Montag, 18. August 2025

Demokratisches Geld: Zeichen in Zeiten des Zweifels

EZB Wettbewerb Euro Gegenentwürfe
Wilde Entwürfe zum Designwettbewerb für die neuen und vielleicht schon letzten Euro-Bargeldnoten.

Nicht mehr von oben herab, nicht mehr aus dem Elfenbeinturm der europäischen Designelite sollen sie kommen, die neuen Euro-Banknoten, mit denen die Europäische Zentralbank einmal mehr untermauern will, wie stabil das Gemeinschaftsgeld von fast allen 440 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürgern ist. Der Euro geht in seines zweites Vierteljahrhundert. Heute schon hat er die Hälfte seiner ursprünglichen Kaufkraft verloren.  

Messbare Ergebnisse 

Die kluge Politik der Europäischen Zentralbank hat dafür gesorgt, dass das neue Geld die von den Deutschen so heißgeliebte D-Mark passgenau ersetzt: Ein Brot kostete im Jahr 2000 4,37 Mark, heute sind es 4,65 Euro. Eine Maß Bier war auf dem Oktoberfest damals für 11,50 bis 12,60 DM zu haben, heute kostet sie zwischen 13,60 Euro und 15,30 Euro. Der Preis für ein Kilogramm Kaffee im Jahr 2000 lag je nach Sorte und Anbieter zwischen etwa 11,20 und 12,60 DM, heute sind es 13 bis 15 Euro.

Um dieses sogenannte Halving zu feiern, hat die Europäische Zentralbank einen Gestaltungswettbewerb ausgerufen, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat.  Initiiert von EZB-Chefin Christine Lagarde sind die Europäerinnen und Europäer aufgerufen, sich am neuen Design der vielleicht schon letzten Banknoten vor der Bargeldabschaffung zu beteiligen. 

Auf dem Mitmachkontinent 

Europa wird zum ersten echten Mitmachkontinent: Bürgerschaftliches Engagement diesmal nicht bei der unbezahlten Care-Arbeit zur Pflege der Alten, Kranken und Kinder, die der Staat vergessen hat. Sondern dort, wo es bedeutsame Dinge geht: Die Zentralbank der Eurostaaten, ähnlich unabhängig wie die parallel weiterarbeitende Bundesbank, sorgt nun schon ein Vierteljahrhundert dafür, dass die Euro-Banknoten immer ein innovatives, sicheres und effizientes Zahlungsmittel sind. 

Während die unter Donald Trump unaufhörlich in Richtung Despotie abdriftenden Vereinigten Staaten allein ihre Zentralbank Federal Reserve (FED) - ein letztlich privatkapitalistisches Unternehmen - damit beauftragt haben, "unablässig daran zu arbeiten, Papiergeld fälschungssicherer zu machen, indem sie ihre Banknoten regelmäßig sicherheitstechnisch aufwertet", geht es Europa basisdemokratisch zu. Mit großem Erfolg: Auch amerikanische Dollarnoten  werden ab und an in neuem Design vorgestellt. Doch abgesehen von zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen und "innovativen Sicherheitskennzeichen" (FED) tut sich in Übersee wenig. 

Der Euro setzt Zeichen 

Eine Dollarnote von 2025 sieht immer noch ähnlich aus wie eine von 1925. Es gibt einen Männerkopf und allerlei Nummern, Zahlen und Unterschriften. Sichtbares Zeichen dafür, dass das amerikanische Geldsystem erstarrt ist, unfähig, bei der regelmäßigen Entwicklung neuer Banknotenserien Vielfalt, Buntheit und neue Technologien einzusetzen, mit denen rechtmäßige Nutzer und raffinierte Fälscher rechtzeitig auf den nurmehr geringen Geldwert von früher zahlungskräftigen Banknoten hingewiesen werden. 

So liegt die Kaufkraft eines 50-Euro -Scheins heute bei immerhin noch etwas mehr als der Hälfte des Ausgangswertes von 2001. Die 50-Euro-Banknote, die damals einem 100-D-Mark-Schein entsprach, ist damit eigentlich heute wieder eine 50-D-Mark-Banknote.

Dafür existiert zwar inzwischen dreimal so viel Euro-Geld, für die meisten Nutzer der Einheitswährung gilt allerdings, dass es aber ein anderer hat. Mit der regelmäßigen Ausgabe neuer Banknoten geht es der EZB nicht nur darum, den schönen Schein von der "stabilen Währung" (Christine Lagarde) zu bewahren, sondern auch darum, nicht immer nur negative Schlagzeilen zu machen. 
 

