![]() |
Eine Petition fordert, an die Zeit nach dem AfD-Verbot zu denken und Parteineugründungen generell zu untersagen. |
Der Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, die Partei geht dagegen juristisch vor. Die Einstufung befeuert die ohnehin geführte Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren weiter - das Risiko ist hoch, denn was geschähe, gelänge es, das Bundesverfassungsgericht zu überzeugen? Die AfD wäre weiter eine Gefahr für unsere Demokratie, denn ihre Wähler und Wählerinnen würden ja nicht gleichfalls verboten. Zwar würde die Neugründung einer AfD 2.0 mit gleichem Personal und ähnlichen Inhalten vorsorglich mit untersagt.
Wiederbetätigung verbieten
Niemand aber könnte Sympathisanten und Hinterbänkler aus der zweiten Reihe davon abhalten, eine Auffangorganisation als Sammelbecken für die Anhänger der bereits Anfang des Jahres schon einmal vorübergehend vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei zu gründen. Diese Einstufung wird aktuell auf Antrag der AfD gerichtlich überprüft. Siegt der Rechtsstaat, muss er den nächsten Schritt gehen. Spätestens jetzt muss aber auch an die Zeit danach gedacht werden. Schlägt das Parteiverbot – das schärfste Schwert der wehrhaften Demokratie - dem organisierten Rechtsextremismus den Kopf ab, darf es nicht zu einer Wiederbetätigung der AfD-Kader in einer Nachfolgeorganisation kommen.
Für ein Verbot der Wiederbetätigung unter einem unverfänglichen Namen wie Gärtnerpartei, Die Richtigen oder Soziale Syndikalisten wäre es dann zu spät. Die Täter würde sich zweifellos darauf berufen, dass die Gründung von Parteien ist in Deutschland nach Art. 21 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes frei ist und keiner staatlichen Genehmigung bedarf. Sie dürften sicherlich auf eine große und wütende Basis hoffen, die jede Nachfolgepartei aus Trotz wählen würde.
Initiative aus Sachsen
Die Wählerschutzorganisation "Friends of Subsidiarity" (FoS) aus Sachsen fordert deshalb ein rechtzeitiges Vorbeugen, um späteren Jammer über fehlende Heilungschancen zu verhindern. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz erbittet FoS-Chefin Sabrina Kabur die Aufmerksamkeit der demokratischen Mitte für die bisher wenig bekannte Problematik: Noch vor dem Versuch, die AfD zu verbieten, müssten die Erfolgschancen eines generellen Verbotes zur Gründung neuer Parteien geprüft werden.
Die Organisation aus dem ländlichen Raum im Erzgebirge hat gute Argumente auf ihrer Seite. Es gebe ohnehin ausreichend politische Angebote aller Colour. Seit 2017 hat die Fragmentierung im Bundestag auf beunruhigende Weise zugenommen: Von 69 auf 83 Mandate für Drittparteien 2021. Das behindere Koalitionen und untergrabe die Stabilität – siehe Ampel-Zerfall 2024 oder ostdeutsche Landtage, wo AfD und BSW gemeinsam demokratische Mehrheiten verhindern. Weitere Neubildungen brächten für unsere Demokratie keinen Mehrwert.
Überarbeitung des Grundgesetzes
"Wir fordern den Bundestag und Bundesrat deshalb auf, den einschlägigen Grundgesetzartikel zu überarbeiten, um ein dauerhaftes Verbot der AfD möglich zu machen." Nur so könne auf lange Sicht sichergestellt werden, dass nicht eine neue AfD entstehe, die erneut die Unzufriedenen, Ultrakonservativen und Friedensgegner sammle und deren Stimmen nutze, um die traditionelle Durchregierbarkeit in Koalitionen mit nur zwei oder drei Partnern unmöglich zu machen. "Studien warnen doch heute schon vor Weimarer Verhältnissen in Sachsen-Anhalt." Für die Wirtschaft sei die daraus resultierende Instabilität lähmend.
"Weder der Politik noch der Öffentlichkeit steht es zu, über ein Parteiverbot zu entscheiden", sagt Sabrina Kabur. Aber auch das laut Grundgesetz dazu ermächtigte Bundesverfassungsgericht könne nicht jedes Jahr entsprechend tätig werden. Daher sei eine generelle Neugestaltung des Grundrechts unumgänglich: Um eine AfD 2.0 zu verhindern, die einen neuen Anlauf unternimmt, unsere Demokratie zu untergraben und gegen unsere Verfassung zu handeln, müssten sich die demokratischen Institutionen wehren, so lange noch Zeit sei.
Zu lange gewartet
"Unabhängige Faktenchecker wie der Volksverpetzer haben auf potenziell verfassungsfeindliche Aussagen und Verhaltensweisen innerhalb der AfD hingewiesen, als sie noch klein war", beschreibt Kabur. Damals sei das Gefährdungspotenzial der Blauen unterschätzt worden. "Man hat so lange gewartet, bis die Partei zu groß war, um sie einfach so abzuräumen."
