Freitag, 19. September 2025

Forscher: Viele Menschen können sich den Staat nicht mehr leisten

Juliane Garfeld zeigt ihre Brieftasche vor: Die Fachangetsellte kann sichn den Staat nicht mher leisten.
Juliane Garfeld zeigt ihre Brieftasche vor: Die Fachangestellte kann sich den Staat nicht mehr leisten.

Die Staatsausgaben in Deutschland steigen und steigen, und auch die Steuern und Abgaben kennen nur eine Richtung: Steil nach oben. Experten warnen, dass die Entwicklung besonders die jüngeren Generationen massiv treffen wird. Durch die neu aufgenommenen Billionenkredite steigt die Zinslast für jeden einzelnen Bürger in den kommenden Jahren drastisch. Zugleich aber sinkt durch die desaströsen Geburtenraten der Vergangenheit und Gegenwart die Zahl der vorhandenen Nachschuldner für die mehr als vier Billionen Euro, die sich allein der Bund im Vorgriff auf kommende Steuereinnahmen genehmigt hat.

Die ersten Opfer 

Eine Situation, die heute schon die ersten Opfer fordert, die ein Besuch bei  Juliane Garfeld in Osnabrück zeigt. Freundlich bittet die 42-Jährige Besucher zu sich herein, Schuhe müssten eigentlich nicht ausgezogen werden, sagt sie. "Aber leider bestimme ich das nicht mehr allein." Also doch ausziehen, ja, der Mitbewohner wünsche es so, sagt Garfeld. Dann  geht es durch einen kleinen Flur auf einer schmalen Treppe nach oben. 

"Das ist ganz allein mein Reich", sagt Juliane Garfeld stolz und weist auf ein Zimmer von zirka 14 Quadratmetern. Daneben befindet sich ein kleines Bad, ein winziges Schlafzimmer, etwa so groß wie eine Campingliege. Die Küchenecke mit Herd und Mikrowelle ist ins Wohnzimmer integriert und mit einem Vorhang abgetrennt. Garfeld hat sich daran gewöhnt: "Klein aber fein und nach meinem Geschmack eingerichtet", sagt sie. 

Klein, aber glücklich 

Sie seit in ihrem neuen Zuhause glücklich, beteuert die Verwaltungsfachangestellte, die einige Zeit mit der Notwendigkeit haderte, mit ihrem Mann, einem Ministerialdirektor in einem öffentlichen Amt, habe sie großbürgerlich gewohnt, sechs Zimmer, Garten, Poolhaus. Dann kam die Trennung, über die Gründe will Garfeld gar nicht weiter reden. "Aber ich musste mich schon extrem verkleinern, weil die Trennung recht schmutzig war." Glück im Unglück sei für sie gewesen, dass sie über Freunde die Chance bekam, ganz in der Nähe ihres gewohnten Viertels bei Karl-Hermann Lebereich einzuziehen, der zwar ein Haus besitzt, es aber "allein gar nicht mehr halten könnte", wie Garfeld flüstert. 

An Fremde vermieten wolle der 72-Jährige nicht, weil das nur erlaubt wäre, wenn er zuvor aufwendig klimanachhaltig sanieren würde. "Dafür gibt ihm die Bank aber keinen Kredit." Durch die hohen Preise für Baudienstleistungen aber würde er mit seiner kleinen Rente - Lebereich war ein Leben lang Buchhändler mit eigenem Laden - längst in einer Ruine leben, wären da nicht die kleinen Summen, die Juliane Garfeld ihm zur Unterstützung des Erhalts und als Gegenleistung für das kostenlose Wohnen überweist.

Der Staat kostet 

Ein Fall wie so viele, ein Weg, den immer mehr Menschen gehen, die sich  in ganz besondere Zweckgemeinschaften flüchten müssen, weil ihr Einkommen  für die so lange gewohnte Lebensführung nicht mehr reicht. "Diese Menschen können sich den Staat nicht mehr leisten", fasst der Klima- und Sozialforscher Marvin Müller zusammen, wie die steigenden Ausgaben des Staates in der Fläche des normalen Alltags von Millionen wirken. Lange schon lebe der Staat von der Substanz, inzwischen aber verzehre er massiv bereits Dividenden, die er in Form von Steuereinnahmen in der Zukunft erwarte, schildert Müller, der seine wissenschaftliche Laufbahn als Liguist für politische Sprache  begonnen hatte. 

