Dienstag, 14. Oktober 2025

Der fürchterliche Friede: Tiefpunkt einer dunklen Ära

Frieden Gaza nur Mänenr Ägypten Gipfel

Er flog über den Strand und ließ sich feiern, er trat in der Knesset auf, als sei er dort daheim, und er startete anschließend nach Ägypten, um sich mit anderen absolutistischen Herrschern an einen Tisch zu setzen. Als sei es selbstverständlich, dass Demokraten mit düsteren Potentaten zusammentreffen.  

Kein kritisches Wort wegen der dauernden Verletzung der Menschenrechte richtete der Präsident der größten Demokratie der Welt an den Türken, der die Opposition in seinem Land von Polizei und Justiz bekämpfen lässt. Der Ägypter, der mit Hilfe eines Militärputschs zu seinem Amt kam und seitdem autokratisch regiert, durfte sich als Demokrat inszenieren. Und selbst Katar, bis zur Unterzeichnung der ersten Gaslieferverträge mit Robert Habeck ein Staatsgebilde wie es der Hölle nicht verblüffender gleichen konnte, saß auf dem Podium, als habe es nicht jahrelang dafür gesorgt, dass die Hamas ihren Terror nicht aus leeren Taschen bestreiten muss.

Plätze in der zweiten Reihe 

Für die wahren Freunde Amerikas hatte Donald bei seinem Besuch in Israel nur Plätze in der zweiten Reihe reservieren lassen. Der US-Präsident, bei seinen Verbündeten vom ersten Tag mehr gefürchtet als bei seinen Feinden, braucht Deutschland, Frankreich und den Rest Europas nur noch, um die in Kürze eintreffenden ersten Rechnungen für seinen Friedensschluss im  Nahen Osten zu bezahlen. Den Waffenstillstand bekommen die Europäer noch kostenlos, den Wiederaufbau des Gazastreifens aber werden sie schultern müssen. Trump zeigt damit erneut, was er von der einstigen Partnerschaft mit den Demokratien in Übersee hält. Wie schon im Falle der Ukraine sollen sie aus seiner Sicht selbst für ihre Sicherheit sorgen und ihren Hinterhof am Mittelmeer unter Kontrolle halten. 

Er, das hat der Präsident in seiner Rede vor der Knesset deutlich gemacht, schiebe  Lösungen nur an, habe aber andere, viel wichtigere Baustellen zu betreuen, als dass er sich um jedes Detail kümmern könne. Wer aber dann? Der Franzose Macron ist angeschossen, er steht vor dem Ende einer langen Dienstzeit. Die Italienerin Meloni gilt als Trump-Freundin, in den verbliebenen demokratischen EU-Staaten aber ebenso als Faschistin wie der bei Trump beliebte Ungar Orban als Faschist. Friedrich Merz, ein Bundeskanzler, der das Außenpolitische vom ersten Tag zur Chefsache machte, ist hingegen weltweit weitgehend unbekannt. 

Europa in der Bredouille 

Donald Trump schafft es so ein weiteres Mal, Europa in die Bredouille zu bringen. Mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege hat sich der US-Präsident schon in Israel vermeintlichen Problemen mit China und dem Iran zugewendet, um zu demonstrieren, dass er seine Aufgabe für erfüllt hält. Für den Nahost-Wissenschaftler Rasim Kalehl, der am An-Institut für Angewandte Entropie in Frankfurt an der Oder zu Fragen der Basarökonomie forscht, ist das typisch Trump. "Er kam, sah, siegte, ließ sich feiern und verschwand", sagt der Orientologe, der sich unter Leitung von Prof. Hans Achtelbuscher seit Jahren mit einer Strukturreform öffentlicher Debatten befasst.

Im Interview mit PPQ erläutert Kalehl, weshalb er den neuen Frieden im Nahen Osten für einen Fehler hält und wie es Europa gelingen kann, den von Trump organisierten Tiefpunkt einer dunklen Ära zu verlassen.

