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Die EU plant nun, ab Montagmorgen 5,45 Uhr zurückzuverzollen. Zudem sollen erfolgreiche Unternehmen künftig eine Sonderumsatzsteuer auf Verdachtsgewinne zahlen. |
Stern überm Kanzleramt,
Zeig Scholz den Weg!
Stern überm Kanzleramt,
Tax the Rich geht!
Sie haben es immer wieder gefordert, Petitionen verabschiedet und öffentlich demonstriert. Die Kampagne "Tax the rich", sollte die Welt zu einem gerechteren Ort machen, ein Planet, auf dem nicht mehr die Gut- und Besserverdienenden die Hauptlast des Unterhalts der weniger wohlhabenden Familien tragen, sondern Reiche und Überreiche, Vielverdiener und die knapp 900.000 Deutschen, die allein von ihrem Ersparten leben.
Vorbild EU-Autozölle
Die deutsche Politik wollte sie nie hören. Sie reagierte genervt und entzog dem gerechtigkeitsengagierten Verein Attac seine Steuersparprivilegien. Es musste erste der amerikanische Präsident Donald Trump kommen, um die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Inspiriert von den Strafzöllen, die die EU-Kommission im vergangenen Jahr auf zu günstige chinesische E-Autos verhängt hatte, um die europäische Autoindustrie zu schützen, kündigte der Republikaner im April an, Ungleichgewichte im US-Außenhandel auf ähnliche Weise begradigen zu wollen.
Anleihen nimmt Trump dabei auch bei den neuen Pauschalabgaben, damit denen die EU-Kommission künftig Bürger zur Kasse bitten will, die günstig im Ausland einkaufen.
Die EU, eine Weltmacht von eigenem Rang, schickte ihre Besten nach Washington, um mit dem Weißen Haus zu verhandeln. Ihr Handelskommissar Maroš Šefčovič ist ein tschechischer Ex-Kommunist, der am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen studiert hat, ehe er sich ganz auf eine EU-Karriere verlegte. In seiner zweiten Amtszeit als Kommissar wechselte er von der Zuständigkeit für "Interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau" ins neugeschaffene Quadrat-Ressort für Handel, wirtschaftliche Sicherheit, institutionelle Beziehungen und Transparenz.
Mit Zähnen und Klauen
Im Zollpoker mit US-Handelsminister Howard Lutnik, der nach 40 Jahren als Unternehmer erst Anfang des Jahres in die Politik gewechselt war, saß der Tscheche von Anfang an am längeren Hebel. Selbstbewusst forderte der Sachwalter der Interessen von 450 Millionen Europäern Respekt statt Drohungen vom Vertreter der nur 340 Millionen Amerikaner. Šefčovič verteidigte die EU mit Zähnen und Klauen, er blieb hart und lehnte einen Deal um jeden Preis ebenso ab wie eine pauschale Zehn-Prozent-Lösung.
Gestärkt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die immer wieder selbst in die Verhandlungen eingriff, verlangte er ein von "Respekt statt von Drohungen" diktiertes Abkommen. Mit Bundeskanzler Friedrich Merz waren beide sich von Anfang an einig: Europa hängt bei der Nutzung sämtlicher Zukunftstechnologien zu nahezu hundert Prozent am Tropf der USA.
Die klügste Variante, den Amerikaner ihre Grenzen aufzuzeigen, sei es deshalb, den großen Internet- und Hightechfirmen für den Fall neuer US-Zölle rundheraus mit einer neuen deftigen Steuer zu drohen. Die würden dann schon dafür sorgen, dass Donald Trump einen Rückzieher macht und den Schwanz einzieht.
Selbstbewusste Weltmacht EU
"Trump always chickens out", wisperten sie sich in Brüssel zu. "Trump always chickens out", tröstete die "Tagesschau" alle die fürchteten, der frühere "Faschist" (Die Zeit) werde Ernst machen. Niemals, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Der "Taco-Man" kneife letztlich immer, wenn in seinem Weg eine mächtigere Macht mit größerer Ge- und Entschlossenheit auftauche.
Eine Beschreibung, bei der weltweit Milliarden Menschen sofort an die EU denken. Bis auf Friedrich Merz, der in einem schwachen Moment Nerven zeigte und öffentlich Böses ahnte, weil die EU-Kommission mit ihren Verhandlungsversuchen offenbar auch nach drei Monaten keinen Schritt weitergekommen war, hielten die Beschwörungen aus Brüssel die Lage unter Kontrolle.
Fernmündlich beruhigte von der Leyen den nervösen Merz. Sie habe einen "guten Austausch" mit Trump gehabt, versicherte sie nach 90 Tagen offensichtlich vollkommen frucht und ergebnisloser Verhandlungen.
Warten auf Trumps Flehen
Die Briten, China, Indien und Vietnam hatten sich inzwischen schon mit Trump ins Benehmen gesetzt. In Europa waren sie sich sehr sicher, dass Trumps Zölle die USA selbst am härtesten treffen werden. Sobald der Taco-Mann das nicht mehr leugnen könne, werde er zweifellos Abbitte leisten und in Brüssel darum flehen, weiter mit den feinen Sachen aus Europa beliefert zu werden.
Dass es vermutlich anders kommen würde, deutete sich an. EU-Verhandlungsführer Maroš Šefčovič verschwand Mitte Juni von der Bildfläche, als habe er nie existiert. Ursula von der Leyen verbreitet vorsichtshalber schon Durchhalteparolen. Die größte Wertegemeinschaft der menschlichen Geschichte sei "auf alles vorbereitet". Halte "an ihren Prinzipien fest" und "verteidige ihre Interessen".
Dabei blieb es auch, nachdem Trump dann doch Zölle von 30 Prozent für EU-Waren angekündigt hatte. EU-Ratspräsident António Costa knickte keineswegs ein. Auch er kennt seinen Text und kann ihn immer noch aufsagen: Die EU stehe geeint zusammen und sie sei bereit, ihre Interessen zu schützen, sagte er.
Lukrative Einnahmequelle
Eine Drohung, die Trump so wenig schrecken wird wie von der Leyen Warnung, dass 30-prozentige Zöllen auf EU-Exporte die transatlantischen Lieferketten empfindlich stören werden. Für den US-Präsidenten haben sich die neuen Zölle zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Die Exporteure von anderswo importieren eben trotzdem.
Allein im Juni kassierte die US-Zollbehörde 27,2 Milliarden Dollar aus Einfuhrabgaben, ein neuer Rekord, wie das US-Finanzministerium mitteilte. Der Haushaltsüberschuss der US-Regierung lag ebenfalls bei 27 Milliarden Dollar. Durch die höheren Zölle stiegen die gesamten Haushaltseinnahmen der US-Regierung im Juni um 13 Prozent auf den Juni-Rekordwert von 526 Milliarden Dollar.
Wer den längeren Atem in einem Zollstreit haben wird, lässt sich leicht ausrechnen. Jeder Cent, den Trump kassiert, ist einer, der den EU-Staaten fehlt. Trump setzt um, was die Tax-the-rich-Bewegung seit Jahren fordert: Dort, wo immer noch zu viel Wohlstand der Gerechtigkeit im Wege steht, nimmt der Präsident denen, die das Geld anderenfalls doch nur in ihre eigenen Taschen umleiten würden.
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