Die Folgen sind nicht nur im Doppelhaushalt von Juliane Garfeld und Karl-Hermann Lebereich zu besichtigen:  Jeder Fünfte, fasst Marvin Müller zusammen, könne Steuern, Abgaben und Gebühren  heute schon kaum mehr stemmen. Allein bei den staatlich verfügten Aufschlägen auf Aufschläge etwa bei der Umsatzsteuer auf die Mineralölsteuer oder die Einkommenssteuer auf den Mindestlohn kämpfe sogar jeder Vierte mit einer leeren Brieftasche. "Mehr als die Hälfte der Menschen können sich den Staat im Grunde nicht mehr leisten", fasst Marvin Müller die Ergebnisse einer Studie zusammen, die die prekäre Lage von Millionen zum ersten Mal nicht mit Faulheit, zu niedrigen Gehältern oder zu hohen Mieten erklärt.

25.000 Euro pro Kopf 

Marvin Müller macht eine andere Rechnung auf. Jeder Bürger lasse sich den Staat derzeit Jahr für Jahr rund 25.000 Euro kosten, das sei mehr als das, was ein Mindestlohnempfänger nach Steuern und Abgaben ausgezahlt bekommen. Auch für Empfänger von Durchschnittslöhnen und Gehältern sehe die Bilanz kaum besser aus. "Wenn wir die Staatsausgaben unter den Nettosteuerzahlern aufteilen, sehen wir, dass jeder einzelne von ihnen fast 60.000 Euro im Jahr zahlen muss, damit der Staat handlungsfähig bleibt." 

Das sei deutlich mehr als das Bruttodurchschnittsgehalt der Deutschen, weshalb der Staat sich mehr und mehr verschulden müsse, um seine explosiv steigenden Ausgaben bestreiten zu können. "Uns Forschern macht das natürlich Sorgen, weil der Anteil der Zinsausgaben am Staatshaushalt heute schon bei acht Prozent liegt und in den kommenden Jahren noch deutlich größer werden wird."

Wie die USA, die heute schon etwa 13 Prozent aller Einnahmen und aller neuen Kredite verwenden müssen, um den Zinsverpflichtungen für früher aufgenommene Schulden nachzukommen, droht auch Deutschland in einen Strudel aus Schuldverpflichtungen zu geraten, den auch die Europäische Zentralbank nicht mehr stoppen kann. Die stand bisher stets parat, um mit ihrem geldpolitischen Instrumentarium einzugreifen, wenn einer oder mehrere Euro-Staaten unter ihren Verpflichtungen zusammenzubrechen drohten.

Was immer es kostet 

Unter der vom früheren EZB-Chef Mario Draghi popularisierten Parole  "Whatever it takes" - was immer nötig ist - senkte die EZB die Zinsen so tief und so lange, dass sich die in schwere Turbulenzen geratene Euro-Zone erholen konnte. Erst spät und getrieben durch die galoppierende Inflation wagten es die Notenbanker vorsichtig, den Preis für Geld wieder anzuziehen - doch schnell stellte sich heraus, dass die angeschlagenen Volkswirtschaften der EU-Staaten und die Staaten selbst keine realen Zinsen oberhalb der Inflationsrate mehr verkraften. 

Noch ehe das eigene Inflationsziel erreicht war, begann EZB-Chefin Christine Lagarde mit Zinssenkungen. Einerseits sollte so Wachstum künstlich erzeugt werden, andererseits galt es, den überdehnten Sozialstaat, der sich allein mit Hilfe von Steuereinnahmen nicht mehr aufrechterhalten lässt, durch permanente Injektionen von billigem Geld aufrechtzuerhalten. "Die Staaten sind heute auf permanente Liquiditätszufuhr durch die Notenbank angewiesen", sagt Marvin Müller, während er am kleinen Couchtisch von Juliane Garfeld an seiner Kaffeetasse nippt. 

Der Staat als Last 

Das Schicksal der fleißigen jungen Frau aus der hart arbeitenden Mitte zeige, dass die Erzählung vom neutralen Zins, der Stabilität bringe und die Wirtschaft ebenso beflügele wie die Staatseinnahmen kaum weiter trage als ein Steuerprüfer eine elektronische Akte werfen könne. "Der Staat ist zu einer Last für alle geworden, die erst in zweiter und dritter Reihe von ihm profitieren."