PPQ: Es waren hübsche Bilder, die da aus Ägypten kamen. Fröhliche Männer, frohe Botschaften. Friedensverträge und freie Geiseln. Was lässt sich dagegen sagen?


Kalehl: Eine ganze Menge. Wenn Sie sich die Bilder anschauen, zeigen keineswegs, was wir im ersten Moment zu sehen glauben. Sie zelebrieren vielmehr den Sieg der Autokraten mit den blutigen Händen über die Demokratien in der Welt. Dass es die USA, Ägypten, Katar und die Türkei waren, die bei der Zeremonie in Sharm al-Sheikh eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet haben, die den Waffenstillstand bekräftigen soll, ist doch kein Zufall. Das sind Staaten, die regiert werden, wie es sich rechtsextremistische Kreise etwa bei der AfD erträumen. Starke Führung, autoritäres Denken, populistische Versprechen wie hier das eines Friedensschlusses. 

PPQ: Kommt es aber nicht vor allem auf das Ergebnis an? 

Kalehl: Das mag uns im ersten Augenblick zu erscheinen. Und das ist es ja, was Leute wie Trump, Erdogan oder andere Despoten sich als Gewand der Populistik überstreifen. Doch schauen Sie genau hin: Sie sehen unmittelbar einen ganzen Schwung an Männern, überwiegend alt, mehr oder weniger weiß, durchweg mächtig und kaum demokratisch kontrolliert. Frauen dagegen? Ja, die, die zu sehen sind, servieren Getränken oder sie bringen Unterlagen zur Unterschrift. Im Jahr 2025 ist das ein Ausdruck von Regression, der uns zu denken geben sollte. Die Hälfte der Menschheit sitzt da nicht mit am Tisch!

PPQ: Kritische  Stimmen würden aber vielleicht sagen, als die deutsche Außenministerin  noch Annalena Baerbock hieß und der Friedensprozess im Nahen Osten aus Berlin geführt wurde, tat sich nichts, obwohl Baerbock eine Frau ist?

Kalehl: Diese Rhetorik folgt einem durchschaubaren Muster: Probleme vereinfachen, Gegner delegitimieren, sich selbst glorifizieren. Das ist die Logik der Menschenfeinde, die es nur darauf angelegt haben, die politische Kultur zu zerstören. Sie behaupten, sie hätten Lösungen, und wie hier im Fall von Israels Vorgehen gegen die Palästinenser simulieren sie sogar einen Friedensschluss. Aber nur, um echte Lösungen zu verhindern, die Zeit brauchen, viel Geduld und Kompromisse von allen. 

PPQ: Provokativ gefragt: Ist es nicht gleichgültig, wie ein Friede zustande kommt? Und wer ihn organisiert? Hauptsache, das Sterben hört auf, oder?

Kalehl: Das ist eine kurzsichtige Sichtweise. Wie Alexander Haig, der frühere NATO-Oberbefehlshaber in Europa, einmal gesagt hat, gibt es Wichtigeres, als im Frieden zu sein. Frieden kann auch Unterwerfung bedeuten, Ausbeutung und Unterdrückung. Wenn das Teil der Lösung eines Konflikts ist, dann leugnet diese Lösung die Komplexität, die jedem Interessenausgleich innewohnt. Frieden ist nie alles. Mit demselben Recht könnten Sie behaupten, dass es den Millionen Einwohnern von Gaza und dem Westjordanland schon immer besser ginge, würden sie von ihrer Absicht, Israel zu vernichten, zurücktreten und auch nicht mehr auf einem eigenen Staat bestehen, sondern Israel so  beitreten, wie es damals Ostdeutschland getan hat. 

PPQ: Wäre das denn aber wirklich so? 

Kalehl: Das würde niemand leugnen, aber es beträfe eben nur die wirtschaftliche Seite, die Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung und den Bildungssprung, der damit einhergehen würde. Gerade einfache Menschen aber spielen auch simple atavistische Emotionen wie Nationalgefühl, Gruppensolidarität und das Sichselbstfüretwasbessereshalten eine große Rolle. Da wird es immer brodeln, so lange nicht jeder bekommt, was er sich wünscht.