Ein Szenario, das sich beim nächsten Mal wiederholen könnte, wenn nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen wird. Ein Schaden entstehe nicht, denn bundesweit gebe es mit mehr als 40 Parteien ein ausrecihend großes Spektrum für jeden Geschmack. Auch im Bundestag sitzen heute zwei Parteien mehr als in den 80er Jahren. Nach 1990 sei die Zahl der Neugründungen, die über den Nischenstatus hinauskomme, geradezu explodiert: Die SED zog als PDS ein, die AfD folgte, das BSW scheiterte nur knapp.
Zurück zum Standardmodell
Das Standardmodell der bundesdeutschen Demokratie umfasse heute acht Parteien. Niemand unter den Wählerinnen und Wähler verstehe doch noch, wozu es die alle brauche. "Bis in die 60er-Jahre bildete sich in der Wirtschaftswunderrepublik ein Zweiparteiensystem mit FDP als Drittpartei heraus", erinnert Karbur – nur drei maßgebliche Kräfte, was stabile Koalitionen ermöglichte.
Weniger ist mehr, eine Bündelung von Themen und Entscheidungsangeboten mache es den Wählern leichter, sich zu entscheiden, ist Sabrina Karbur überzeugt. Ein anerkanntes Werkzeug der wehrhaften Demokratie sei das Parteienverbot, das aber nur sehr selten angewandt werde und dann jedes Mal über Jahre große Aufregung verursache. Statt das Risko einzugehen, dass sich immer wieder Parteien gründen, die bestrebt sind, die Demokratie abzuschaffen, sei es demokratisch sauberer, Parteiengründungen überhaupt zu untersagen, um der wehrhaften Demokratie die dauernden Zerreißproben zu ersparen.
Ende eines leidigen Streit
Dass dazu das Grundgesetz angefasst werden müsse, halten die sächsischen Demokratieaktivisten nicht für ein Hindernis. "Wir haben bei der Abstimmung über die Abschaffung der Schuldenbremse gesehen, dass es ganz schnell und unbürokratisch gelingen kann, die Verfassung zu ändern." Mit einem Schlag wäre damit der leidige Streit zwischen den Mitte-Parteien SPD, Grüne, Linke und Union beendet, die sich bisher nicht darauf einigen können, ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten.
"Jeder wäre erleichtert, wenn angesehene Forschungseinrichtungen wie das aus dem Bundesetat finanzierte Deutsche Institut für Menschenrechte nicht mehr bestätigen müsste, dass eine Partei alle vorgeschriebenen Kriterien für ein Verbot nach Artikel 21 Grundgesetz erfüllt, ohne dass das umgehend zu Konsequenzen führt, weil skeptische Stimmen warnen, dass ein Scheitern in Karlsruhe der AfD ein demokratisches Gütesiegel verleihen würde.
Mieten wie in Wien
Sabrina Karbur verweist auf tieferliegende Probleme, die die Zunahme der Zahl zugelassener Parteien mit sich bringe. Seit das Bündnis Wagenknecht öffentlich für einen Frieden mit Russland wirbt und die Linksjugendpartei Volt mit dem Versprechen "Mieten wie in Wien" hausieren geht, zersplittert das gewohnte festgefügte Parteiensystem. Neugründungen bringen kurzzeitig Vielfalt durch neue Themen, vor allem aber Risiken, wenn sich herausstellt, dass es sich um Verfassungsfeinde handelt.
"Historisch hat sich das Instrument des Verbots etwa bei der KPD als Bollwerk der wehrhaften Demokratie erwiesen", lobt Karbur. Wäre es damals nicht durchgekommen, wäre die Bundesrepublik mit einiger Sicherheit an die Sowjetunion gefallen. "Das war knapp - und angesichts der angespannten Weltlage können wir ein solches Risiko nicht noch einmal eingehen."
1 Kommentar:
OT
<< Wer steuert die Herdendynamik bewusst? Wer nutzt Geschlechterunterschiede aus?
Wenn ich das wüsste, hätte ich es längst beschrieben. Aber ich glaube auch gar nicht, dass es da einen einzelnen Bösen gibt, sondern sich immer und überall Leute am unteren Charakterende finden, die das ausnutzen. In jeder Gruppe mit x Leuten, x>5, gibt es immer einen schlechtesten Charakter. Es ist so ähnlich wie die Fragen, wer hinter all den Diebstählen steht und davon profitert. Antwort: Es gibt nicht den einen großen Master-Dieb. Gelegenheit macht Diebe. >>
-------------------------------------------------------------------------------------
Hadmut weiß es desterhalben nicht, weil er es nicht wissen WILL.
Wer aber der Weiseste von euch ist, der ist auch
nur ein Zwiespalt und Zwitter von Pflanze und von
Gespenst.
Kommentar veröffentlichen