Montag, 29. Dezember 2025

Das Jahr ohne Sommer: Roter Oktober

Die Unzufriedenheit mit der Weigerung der USA, weiterhin für Deutschlands Sicherheit zu sorgen, bricht sich Bahn.

 OctoberAnd kingdoms riseAnd kingdoms fallBut you go onAnd on...

October, Paul Hewson, 1981

 Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. 

Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.  

Sie kommen, um die Hamas vor der Auslöschung zu bewahren,. Doch Israel zeigt sich einmal mehr brutal und uneinsichtig. Die "Global Sumud Flotilla", eine Flotte von Partybooten, die sich mit Mann- und Frauschaften aus der internationalen Antisemitenszene besetzt Richtung Gaza eingeschifft hat, wird aufgebracht.  443 Matrösinnen und Matrosen aus 47 Ländern landen im nächsten Flieger nach Hause. Die frühere Klimaikone Greta Thunberg klagt über Folter und Verachtung, die deutschen Medien sind noch einmal bereit, die Vorwürfe der Schwedin ungeprüft zu verbreiten.

Böser Friedensplan

Doch das Thema Gaza ist durch.  Natürlich richtet sich Trumps Friedensplan für den von der Terrororganisation beherrschten Küstenstreifen im Heiligen Land  zuallererst gegen die Interessen Europas. Hier hatte sich die Waage zwei Jahre nach dem Angriff der Hamas auf Israel mehr und mehr in eine Richtung geneigt, die den palästinensischen Terrororganisationen doch möglichst weit entgegenzukommen, um sie zumindest vorübergehend zu einem Friedensschluss zu bewegen. 

Frankreich, Großbritannien, Kanada, Australien und Frankreich hatten den Fantasiestaat Palästina offiziell anerkannt. Grüne, die SPD und die Linke forderten ultimativ, dass sich Deutschland dem Beispiel anschließen müsse.

Die Welt dreht sich zu schnell

Doch Friedrich Merz überrascht Wählerinnen und Wähler. Er tut etwas ganz Ungewöhnliches. Und hält dem Druck stand. Die Enttäuschung über den Regierungschef, bisher beheimatet bei den Anhängern von CDU und CSU, schwappt hinüber in der Fankurve der Opposition. Für deutsche Verhältnisse dreht sich die Welt längst alles viel zu schnell. Kaum haben Politik, Medien und stichwortgebende Wissenschaft ein Problem identifiziert und engagierte Nicht-Regierungsorganisationen eine Lösung vorgeschlafen,  hatten andere bereits eine gefunden. 

Die gesamte EU hinkt der Welt hinterher, und das bedauernswerte Deutschland sogar der EU. Als Ende des Monats Oktober die Kühltürme des stillgelegten Kernkraftwerks Gundremmingen gesprengt werden, wird es keine zwei Monate mehr dauern, bis Brüssel Milliardenbeihilfen für Polen genehmigen wird - gedacht zum Bau eines Kernkraftwerkes nahe der deutschen Grenze. Finanziert aus den Beiträgen, die die deutschen Steuerzahler Jahr für Jahr in  seltener Großzügigkeit in die Sammeltassen der Brüsseler Bürokratie fließen lässt. 

Mit Rest baut RWE auf den Trümmern des KKW ein Containerdorf aus Megaspeichern mit einer "Leistung von 400 Megawatt und einer Kapazität von 700 Megawattstunden". Das reicht, um alle in Deutschland zugelassenen E-Autos mit dem Speicherstrom  je zwei Kilometer weit kämen.

Im Deutschland-Tempo

Es geht dennoch voran, nur eben im Deutschland-Tempo, jener schlafmützigen Mischung aus Angst, Ignoranz und Eilfertigkeit. Statt irgendwen überholen zu wollen, richtet sich der neue deutsche Ehrgeiz auf das sprichwörtliche Vermeiden des Eindrucks, man wolle jemanden einholen. 20 Jahre nach Paypal  erfindet die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt "Wero", ein Online-Bezahlsystem.

Ein erster Erfolg des Vorschlages von Robert Habeck, Europa solle "das nächste Google" entwickeln. Die Pflicht zur Nutzung der elektronischen Patientenakte tritt in Kraft - laue Bedenken, dass die ePA für die Speicherung besonders sensibler Daten völlig ungeeignet sei können den Siegeszug der modernen Technik nicht stoppen. 

Die große Bedrohung kommt in diesen erneut viel zu warmen Oktobertagen von oben. Während Medien und Verteidigungspolitik gebannt auf sogenannte Drohnensichtungen schauen, weil Wladimir Putin versucht, Deutschlands Kampfbereitschaft vor der anstehenden Entscheidung über die Rückkehr zur Wehrpflicht zu stärken, gerät die tatsächliche Gefahr aus dem Blick. Im Zuge eines hybriden Angriffs, der getarnt wird von den durchsichtigen Drohnenattacken, haben russische Militärs offenbar ganze Vogelzüge mit H5N1-Erregern infiziert.