PPQ: Was hätten Sie sich von Donald Trump gewünscht? 

Kalehl: Dass er eine Spur von Demut zeigt, satt uns jede Facette seiner Selbstüberhöhung vorzuführen. So ein Mann, der sich permanent als unfehlbar darstellt, obwohl er es nicht einmal geschafft hat, in den Friedensprozess Frauen, queere oder trans Personen einzubinden, ist nicht nur peinlich – er ist gefährlich. Er merkt es nicht! Oder es ist ihm egal. Besonders erschreckend: Er findet dafür Applaus. Medien feiern ihn als Retter, Menschen verändern ihren Blick auf ihn, obwohl er nichts rettet. Er behauptet, Frieden bringen zu können, doch seine Sprache ist konfliktverstärkend. Sie kennt nur Gehorchen oder bestraft werden.

PPQ: Alle anderen Methoden haben doch aber versagt, musste es da nicht einmal so versucht werden? 

Kalehl: Sehen Sie, damit legitimieren wir Trumps Auftritt im israelischen Parlament – einen gefährlichen Tiefpunkt. Zwar ist es richtig, dass der Plan, nach dem jetzt verfahren wird, von Annalena Baerbock ausgearbeitet worden ist. Doch unter deutscher Regie wäre der Frieden nicht so überhastet hergestellt worden und es wäre unbedingt darauf geachtet worden, dass Israel erst mit den Kampfhandlungen aufhört, ehe die Hamas ihre Geiseln freigibt.

PPQ: Das Ergebnis zählt nicht?

Kalehl: Es zählt nicht nur das Ergebnis. Es ist ohne Zweifel so, dass die Lage im Nahen Osten selten so fragil war wie heute. Gerade die Hoffnungen, die Trump geweckt hat, können enttäuscht werden. Die Waffenruhe weckt weitergehende Erwartungen auf Entspannung und Diplomatie und Wiederaufbau. Sie nimmt aber auch der gesamten Pro-Palästina-Bewegung mit einem Schlag den Rückenwind aus den Segeln. Es wird, das darf man vielleicht schon sicher prognostizieren, keine dritte Sumud-Flotte geben, weil die Notwendigkeit nicht mehr gesehen wird. 

PPQ: Ist sie denn noch vorhanden?

Kalehl: Vieleicht mehr denn je. Nur wird das Thema durch die Trump-Agenda eben rasch aus der Mode geraten. Wir haben beim Klima gesehen, wie schnell das geht, wenn der Wind sich dreht. In genau in einem solchen Moment entscheidet sich, wer Verantwortung übernimmt – und wer sie missbraucht. 

PPQ: Wie sehen Sie die Rollen verteilt? 

Kalehl: Donald Trump hat Letzteres eindrucksvoll demonstriert. Sein menschenfeindlicher Auftritt im israelischen Parlament war kein Beitrag zum Frieden, sondern ein Spektakel der Selbstinszenierung. Er redete nicht über den Konflikt, er redete über sich. Keine Analyse, keine Empathie, keine Verantwortung – stattdessen Selbstlob, Großspurigkeit und das ewige Nur ich weiß, wie es geht". Trump agierte nicht wie ein Staatsmann, sondern wie ein Selbstdarsteller auf einer Bühne, der Applaus ist ihm sichtlich wichtiger  als Menschenleben. Während Zivilisten leiden, stilisiert er sich zum Heilsbringer. 

PPQ: Er wird doch aber dafür gefeiert, Leiden zu beenden?

