Dienstag, 20. Mai 2025

Der rechtsextreme Kanzler: Abhängen reicht sicher nicht

Mit seiner Raucherei zeigte Helmut Schmidt bis ins hohe Alter ein hohes Maß an Verachtung für allgemeingpültige gesellschaftliche Regeln, die die Politik im Namen aller erlassen hat.

Ein Land unter Schock, eine Partei, die bis ins Mark erschüttert ist. Nachdem Forschende des An-Institutes für Angewandte Entropie Leben, Werk und Aussagen des früheren SPD-Chefs und langjährigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt durch eine hochentwickelte Künstliche Intelligenz gemäß der neuen Vorgaben aus dem Geheimgutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) neu bewertet haben, herrscht im politischen Berlin entsetztes Schweigen.  
 

Die Hochstufung Schmidts

 
Auch 72 Stunden nach Bekanntwerden der Neueinstufung des bisher hochgeachteten Politikers hat der aktuelle Parteivorstand der SPD die Einstufung Schmidts als "gesichert rechtsextremistisch" nicht kommentiert. Weder gab es eine Entschuldigung noch Versuche, die von den Wissenschaftler aufgrund der objektiven Kriterien des BfV vorgenommene Hochstufung Schmidts zu relativieren. 
 
Das Forschungsteam, geleitet vom Renitenz-Experten und Medienmoralisten Hans Achtelbuscher war allein aufgrund der öffentlich auffindbaren Aussagen Schmidts in allgemein zugänglichen Quellen zum Schluss gekommen, dass es sich bei dem lange Zeit hochgeachteten Staatsmann  nachweislich um einen "weit rechts im rechtsextremistischen Spektrum" stehenden Politiker gehandelt habe.
 

Wie beim "Flügel"

 
Positionen Schmidts wie die, das es "sicher ein Fehler" gewesen sei "so viele Ausländer ins Land zu lassen“ (Schmidt, Filder-Zeitung 5.2.93) oder seine Behauptung, "wenn das so weitergeht, gibt´s Mord und Totschlag, denn es sind zu viele Ausländer bei uns" seien vergleichbar seien mit populistischen Parolen, die beim "Flügel" der AfD oder der Identitären Bewegung gängig sind. 
 
Die Forschenden hatten bei der Abfassung ihres Gutachtens auf Rückgriffe auf nachrichtendienstliche Informationen verzichtet. Maßstab seien einzig die Kritierien zum Nachweis des gesicherten Rechtsextremismus gewesen, die seit Kurzem vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgegeben würden, hieß es.
 

Herdentrieb bei der Themenfindung


Forschungsleiter Hans Achtelbuscher, der seit Jahren an Phänomenen der medialen Demenz, an Großkurskorrekturen bei Gemeinsinnsendern und dem immer wieder auftretenden Effekt des Herdentriebs bei der Themenfindung forscht, hatte sich auf der Pressekonferenz in Frankfurt/Oder noch optimistisch zu den Folgen des Schmidt-Gutachtens geäußert. Er rechne damit, dass "die Geschichte der Bundesrepublik jetzt in großen Teilen neu geschrieben werden müsse", sagte der 56-Jährige. 
 
Schmidt sei über Jahrzehnte eine prägende Gestalt der Bonner Republik gewesen. Die aber pflege bis heute einen Gründungsmythos, dem zufolge nur in den schweren Anfangsjahren des Wirtschaftswunders alte Nazi-Seilschaften über Wohl und Wehe des Landes mitbestimmt hätten. Eine Behauptung, die sich nicht mehr halten lasse, seitdem klar ist, dass mit Schmidt noch 1982 ein Bundeskanzler regierte, der kein Hehl aus seiner Auffassung machte, dass er eine "eindeutige und schnelle Abschiebepraxis für alle Fälle" befürworte, "in denen der Antrag abgelehnt wird".
 

500 Seiten Sprengstoff

 
Achtelbuscher hatte der mehr als 500-seitigen Ausarbeitung, die seine Kollegenden auf der Basis eines automatisierten Datenabgleichs von AfD-Gutachten und Schmidt-Zitaten erstellt hatten, eine "vernichtende Sprengkraft" zugetraut. "Wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der seine Partei und das gesamte Land über Jahrzehnte hinter die Fichte geführt hat", sagte der Medienforscher. Trotz seiner immer wieder demonstrativ vorgeführten Verachtung für Regeln, die in einer normierten Gesellschaft für alle gelten, blieb Schmidt sein Ruf als Ikone der freiheitlich demokratischen Grundordnung erhalten. 
 
