Samstag, 20. September 2025

Planwirtschaft: Begeisterte Reiter auf einem toten Pferd

Grüner Wasserstoff, Sozialismus, Planwirtschaft, EU-Regulierung, Klimaneutralität,
Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Grüne noch Linke noch Union oder SPD auf.

Grüner Wasserstoff galt zumindest einige Zeit als Schlüssel-Technologie zur klimaneutralen Zukunft. Dann stürzte die Ampelregierung, die Nachfolge-Administration sichtete kopfschüttelnd die Papiere und auf einmal hatte auch die Industrie Bedenken. 

Deutschlands ehrgeizige Pläne wankten kurz, dann platzten sie. Milliardenprojekte wurden gestoppt, nicht nur beim Aufbau eines "Wasserstoffkernnetzes" (Robert Habeck). Auch anderswo in der Industrie, die in den Tagen der rot-grün-gelben Bundesregierung Regenbogenfahnen geschwenkt hatte, als sei das ihr Hauptprodukt, werden Investitionen gekürzt und laute Forderungen gestellt. Die Energiepreise müssten runter. Die Bürokratie müsse weg. Die Regelungstiefe der staatlichen Eingriffe zwinge dazu, das Land zu verlassen.

Ein Hauch von Honecker 

Der Hauch von Honecker, der die Bundesrepublik in den zurückliegenden 20 Jahren durchweht hatte wie der Odem des Todes, er stinkt vielen plötzlich. Konnte sich vor zwei Jahren noch jeder sicher sein, dass eine Forderung, weiter zielstrebig auf die Errichtung des Sozialismus hinzuarbeiten, für Aufsehen sorgen, aber im Allgemeinem mit zustimmendem Nicken entgegengenommen wird, stehen die Chancen für den Start eines neuen Menschenexperiments heute deutlich schlechter. 

Die Kräfte der Beharrung im freiheitlichen System heben ihr Haupt, als sei es nie angeschlagen worden. Ihr Vorbild ist der Kettensägenmann Javier Milei, ihr Gott der US-Präsident Donald Trump, ihr Traum der vom freien Spiel der Kräfte. Der Staat solle nur noch die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen, fordern sie. Er habe nachgewiesen, dass es ihm am Talent fehle, ganze Volkswirtschaften anzuleiten und ihnen mit Plänen und Zielvorgaben vorzuschreiben, was sie wo, wie und mit wem zu produzieren hätten.

Die Axt an der Wurzel 

Das allerdings sind Forderungen, die die Axt an die Wurzel des deutschen Versorgungsstaates legen - und weit darüber hinaus wie eine Zeitbombe in den gewaltigen Vorschriftenfabriken der EU in Brüssel ticken. Hier wie dort ist die Rolle staatlicher Pläne zu Lenkung und Leitung von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft dreieinhalb Jahrzehnte nach dem Ende des letzten sozialistischen Großversuchs in Deutschland wieder ähnlich groß wie vor 1990. 

Staatliche Planung durchdringt die soziale Marktwirtschaft Deutschlands und der EU mit einer Intensität, die an die Planwirtschaft der DDR und des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe erinnert. Zwar fehlt es an einer zentralen Planungsbehörde, wie sie die DDR mit ihrer Staatlichen Plankommission beim Ministerrat der DDR unterhielt. Doch wer in EU-Europa ein Unternehmen gründen, ein Grundstück kaufen oder eine Fabrik errichten will, käme niemals mehr auf den Gedanken, das einfach so zu tun. 

Angst vor Abluft 

Einerseits, weil es nicht möglich wäre - überall regt sich gegen industrielle Ansiedlungen Widerstand, überall herrscht Angst vor Abluft, Genen und Brauchwasser. Andererseits haben die EU und ihre nationalen Regierungen Investoren so erzogen, dass die großzügige Fördermittelgaben von Anfang an in ihre Kalkulationen einbeziehen. Der Standort Europa ist schlecht, die Löhne zu hoch, die Preise ebenso, die Auflagen hart, die Fachkräfte rar. Damit hier überhaupt jemand eine Wirtschaftstätigkeit simuliert - häufig als "Logistik" ausgewiesen - belohnt ihn der Staat teilweise so üppig, dass kaum eine Chance besteht, die Fördergelder jemals wiederzusehen.

Gewerbegebiete werden vom Staat ausgewiesen, erschlossen und vermietet. Als "Clusterpolitik" – etwa für Halbleiter, Wasserstoff oder erneuerbare Energien – wird die zentrale staatliche Entscheidung darüber bezeichnet, welche Branchen gerade gefördert werden, weil ihre Produkte ins aktuelle Politikprofil passen. Manchmal sind das Solarpaneele, manchmal Medikamente, manchmal Halbleiter, manchmal Elektroautos, später dann Panzer und Kanonen.

