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| Aus Angst vor der globalen KI-Macht EU hat US-Präsident Trump jetzt eines seiner voreiligen und unbedachten Dekrete unterzeichnet. |
Verliert Amerika den Anschluss bei Künstlicher Intelligenz? Nach mehreren angekündigten Großinvestitionen in neue deutsche Rechenzentren und dem Start der gewaltigen EU-Initiative zum Bau von großen Giga-KI-Fabriken scheint Washington zunehmend nervös zu werden. Noch vor dem offiziellen Hochlauf der neuen, privat organisierten Chatkontrolle, die der EU-Rat am Mittwoch durchgewunken hatte, reagierte das Weiße Haus mit einer neuen sogenannten Executive Order. Hektisch. Undemokratisch, weil ohne Diskussionen in Senat und Kongress.
"Launching the Genesis Mission" ist ein typisches Trump-Unternehmen. Dem kollektiven und kollaborativen EU-Plan eines langsamen, auf lange Diskussionen ausgerichteten Prozesses setzt der US-Präsident ein großspurige US‑Bundesinitiative entgegen, die Künstliche Intelligenz zur Pflicht macht, um wissenschaftliche Entdeckungen massiv zu beschleunigen und zugleich die nationale Sicherheit und wirtschaftliche Stärke zu erhöhen. Trump hat, wie es typisch für ihn ist, zuvor keinerlei Gespräche mit den europäischen Verbündeten geführt. "Genesis" soll ein rein amerikanisches Unternehmen werden.
Zweck und Grundidee
Nach dem Stargate-Projekt, das Trump im Januar angekündigt hatte, ist es schon der zweite Versuch des ungeliebten Präsidenten, sich die Faszination vieler Menschen für moderne technische Entwicklungen zunutze zu machen, um sein Image aufzupolieren. Während die EU ihre Stärke auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz einem Masterplan verdankt, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereit Anfang Oktober vorgelegt hatte, stürzt die US-Administration jetzt planlos hinterher.
Stargate, getragen von OpenAI, SoftBank, Oracle und MGX, kommt offenbar nicht vom Fleck. Die in Europa bereitgestellten Fördermittel von rund einer Milliarde Euro für eine mächtige KI-First-Politik versetzen die Vereinigten Staaten in helle Aufregung. Kein Wunder, denn die Frontier AI-Initiative der Kommission zielt darauf ab, alle führenden KI-Akteure Europas zusammenzuführen.
Ihre Aufgabe werde es sein, hatte von der Leyen Richtung Amerika gedroht, das Netzwerk der europäischen digitalen Innovationszentren zu erneuern und es in Erfahrungszentren für KI umzuwandeln. Dafür sollen die beteiligten Unternehmen privilegierten Zugang zum EU-KI-Innovationsökosystem bekommen.
Angst in Amerika
Dergleichen kann Donald Trump seinen Konzernen nicht bieten. Deren angekündigte 500-Milliarden-Investition in KI-Infrastruktur in den Vereinigten Staaten ist profitorientiert und es mangelt ihr an einem humanistischen Kern. Den sieht die EU darin, KI zu nutzen, "um gesellschaftliche Vorteile zu erschließen, von genaueren Diagnosen im Gesundheitswesen bis hin zur Verbesserung der Effizienz und Zugänglichkeit öffentlicher Dienstleistungen". Trumps großspurige "Genesis Mission" dagegen, so getauft nach dem ersten Buch der Bibel, spielt sprachlich die gleichnamige Nasa-Raumsonde an. Soll aber nach Trumps Worten nur eine neue Ära KI‑gestützter Forschung einleiten.
Die Kernidee dahinter ist, die riesigen, über Jahrzehnte aufgebauten wissenschaftlichen Datensätze der Bundesregierung zur Verfügung zu stellen, um große wissenschaftliche KI‑Modelle zu trainieren und KI‑Agenten zu entwickeln, die Hypothesen testen, Experimente planen und Forschungsprozesse automatisieren.