Kalehl: Seine Worte waren nicht nur unpassend, sie waren respektlos gegenüber allen Betroffenen. Er ignorierte die Komplexität des Konflikts und ersetzte Diplomatie durch Parolen. Dieses ständige „Ich, ich, ich“ ist mehr als Eitelkeit – es ist politisch brandgefährlich. Obwohl in Deutschland die meisten Medien dankenswerterweise darauf verzichtet haben, ausführlich über Trumps Auftritt und den Inhalt seiner Ansprache zu berichten, bleibt doch bei vielen Menschen der Eindruck hängen, man habe sich vielleicht doch in Trump getäuscht, der sei gar nicht so schlimm und bewirke doch auch Gutes. Das ist kreuzgefährlich.

PPQ: Sie denken dabei an die deutsche Geschichte?

Kalehl: Ich sage nur Autobahn! Auch Hitler war ein Mann, der sich gern als überlegener Retter präsentierte, sich über Institutionen, internationale Regeln und demokratische Prozesse stellte und dafür geliebt wurde. Die Geschichte lehrt uns: Wer so spricht, sendet ein klares Signal: Er vertraut nicht auf Zusammenarbeit, sondern auf Macht. Er schürt Misstrauen gegen alles, was ihn begrenzen könnte. Das ist keine starke Führung – das ist autoritäres Denken im Gewand der Populistik.

PPQ: Ein Egomane, dessen Drang nach Anerkennung nun aber immerhin 20 Geiseln aus den Händen der Hamas befreit hat.

Kalehl: Aber zu welchem Preis? Schauen Sie sich um: Bisher war es in deutschland Konsens, dass wir es bei Trump mit einem gefährlichen Faschisten zu tun haben, dessen Ziel es ist, die älteste Demokratie der Welt in eine Nazi-Diktatur auf Basis der Bibel zu verwandeln, um seinen hyperreichen Tech-Freunden, die ihn aus dem Hintergrund im Auftrag von Russland lenken, einen Gefallen zu tun. Dieser Mann findet nun Applaus. Menschen feiern ihn als Retter, als Friedensengel und Weltpolizisten, der endlich für Ruhe sorgt. Doch das legitimiert Trumps Ignoranz gegenüber der Uno und den partnern in Europa. Es schwächt die Rolle der internationalen Gremien ganz allgemein und, was noch schlimmer ist, es poliert Trump ramponierten Ruf.

PPQ: Könnte es nicht aber auch sein, dass wir alle den 47. Präsidenten falsch eingeschätzt haben? Dass er all die Dinge, die er tut, tut, weil er überzeugt davon ist, dass das Richtige ist und notwendig?

Kalehl: Wer so denkt, ist ihm verfallen. Nein, dieser Mann wird im Zweifel eher eskalieren als deeskalieren. Er respektiert Demokratie nur inwosweit, als sie ihm nicht im Wege steht. Für Trump sind die Liebesgaben, die er den Überreichen geben will, wichtiger als gemeinsachaftliche Lösungen, die in ferner Zukunft liegen, am Ende langer Verhandlungsprozesse. Und genau darin liegt die Bedrohung. In einem Moment, in dem die Welt Diplomaten bräuchte, die den Friedenprozess in aller Ruhe und Stück für Stück bis zu einer Zweistaatenlösung aushandeln, tritt Trump auf wie ein Monarch. Er weist einfach an. Das erinnert an das Mittelalter.

PPQ: Ist aber erfolgreicher als die zuvor ausprobierten Strategien.

Kalehl: Dahinter steht aber nicht Einsicht, sondern ein übergroßes Ego. das will nicht Lösungen, sondern Loyalität erzwingen. Trumps Auftritt in Israel war ein Lehrstück dafür, wie persönlicher Narzissmus politische Verantwortung verdrängen kann, so dass Entscheidungen ganz plötzlich fallen und ohne deutsche oder europäische Beteiligung. Frieden braucht Geduld, Empathie und die Bereitschaft zum Zuhören. Trump steht für das Gegenteil. Und deshalb ist sein Erfolg – gerade in solch sensiblen Momenten – nicht nur störend, sondern eine reale Gefahr.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Trump agierte nicht wie ein Staatsmann, sondern wie ein Selbstdarsteller auf einer Bühne ...

Wohl nicht ganz falsch, das.