Bis ins hohe Alter saß er raunend und rauchend in Fernsehstudios und erteilte ungefragt gute Ratschläge wie den, dass "die Dummheit von Regierungen niemals unterschätzt werden" sollte. Erst nach seinem Tod radiertem ihm nachfolgende Generationen von Bewunderern die Zigarette aus der Hand, um Nachahmer abzuschrecken und das Gemeinwesen zu schützen. Womöglich aber war da schon zu spät: Nach der KI-Analyse versteckte sich unter der leutseligen Schale des letzten Arbeiterparteivorsitzenden und Realpolitikers, in dessen Amtszeit die Abschaffung der erzreaktionären ARD-Wetterkarten fiel, ein Mann, dessen Grundüberzeugungen mit denen der heutigen FDGO nie vereinbar waren.
 

Schatten über der Lichtgestalt

 
Ein dunkler Schatten fällt auf die Lichtgestalt, ein Denkmal wackelt, an dem über Jahrzehnte hinweg niemand hatte zu kratzen gewagt hatte. War Schmidts Nachfolger Helmut Kohl noch vor dem Ende seines Lebens als Lügner und Betrüger überführt und gebrandmarkt worden war und Gerhard Schröder früh als fünfte Kolonne des Kriegstreibers Putin aufgeflogen, schaffte es Schmidt, seine Enttarnung nicht mehr miterleben zu müssen. 
 
2015 starb der Kanzler der sozial-liberalen Koalition. Die, die dabei sein durften, schwärmen heute noch vom militärischen Abschiedszeremoniell vor der Hauptkirche St. Michaelis, von der Ehrenformation des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung und von der bundesweit angeordneten Trauerbeflaggung aller obersten Bundesbehörden und ihrer Geschäftsbereiche sowie der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht von Bundesbehörden unterstehen. 
 

Muss alles raus?

 
Doch hatte Helmut Schmidt das alles verdient? Oder wird er der vierte Kanzler nach Kohl, Schröder und Kiesinger, dessen Schaffen neu bewertet wird? Noch ehe es vielleicht auch bei Angela Merkel so weit ist, der ihr früherer grüner Wunsch-Koalitionspartner jetzt schon mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss wegen ihrer Gaspolitik im Nacken sitzt? 
 
Und selbst wenn es so käme: Wäre es damit getan, dass alle fragwürdigen Interview-Sendungen dem im hohen Alter verstorbenen Sozialdemokraten aus den Mediatheken gelöscht würden? Wenn seine Ehrendoktorwürden und Orden kassiert und das Andenken von "Schmidt-Schnauze", wie die Medien in zeitlebens gerne nannten, dem allgemeinen Vergessen anheim gestellt wird?
 

Folgerungen muss Partei ziehen

 
"Darüber haben wir natürlich nicht zu befinden", bleibt Hans Achtelbuscher zurückhaltend, "denn unser Gutachten kritisiert nur Schmidts AfD-ähnliche Äußerungen, die Asylpolitik mit finanziellen Belastungen verknüpfen, um Ressentiments zu schüren". Die von dem geachteten Sozialdemokraten mehrfach und betont geäußerte Ablehnung von Multikulturalismus und die Forderung, Deutschland kein Einwanderungsland werden zu lassen, widerspreche objektiv der aktuellen Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG und der heutigen pluralistischen Gesellschaftsordnung. Verächtlichmachung von Minderheiten.
 
"Seine Aussagen wie ,zu viele Ausländer' führten zu ,Mord und Totschlag' diskriminieren Migranten zweifellos pauschal und stellen sie als Bedrohung dar. "Aber was die Gesellschaft und seine Partei daraus für Folgerungen ziehe, müsse außerhalb des geschützten Raumes der Wissenschaft entscheiden werden, glaubt der Wissenschaftler. 
 

Ausbleibendes Echo

 
Achtelbuscher zeigt sich allerdings verwundert über das ausbleibende Echo im politischen Berlin und in den Leitmedien. Es sei gelungen, anhand der fremdenfeindlichen Aussagen ein konsistentes Muster nachzuweisen, das eine gesichert rechtsextremistische Gesinnung belege. "Wir sind erstaunt, dass nun versucht wird, den Befund zu ignorieren." 
 
Doch was folgt daraus für die Gesellschaft? Wird es reichen, das ehrende Gemälde Schmidts im Kanzleramt abzuhängen, die zahlreichen Helmut-Schmidt-Straßen umzubenennen und seine zum Teil verfassungswidrigen Heldentaten als Innensenator von Hamburg während der Sturmflut von 1962 aus den Geschichtsbüchern zu radieren? Sicher sind die Forscher nicht. 
 