Mit der Order wird diese Preisgabe staatlichen Wissens als "nationale Anstrengung" zur Nutzung von KI zur Lösung drängender wissenschaftlicher und technologischer Herausforderungen verkauft. Typisch Trump: Das Energieministerium (DOE), geleitet von einem von Trumps fossilen Freunden, soll die Hauptverantwortung für die Umsetzung tragen.
Keine Grundlage, aber höchste Eile
Auch typisch Trump: Längst verfügt Deutschland mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), dem "GIZ" genannten "Gemeinsame Internetzentrum" des deutschen Verfassungsschutzes und der "Zentralen Stelle für Informationstechnik" (Zitis) über eine Vielzahl an High-Tech-Behörden. Hand in Hand arbeiten die mit ihren europäischen Kollegen von der Unité Spéciale Française pour la Sécurité Electronique (USFSE), Spaniens Real Agencia Especializada en Contenidos de Internet (RAECI) und der schwedischen Cyberwar Extra Arbetsgrupp (CEA) an einem sicheren KI-Erlebnis.
Das in den USA für die Leitung der Prozesse auserkorene zentrale Instrument namens "American Science and Security Platform" hingegen existiert nur als Reißbrettzeichnung.Wie die eine integrierte Infrastruktur, die Supercomputer der National Labs, sichere Cloud‑Umgebungen, KI‑Modelle, Werkzeuge für Simulation und Designoptimierung sowie die durchaus beachtlichen Datenbestände der US-Behörden rechtssicher und im Einklang mit dem europäischen AI Act zusammenführen soll, ist noch vollkommen unklar.
Fristen und Arbeitsaufträge
Wie immer stört sich Trump nicht daran, dass eine Aufgabe unmöglich zu erfüllen ist. In seiner Executive Order hat er eine Reihe enger Zeitvorgaben gesetzt, weil selbst ihm klar ist, dass den USA die Zeit davonrennt. Innerhalb von 90 Tagen müssen verfügbare Rechen‑, Speicher‑ und Netzressourcen des Bundes sowie potenzielle Industriepartnerschaften identifiziert werden.
Nach 120 Tagen müssen erste Daten‑ und Modellbestände feststehen und ein Plan zur Einbindung weiterer Datensätze aus staatlich geförderter Forschung, anderen Behörden, Hochschulen und ausgewählten Unternehmen vorliegen. Nach 240 und 270 Tagen sind dann schon Bestandsaufnahmen der ersten robotischen Labore vorgesehen. Zudem müsse, so hat es Trump angewiesen, eine erste funktionsfähige Demonstration der Plattform erfolgen, die dann KI-gestützt mindestens eine Herausforderung lösen muss.
Hanebüchener Zeitplan
Seriös ist das nicht. Trump hat seinem Energieministerium zwar etwas Spielraum gegeben. So dürfen die nach dem Kahlschlag der Musk-Behörde DOGE noch dort verbliebenen Beamten sich selbst sogenannte 20 wissenschaftlich‑technische Herausforderungen von nationaler Bedeutung ausdenken, die sich besonders für KI‑gestützte Lösungsansätze eignen, die dann später gelöst werden.
Doch entsprechende Prozesse in Europa, dem Kontinent, dessen überwältigenden Erfolgen bei der KI-Entwicklung und -Anwendung Trump nacheifert, zeigen, dass Erfolge nicht übers Knie gebrochen werden können. Bereits 2021 hatte die EU-Kommission deshalb die Vision einer "digitalen Zukunft für Europa" entwickelt, die anschließend konsequent verfolgt wurde.
Die EU wurde in einer Reihe von Politikbereichen aktiv, um den digitalen Wandel zu fördern. So schuf sie die Möglichkeit, sich über KI beschweren können, sie machte den Alltag im Internet leichter und sicherer. Im Juli 2024, nur drei Jahre nach dem Startschuss, legte Ursula von der Leyen die Karten auf den Tisch. Ihr Satz "Europa hat einen Plan" wurde zur Legende, denn er war der Moment der Geburt des "Cern für künstliche Intelligenz", wie von der Leyen es nannte.