Hohe Ansprüche 

 
Die EZB, die erst Anfang des Jahres ihren Anspruch erneuert hatte, mit ihrem Geld den Dollar als Weltleitwährung ablösen zu wollen, kombiniert den Ausbau der Sicherheitsaspekte dabei auch diesmal  mit mehreren trendigen Zukunftsversprechen. Die Euro-Banknoten sollten "über ihre Lebensdauer möglichst geringe Umweltauswirkungen" haben, wurde zum Wettbewerbsstart verkündet. 
 
Zudem legt die stets unterkühlt bis zur Frostgefahr wirkende EZB-Chefin großen Wert auf einen weiteren "zentralen Aspekt": Menschen jeden Alters und mit unterschiedlichem Background sollten sich in Zukunft "besser mit den Banknoten identifizieren können und vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Sehbeeinträchtigung, gut mit den Geldscheinen zurechtkommen". Bisher war das bei vielen offenbar nicht der Fall. 
 

Einladung zum Design-Wettbewerb 

 
Draußen in den Eurostaaten ist die Einladung zum öffentlichen Design-Wettbewerb natürlich auf großes Echo gestoßen. Nach dem vorgegebenen Thema "Zeitalter und Stile" gilt es für Geldschein-Designerinnen und -Designer, die beiden Themen "Europäische Kultur: Gemeinsame Kulturstätten" und "Flüsse und Vögel: Stark durch Vielfalt" gestalterisch umzusetzen. 
 
Diese Vorgaben, die im ersten Moment klingen wie in einem Fiebertraum erdacht, hat der EZB-Rat gemacht, ein Gremium aus 23 Männern und zwei Frauen, alle weiß, alle älteren Jahrgangs, alle aus dem akademischen Milieu. Ein Spiegelbild der politischen Klasse, die genau weiß, was die Menschen wollen, brauchen und sollen dürfen. Bis auf den Vertreter Sloweniens sind sogar alle namentlich bekannt.   

Zeichen in Zeiten des Zweifels 

Und sie waren einer Meinung. In diesen Zeiten des Zweifels, des Glaubensverfalls und des mangelnden Vertrauens in die Lenkungskraft der Politik sei das Thema "Europäische Kultur" am hervorragendsten geeignet, "das reiche kulturelle Erbe unseres Kontinents und bedeutende Persönlichkeiten" zu würdigen, beschreiben die Wettbewerbsunterlagen. "Flüsse und Vögel" ergänzt den Ansatz perfekt und naturnah. Während die Welt brennt und ein Rekordsommer das Land im Griff hält, rückten Flüsse und Vögel "die ökologische Vielfalt und die Widerstandsfähigkeit der Natur in den Fokus". Dabei symbolisierten die Flüsse die "Lebensadern Europas", die Vögel aber stünden "als Symbole für Freiheit und Biodiversität".

In Zeiten brutaler Dürre und einer russischen Bedrohung, die nach einer klaren Abwehrhaltung verlangt, hätte sich mancher Geldnutzer sicher eine andere Vorgabe gewünscht - etwa Designelemente aus dem Klimabereich, durch Fluten einstürzende Neubauten, zusammenbrechende Brücken wie in Dresden oder auch formschöne neugebaute Hitzeschutzanlagen, die Innenstädte rettend herunterkühlen. Doch auf der EZB-Website finden sie sich so wenig wie Panzer, Geschütze und Abwehrraketen, mit denen sich die nächste Generation der Euro-Banknoten im wehrhaften Geist der Sondervermögen hätten gestaltet werden könne, um ein Zeichen zu setzen. 

Ein gelenkter Prozess 

Wie in jedem gelenkten Wettbewerb ist die Themen- und Motivauswahl begrenzt, um nicht den Falschen eine Plattform zu bieten. Der EZB-Rat hat sich die Entscheidung für Flüsse, Vögel und Kultur wahrlich nicht einfach gemacht. Die Meinung von "365.000 Bürgerinnen und Bürger aus allen Euro-Ländern" sei in "öffentlichen Befragungen" ermittelt und berücksichtigt worden, heißt es in Frankfurt am Main. Eine Mehrzahl sei dafür gewesen, dass am Ende des Wettbewerbs nur aus starken "Zeichen für die Verbindung von Kunst, Kultur und Funktionalität" und sehr starken Zeichen "für die Verbindung von Kunst, Kultur und Funktionalität" gewählt werde. 

