dem Zeigefinger in Gang zu bringen.
(Der Obergefreite Schmiedling: Dös is die Vaunull!)