Neue Schläuche
Die Idee war schon älter, der Name nicht neu. Der Kognitionswissenschaftler und frühere Uber-Forscher Gary Marcus hatte sie beides acht Jahre zuvor auf einer Konferenz in Genf vorgeschlagen, ohne dass Brüssel ähnlich hektisch reagiert hätte wie die Regierung der Vereinigten Staaten. Erst als Marcus' Kollege Holger Hoos, Alexander von Humboldt-Professor für Künstliche Intelligenz und einer der Vorstandsvorsitzenden des KI-Centers der RWTH Aachen, den angestaubten Gedanken acht Jahre später in einem Gastbeitrag in der FAZ mit dem Titel "Europa braucht ein CERN für KI – jetzt!" aufgriff, ließ sich die EU ein wenig in die Karten schauen.
Strategisch klug, Technisch uneinholbar. Die EU-Kommission wusste um die technologische Überlegenheit der 27 Staaten auf dem alten Kontinent. Ihr war jederzeit klar, dass kein Anlass besteht, sich hetzen zu lassen. Besser langsam als gut, besser kompliziert als nützlich, diese alten Leitgedanken aller europäischer Entscheidungen kamen zum Tragen, um auch die "KI-Entwicklung in der EU schneller und unabhängiger" werden zu lassen. Sie waren schließlich schon vier Jahre zuvor durch "eingehende Überprüfungen von Bereichen mit strategischer Bedeutung für die Interessen Europas" als wichtig identifiziert worden. Zum Vergleich: Donald Trump war zu jener Zeit nicht einmal US-Präsident.
Überholen und ohne eingeholt zu werden
Mit einem Wumms stellte die Kommission dann im April 2025 ihren gewaltigen KI-Masterplan vor. Es war Europas "Jetzt-oder-nie-Moment für KI-Unabhängigkeit" wie die "Tagesschau" anerkennend analysierte. Seitdem geht alles rasend schnell: Der 2019 mit der ersten digitalen EU-Strategie eingeschlagene Weg, "Menschen und Unternehmen mit einer neuen Generation von Technologien zu befähigen und gleichzeitig ihr Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 zu erreichen", bekam eine Internetseite ohne Impressum und mit "EU4Digital Facility" einen Ableger, der sich direkt an Armenier, Aserbaidschaner, Rumänen, Russen und Ukrainer richtet.
Der digitale Sieg war damit errungen, die KI-Dominanz Europas festgeschrieben. Seit Ende 2022 schon spricht niemand mehr über Europas Fitness im digitalen Zeitalter, denn sie ist eine unbestreitbare Tatsache wie die "Milliarden-Initiative", die "Europa zu einem KI-Kontinent machen" wird, wie die EU-Kommission im Oktober mitgeteilt hat. "Vier europäische KI-Gigafabriken", alle "auf das Training der komplexesten, sehr großen KI-Modelle" (von der Leyen) ausgerichtet und keine davon in Deutschland, lehren die Amerikaner das Fürchten, zumal zwischendrin auch von fünf, sechs oder gar 20 entsprechenden Anlagen die Rede war. Theoretisch natürlich, denn gebaut wird noch nirgendwo. Die Bewerbungsphase für die KI-Gigafactories soll erst "Ende des Jahres" starten, wie der Deutsche Bundestag herausgefunden hat.
Amerika im Abseits
Grund zur Eile besteht nicht. Je später eine Giga-KI-Factory gebaut wird, desto moderner wird sie sein. Die Trump-Administration gerät mit ihrem ungeordneten Vorpreschen je schneller ins Abseits, je mehr Druck sie auf ihr National Science and Technology Council macht, Bundesbehörden zu zwingen, ihre KI‑Programme, Datenbestände und Fördermaßnahmen auf die Ziele der Genesis-Mission auszurichten. Alle von Trump mit seiner Order angewiesenen Integrationsfortschritte, die von ihm befohlenen Forschungsergebnisse und die demonstrativ geöffnete Tür für Kooperationen mit der Privatwirtschaft werden den Vereinigten Staaten nicht helfen, den Vorsprung Europas einzuholen.


1 Kommentar:
Ich frage mich ja, ob die im Auftrag von Amazon entwickelten Kernkraftwerke in der Rubrik Baumarkt oder Amazon Basic angeboten werden. Und welchen Rabatt gibt es am Black Friday?
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