So zumindest hatte es der EZB-Rat auf Vorschlag von Christine Lagarde ursprünglich geplant. Um Missbrauch zu verhindern, hatte die EZB von Anfang sogar noch ein kompliziertes Prozedere für Teilnehmer am Wettbewerb vorgeschaltet: In einer "Bewerbungsphase" mussten interessierte Designer nicht nur ihr Interesse bekunden, sondern ihre Eignung auch mit umfangreichen Unterlagen nachweisen. Die EZB will vermeiden, dass die neuen Euro-Banknoten Europa weiter spalten. Eine Gefahr, die nach der Kontroverse zwischen Polen und Frankreich über die richtige Schreibweise des Namens von Marie Skłodowska-Curie gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Undurchsichtige Kriterien 

Vorsicht ist die Mutter der Neugestaltung. Deshalb folgt nach Sicherheitsstufe eins eine zweite, bei der nach undurchsichtigen und ungenannten Kriterien "aus allen Bewerbungen pro Thema bis zu 20 Personen ausgewählt, die für die zweite Wettbewerbsphase eingeladen" wurden. Nur diese Gruppe aus Bewerberinnen und Bewerber durfte anschließend konkrete Entwürfe für die neue Banknotenserie erarbeiten, die allen Planungen zufolge etwa um das Zieldatum des deutschen Kohleausstiegs in den Portemonnaies landen werden.

Doch die europäische Design-Community hat ihren eigenen Kopf, wie die ersten geleakten Entwürfe für die Euro-Banknoten der Zukunft zeigen. Abseits der kreativ abgeregelten Zuflüsse aus den besten Designschmieden Europas, aus deren Skizzen eine unabhängige Fachjury im Laufe des nächsten Jahres 40 Designvorschläge auswählen wird, aus denen der EZB-Rat höchstselbst in einer zweiten Runde die Gewinner losen wird, begann eine Graswurzelbewegung mit einer eigenen Geldgestaltung. 

Einfallsreichtum jenseits der Flüsse 

Die neuen Euro-Scheine dieser Designer zeigen kreativen Einfallsreichtum abseits der Flüsse, unabhängig von Vogelflug und Kulturstätten, die sich die heutigen Partnerstaaten im Verlaufe der Geschichte regelmäßig gegenseitig kaputtgemacht hatten.

Es ist der einfache Mensch, der hier im Mittelpunkt steht, ein Wesen aus der hart arbeitenden Mitte, gebeugt von der Last der Verantwortung, mit seiner müden Hände alle durchschleppen zu müssen. Die Alten, die Kranken, die Kleine und die noch nicht so lange hier Lebende, sie alle liegen ihm nicht so schwer auf der Tasche. Doch da ist noch die Last der Institutionen, die vielen Gremien, europäischen Beamtenapparate.  

Aufwuchs im EZB-Apparat 

Allein die EZB zählt heute fast viermal mehr Mitarbeiter als vor 20 Jahren. Aus 1.531 sogenannten Währungshütern wurden 5.242, sie alle sind hochbezahlte Fachleute unterschiedlicher Disziplinen und aus verschiedenen Euro-Länder. Es werden immer mehr, denn den Regeln zufolge muss jedes neue Euroland sich nach einem komplizierten Schlüssel, berechnet nach dem Anteil des jeweiligen Landes an der Gesamtbevölkerung und Bruttoinlandsprodukt der EU mal Eintrittsdatum, in der Führungskräfteriege und dem Bodenpersonal wiederfinden. 

Nach einem explosiven Gewinn in der Zeit des Neuaufbaus, als der Personalbestand der Zentralbank im Durchschnitt um fast 400 Prozent im Jahr wuchs, sank die Rate der Neueinstellungen in den zurückliegenden 20 Jahren auf nur noch 6,33 Prozent pro Jahr. Weniger als zuvro, weil die Attraktivität des Euro gelitten hat. Doch deutlich mehr, als Euro-Europa in diesem Zeitraum jemals als Wirtschaftswachstum verzeichnete. Das ist wichtig, um die Geldwertstabilität zu halten. 

Der wird Ende 2026, wenn der EZB-Rat voraussichtlich seine Entscheidung über die "bis zu fünf Designs pro Thema" trifft, ein neues Denkmal gesetzt. Vorher solle nochmals die Öffentlichkeit um ihre Meinung gefragt werden, heißt es in Frankfurt. Dass die wilden Entwürfe eine Chance haben, scheint trotz ihrer berückenden Schönheit ausgeschlossen.


1 Kommentar:

Trumpeltier hat gesagt…

Banknoten sind subversiver Garant finanzieller Freiheit, denn mit denen kann kein Staatsapparat elektronisch ausspähen, wann der Bürger wo was kauft. Darum wird es die Zwangs-Karte geben, die überall Daten und somit Spuren hinterlässt.

Und eines Tages klingelt dann die Gehorsamspolizei und verhaftet einen, weil man zu viele saure Gurken konsumiert hat, wärend süßer Kuchen befohlen war.