Am Sterbebett der Planwirtschaft

Erich Honecker ahnte, was kommen würde. "Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf", proklamierte er vom Sterbebett der zentralistischen Planwirtschaft, in der er selbst die Cluster bestimmt, die Fördermilliarden vergab und entschied, welche Industrie zukunftsträchtig sein würde. Heute übernimmt diese Rolle die EU-Kommission, ein Kollegium von in ihren Nationalstaaten gescheiterten Bürokraten. Deren Mitarbeiterapparat produziert unermüdlich Visionen, die mit Hilfe strenger Vorschriften umgesetzt werden müssen. Oft ist ein Plan noch nicht abgelaufen, da kommt die EU-Spitze schon mit dem nächsten um die Ecke.

Der "Green Deal" zielte darauf ab, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Der "Chips Act" sollte eine große europäische Halbleiterindustrie begründen. Der Aufbau- und Resilienzplan "NextGenerationEU" verpulverte zwei Billionen Euro, um " Klimaschutz, Digitalisierung und Resilienz" zu erhöhen. Konkret vorgegeben wird nie, wie etwas erreicht werden soll. Sondern großzügig nur, wann es so weit zu sein hat. 

Braunkohlenaus dann, Verbrenneraus dann, Durchdämmung bis zu diesem Termin, Energieausstieg zu jenem. Um die unternehmerische Freiheit weiter einzuschränken und lenken Ressourcen in staatlich definierte Prioritäten zu lenken, bestimmen die EU-Planbehörden auch über die nationalen Pläne mit. Mindestens 37 Prozent aller Mittel müssen dann etwa in Klimaschutz und 20 Prozent in Digitalisierung investiert werden. 

Im Gewand der Marktwirtschaft 

Diese gezielte Lenkung ist eine Art zentraler Planung, die sich ins Gewand der Marktwirtschaft hüllt. Noch nicht ein einziges Mal hat ein der fundamentalen EU-Strategien irgendeines ihrer Ziele auch nur gestreift. Doch die Ausrufung der "Lissabon-Strategie" oder des noch stiller gescheiterten Nachfolgeplans "Europa 2020" gilt heute nicht etwa als Beispiel dafür, dass lebensfremde Politikdarsteller mit zu viel Geld nicht bestimmen sollten, wo und wie Unternehmen agieren. Sondern als Beleg, dass es neue, noch viel konkretere Vorgaben braucht.

Als die sozialistischen Planwirtschaften des Ostblocks zusammenbrachen, schienen Kapitalismus und freie Marktwirtschaft endgültig gesiegt zu haben. Dynamische, lebendige und flexible Wirtschaftsformen brachten Wohlstand, Innovation und soziale Vorteile für viele Menschen. Der Abschied von staatlicher Planung und Leitung bewirkte das Wunder, dass selbst aus sozialistischen Staaten, die ohne Hilfe aus dem Westen auskommen mussten, in nur eine Vierteljahrhundert blühende Gemeinwesen wurden.

Das Gespenst ist zurück 

Und doch erhebt sich heute ein Gespenst, der Sozialismus mit seiner Planwirtschaft ist zurück, er hat die soziale Marktwirtschaft, wie sie in Deutschland seit 1948 unter Ludwig Erhard etabliert wurde, in die Flucht geschlagen. Statt auf die Prinzipien des Marktes zu setzen – Angebot und Nachfrage, Privateigentum, Wettbewerb – hat sich die Politik für Gängelung, staatliche Regulierung und enge Einhegung des Wettbewerbs entschieden. Begründet wird das mit einem hehren Ziel: Es gehe darum, soziale Gerechtigkeit und Stabilität zu gewährleisten. Der einzig denkbare Weg sei es, die Rolle des Staates sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene erheblich auszubauen.

Das schafft nicht Wachstum, Wohlstand oder Resilienz, aber zahllose neue Stellen dort, wo die vorgabengetriebene Planpolitik entsteht. Jede Richtlinie, jeder finanzielle Anreiz oder neu gesetzte regulatorischer Rahmen schafft Kontrollbedarf. Wen die EU-Planer Unternehmen durch Umweltauflagen, CO₂-Preise und Emissionshandel zwingen, ihre Produktion "nachhaltiger" zu gestalten, müssen Nachweispflichten folgen. Arbeit und Brot für Heerscharen von Beamten. Es sind mittlerweile so viele, dass sie den Stellenverlust in Handwerk, Industrie und Dienstleistungsgewerbe problemlos absorbieren.

Gängelung als Wesenskern 

Vom politischen Berlin aus gesehen gilt diese Methode als Erfolgsmodell. Je mehr Gesetze wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Lieferkettengesetz oder die staatlichen Lohnvorgaben mit dem Mindestlohngesetz die Flexibilität von Unternehmen einschränken, desto sicherer scheinen sich auch die europäischen Institutionen, auf dem richtigen Weg zu sein. 