Juliane Garfeld verdient gut, aber dass ihr Einkommen nicht reichen würde, die knapp 60.000 Euro aufzubringen, die sie jährlich zur Unterhaltung der Umverteilung und für den Ausbau der Kontrollbürokratie aufbringen müsste, erschreckt sie. "So habe ich das noch nie betrachtet", sagt sie desillusioniert. Sie sei vielmehr bisher stolz darauf gewesen, als Nettosteuerzahler zum Erhalt des Wohlfahrtsstaates für alle beizutragen, auch wenn ihr zuweilen der Gedanke gekommen sei, dass dessen Kosten womöglich die Leistungsfähigkeit der verbliebenen produktive Basis übersteigen. "Man sieht ja oft selbst, wie viel Aufwand betrieben wird und wie wenig Effekt das erzielt."

Eine neue Art von Stabilität 

Doch wie so viele Menschen draußen im Land ging auch die erfahrene Fachangestellte davon aus, dass Politiker sowohl in Berlin wie in Brüssel als auch die 5.000 Mitarbeiter der Zentralbank der Euro-Staaten wissen, was sie tun. "Die EZB ist die Hüterin der Geldwertstabilität, ihr haben wir es zu verdanken, dass der Euro so stabil ist wie früher die D-Mark", ist sich Garfeld heute noch sicher, ungeachtet aller Anzeichen, die dagegen sprechen.

Wie für die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger ist es dank einer ausgeklügelten Kommunikationsstrategie nicht die Kaufkraft der Gemeinschaftswährung, die wegen der Anleihekäufe der EZB und der Staatsfinanzierung über die Notenpresse sinkt. Sondern die Preise von Gold, Bitcoin, Lebensmitteln und Lebenshaltungskosten, die trotz der Bemühungen der EZB und der engagierten Sozialpolitik des Staates steigen und steigen. "Schauen wir uns die Lage aus wissenschaftlicher Sicht an", formuliert Marvin Müller vorsichtig, "sehen wir allerdings ein ganz anderes Bild. 

Eine wachsende Wucherung 

Die Niedrigzinsen, mit denen die Zahlungsfähigkeit eigentlich überschuldeter Staaten aufrechterhalten wird, kommen teuer zu stehen. Der Sozialstaat, dessen Vielfalt an Versprechen von der sicheren Rente über die teilhabegerechten Sozialleistungen bis zu Transferzahlungen an alle und Fördermittelsubventionen an den Rest faktisch nicht zu finanzieren sind, ist die Hauptlast, unter der die hart arbeitende Mitte stöhnt. Er wuchert aus, verbraucht einen Großteil seiner Einnahmen für sich selbst, bindet Kapital, indem er Sicherheit verspricht, bremst damit Risikofreude und Innovation und ist inzwischen so mächtig und allgegenwärtig geworden, dass keine Kraft mehr in der Lage ist, ihn zu reformieren. 

Die Last erdrückt jede Bewegung. Es fehlt an Investitionen, weil sie nicht lohnen. Es erodiert die industrielle Substanz, weil die Fachkräfte fehlen, die gar nicht erst geboren worden sind, weil ihre potenziellen Eltern zu viel arbeiten mussten, zu wenig verdient haben und das Verdiente lieber für Reisen, Kaffeeautomaten und Haustiere ausgeben als dafür, auf eigene  Kosten die dringend benötigten Nachschuldner für ausstehende Kredite in Höhe von rund vier Billionen Euro aufzuziehen. 

Eine schrumpfende Zahl an Zahlern 

Die Wenigen, der der ewigen natürlichen Verführung nachgegeben und sich gegen jeden vernünftigen Rat fortgepflanzt haben, stehen heute schon vor einem Trümmerhaufen an Erwartungen: Bei einer gleichbleibend langen Lebenserwartung wird sich die Zahl der Zahler für die ausstehenden Kredtite bir zum Mitte des jahrhunderts um ein Viertel vermindern. In 70 bis 80 Jahren stehen dann sogar nur noch halb so viele Menschen zur Verfügung, um Zinsen zu bedienen und Kredite zu tilgen. 

Auf jeden Deutschen entfallen dann mit der Geburt 100.000 Euro Kreditlast. Da es bisher noch nie zu einer wirklich Tilgung von Krediten gekommen ist, die ein staat aufgenommen hat, wächst diese Summe im Laufen eines durchschnittlich langen Lebens auf etwa 700.000 Euro.



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Die beschriebene Wohnsituation ist aber absolut konform mit Zukunftsvisionen der WEF-Visionäre.