Geheimgutachten  Nummer 2

 
"Das Geheimgutachten legt ja nahe, dass die Aussagen einzelner Parteimitglieder ihrer jeweiligen Partei zugeschrieben werden müssen", umreißt Hans Achtelbuscher das Problemfeld. Als jemand, der die SPD über Jahre führte und sie noch länger prägte, seien Schmidts Forderungen nach einer restriktiven Asylpolitik und seine Behauptungen zu angeblich unverdienten Privilegien für "Ausländer" für die gesamte frühere Arbeiterpartei hochproblematisch. "Die SPD hat diesen kruden Thesen nie widersprochen, sie hat nie versucht, Schmidt loszuwerden, etwa über ein Ausschlussverfahren."
 
Die vom Grundgesetz gebotene Gleichbehandlung der Akteure im politischen Raum erfordere es, denselben Maßstab, der für die AfD gelte, auch auf die SPD anzuwenden. "Wenn Schmidt mit dem Begriff ,Volk' hantiert, impliziert das ja dieselbe homogene Gemeinschaft, die mit der Inschrift am deutschen Reichstag beschworen wird", warnt er. Das könne weniger gebildete und weltanschaulich nicht ausreichend gefestigte Menschen verführen. "Zumal Schmidt mit seiner Kritik an der Regierung als ,führungslos' und ,Dilettanten' genau den Sound abspielt, den Scharfmacher wie Alice Weidel bis heute zur populistischen Delegitimierung demokratischer Institutionen nutzen."

Ein Problem der SPD

Sind Schmidts rechtspopulistische oder rechtsextremistische Narrativen also ein Problem der SPD? Wie hat die Partei Vorwürfe ihres einstigen Chef aufgearbeitet, die von ihr vertretenen "totalen Utopien können zur totalitären Gewaltanwendung verleiten"? Welche Positionen vertritt die aktuelle Parteiführung zur Ablehnung von Multikulturalismus und dem Glauben an ein abstammungsmäßiges Volksverständnis in ihren Reihen?, das genau der AfD-Ideologie entspricht, wie sie im Gutachten des Verfassungsschutzes beschrieben wird?

Der Vorstand schweigt, selbst aus der kritischen Mitgliedschaft kommen keine Forderungen nach rigoroser Aufarbeitung dieses finsteren Kapitels der Parteigeschichte. Womöglich wähnt sich die SPD sicher, weil ein Verbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG voraussetzt, dass eine Partei oder Organisation aktiv die FDGO bekämpft und ein nicht nur theoretisches Gefährdungspotenzial in einzelnen Äußerungen nachweisbar ist (BVerfG, NPD-Urteil 2017). 

Verbot kaum wahrscheinlich

Für eine Einzelperson wie den langjährigen Parteivorsitzenden ist ein Verbotsverfahren aus mehreren Gründen nicht anwendbar: Schmidt ist einerseits bereits verstorben, andererseits müsste sich die SPD die Einlassungen ihres Repräsentanten zwar zurechnen lassen. Um ihr deswegen aber ein Verbotsverfahren anzuhängen, wäre der Nadchweis einer aktiven Bekämpfung der FDGO notwenig, die über fremdenfeindliche Aussagen und die Ablehnung von Multikulturalismus durch den Parteivorsitzenden hinausgingen.

Grundprinzipien wie Gleichheit und Menschenwürde zu verletzten, reicht allein nicht aus, selbst wenn sich Aussagen als Aufruf zur Diskriminierung interpretieren ließen. Eine Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" könnte einen Verbotsantrag begründen. Doch ohne Beweise für die gezielte Förderung von Gewalt oder den Nachweis des Versuchs des Aufbaus organisatorischer Strukturen zur gezielten Veränderung der Ordnung ist ein Verbotsverfahren aussichtslos, das weiß auch der SPD-Vorstand. Schmidts fragwürdige Aussagen zeigen also rechtsextremistische Tendenzen, das reicht aber allein nicht für ein Verbot aus. 

Die fremdenfeindlichen, anti-pluralistischen Aussagen des Ex-Kanzlers erfüllen die Kriterien des Verfassungsschutz-Gutachtens für eine gesichert rechtsextremistische Gesinnung. Doch so lange die SPd die belastenden Indizien beschweigt, bleibt diese überuas düstere Kapitel der Parteigeschichte aufaufgearbeitet.

 

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