Daten, Zahlen und Fakten, die dagegen sprechen, werden nicht nur ignoriert, sondern uminterpretiert. Als Mario Draghi, ein Erzeuropäer, der jeder EU-Kritik unverdächtig ist, der EU vor einem Jahr eine Art Insolvenzzeugnis ausstellte, war das für die Kommission Anlass, ihre Produktion von Plänen, Vorschriften und Auflagen noch einmal deutlich zu erhöhen. Vor zehn Jahren gab es noch ungefähr 4.600 sogenannte grundlegende Rechtsakte in der EU. Heute sind es schon 6.500.

Der Staat entscheidet nicht mehr nur über Rahmenbedingungen, er beeinflusst aktiv, welche Industrien gefördert werden und welche nicht. Längst hat sich die EU in eine hybride Wirtschaftsordnung verwandelt, die alle Nachteile der starren Planwirtschaft der DDR mit allen Problemen einer zentralen Lenkung kombiniert. Monatelang dauert es, ehe sich Regierungen auf höchster Ebene einigen können, ob Atomkraft als nachhaltig gelten darf. Jahre wird es auch diesmal wieder brauchen, bis das Verlangen der Kommission, im nächsten Planzeitraum dreimal so viel Geld verschwenden zu dürfen, auf zweimal so viel eingedampft worden ist. 

Ein unbeweglicher Riese 

Ein unbeweglich herumtapsender Riese, der immer zu spät kommt, das ist dieses alte Europa. Wie in der Planwirtschaft der DDR und des RGW beweist sie jeden Tag, dass ein zentral gesteuertes System, in dem der Staat alle wirtschaftlichen Prozesse kontrolliert, untauglich ist, Bedürfnisse zu befriedigen oder über Ressourcenverteilung und Handelsbeziehungen zu entscheiden. Wo Preise und Löhne zentral festgelegt werden und ein Jahresplan bestimmte, welche Güter in welcher Menge zu produzieren sind, versickern Milliarden im Sumpf bürokratischer Förderprogramme. Egal ob Solarindustrie oder Mikroelektronik, Wasserstoffwirtschaft oder Medizintechnik - in jedem Fünfjahresplan ist das Scheitern schon angelegt. 

Langfristige Planung führt wahlweise zu Überproduktion oder zu Mangelwirtschaft, da keine Behörde irgendeine Nachfrage richtig einschätzen kann. Jeder EU-Plan wird nicht nur auf der Basis unzureichender Informationen getroffen, sondern immer erst in einem Moment, in dem ein Thema Mode geworden ist: Im Nachtrab reiten Ursula von der Leyen und ihr Beamtenheer der Realität auf einem roten Pferd hinterher, wenn sie den Wettbewerb durch Subventionen und Vorgaben verzerren, um ihre gerade aktuellen Ziele - mal Klimaschutz, mal Digitalisierung, mal Resilienz und mal Verteidigungsfähigkeit - zu erreichen.

Sterbende Innovationskraft 

Dass in der Planwirtschft zuallererst die Innovationskraft stirbt, haben EU und die Bundesregierungen seit Angela Merkel nachhaltig bewiesen. Ohne Wettbewerb gab es kaum Anreize für Innovationen. Das angekündigte Verbot von Verbennungsmotoren und Gasheizungen führt nicht zu mehr Erfindungen, sondern zu Fehlkalkulationen und der Fehlallokation von Kapital.

Statt planmäßig "bis 2010" die "wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaft der Welt" werden, mit nicht weniger als "drei Prozent Wirtschaftswachstum", wie es die Lissabon-Strategie vorgegeben hatte, ist die EU  hinter den USA, hinter China und hinter dem Rest der Welt zurückgeblieben: Das ausgerufene Forschungsziel von drei Prozent des BIP für die Wissenschaft wurde nur in wenigen Ländern erreicht. Die Absicht, planmäßig 20 Millionen weniger Arme zu produzieren, scheiterte. 

Wohlstandsabbau durch Planvorgaben 

Die Klimaziele werden pro forma auch nach der Beedigung des "Green Deal" noch aufrechterhalten. Doch von der Klimaneutralität bis 2050 wird sich spätestens die EU-Kommission mit einer Ausrede verabschieden, die ab 2035 regiert - falls es die EU dann noch gibt, wofür derzeit wenig spricht.

Denn Brüssel tut alles dafür, die EU-Bürger gegen sich aufzubringen. Statt zusätzlichen Wohlstand produziert die zusätzliche Leitungebene hohe Kosten, bürokratische Hürden und politischen Streit. Sie hat Ludwig Erhards Credo "Wohlstand durch Wettbewerb" ersetzt durch "Wohlstandsabbau durch Planvorgaben" - eine Strategie, die letztlich scheitern muss wie alle anderen bisher auch.

Nur wann, das ist die Frage. Und was dann noch übrig ist, um neu anzufangen. 


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