Drohende Drohnen 

Zu Tausenden fallen Tiere vom Himmel, ohne dass Experten den Zusammenhang erkennen. Alle Augen sind auf die Drohnen gerichtet, die immer schon wieder weg sind, sobald die Drohnenabwehrtruppen der Bundespolizei  mit ihren Fangnetzen auftauchen. Auch die Spezialermittler der Geheimdienste  suchen vergebens nach den Urhebern der Attacken: Obwohl bis zur Abstimmung über die Los-Lösung für die Auswahl der Kandidaten für die vordersten Gräben hunderte Drohnenanflüge gemeldet werden, gelingt es in keinem einzigen Fall eine sichere Spur nach Moskau zu legen.

Dafür aber führt die Fährte des Nord-Stream-Anschlages nun wirklich nach Kiew. Zwei Ukrainer sitzen als mutmaßlich Beteiligte am größten Anschlag auf kritische deutsche Infrastruktur seit den alliierten Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg in Haft, einer in Polen, einer in Italien. Während die Regierung in Warschau wegen der deutschen Weigerung, Reparationen  für die Kriegsschäden von 1939 bis 1945 zu zahlen, eine Freilassung ihres Verdächtigen verfügt, bleibt  die Achse Berlin-Rom stabil. 

Berliner Verlegenheit 

Den europäischen Vereinbarungen gemäß liefert Giorgia Meloni den mutmaßlichen Täter aus. Wenn auch vermutlich nur, um die Regierung in Berlin in die Verlegenheit zu stürzen, nun einen Prozess gegen einen Soldaten eines Landes führen zu müssen, den man selbst mit den finanziellen Mitteln ausgestattet hat, die Lebensader der deutschen Chemie- und Energieerzeugungsindustrie  anzugreifen.

Es wird lange dauern bis zur Anklage, so viel ist sicher. Und der Prozess wird noch länger dauern. Selbst im Fall der Putschisten um den Prinzen Reuß jährt sich die aufsehenerregende Verhaftung bald zum dritten Mal und auch der Prozess geht ins dritte Jahr. Das Problem mit dem Stadtbild, so sagt es Friedrich Merz  in einer öffentlichen Anklage an die Verhältnisse, gebe es aber immer noch. 

Die Stadt, der Müll und der Tod 

Was er meint, vermag jeder instinktiv zu erfassen, der die Stadt, den Müll und den schleichenden Tod jeder Zivilität auf den Straßen sieht. Doch gerade das triggert die Meinungsführer: Die Botschaft ist unangenehm, es gibt einmal mehr ernste Schwierigkeiten mit der unangenehmen Wahrheit, dass sich Deutschland verändert hat und sich niemand mehr darüber freut.

Abgehalftert. Von Kleinkram abgelenkt. Alleingelassen vom großen Verbündeten Amerika, dessen Präsidenten die deutsche Uno-Delegation unter Heiko Maas noch souverän ausgelacht hatte, als  er Jahre zuvor warnte, Europa begebe sich durch seine Weigerung, für sich selbst zu sorgen, in eine unheilvolle Abhängigkeit von Despoten. 

Damals, in der alten Zeit der deutschen Selbstgewissheit, war der US-Präsident aber so schief gewickelt, als er "polterte": "Deutschland macht sich total abhängig von russischer Energie, wenn es nicht sofort seinen Kurs ändert. Hier in der westlichen Hemisphäre wollen wir unsere Unabhängigkeit gegenüber den Übergriffen eines expansionistischen fremden Macht wahren."

Das abhängige Russland 

Deutschlands beste Faktenchecker konnten seinerzeit den Nachweis führen, dass es den "Russen schwerfallen würde, Deutschland in Geiselhaft zu nehmen", denn das Land benötigte die Russen zwar als Lieferanten für Erdgas. "Aber auch da ginge es längere Zeit ohne." So lange sogar, dass die EU im dritten Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ernsthaft in Erwägung zieht, in ein, zwei Jahren ganz auf direkte Energieträgerlieferungen aus Russland zu verzichten.

Es wird, doch als Lars Klingbeil zur Audienz bei "Caren Miosga" bittet, macht der neue starke Mann schnell klar: Von nichts kommt nichts und die nächsten Jahren werden deutlich härter. Klingbeil versucht nicht, seine Ratlosigkeit zu verstecken. Aus jeder Geste, jedem Satz spricht allein die Hoffnung, es werde vielleicht doch einmal ein Wunder geschehn. Das Fell des Bären kann nur einmal verteilt werden, wo aber Bären nicht gejagt werden können, weil es keine gibt, werden die Winter kalt. Deutschland hätte immerhin Wölfe. Wagt aber nicht, sie zu jagen, weil eine EU-Strafe drohen könnte.

Desaströse Lage 

Die anhaltende Diskussion über die desaströse wirtschaftliche Lage Deutschlands und die notwendigen Sozialreformen verlagert sich im Oktober vom Versprechen der schnellen Entlastung zur Entfesselung neuer wirtschaftlicher Dynamik zu den langen Linien der üblichen Verschieberei. Das vom Start weg nur über seine Zerstrittenheit einige Letzte-Patrone-Bündnis von Union und SPD simuliert Tatkraft auf Nebenkriegsschauplätzen: Höhere Steuern für Erben, später höhere Steuern auf CO₂, höhere Sozialabgaben durch höhere Bemessungsgrenzen und höhere Erbschaftsstreuern sowieso, weil es immer eine Minderheit sein muss, der sich mit Hilfe der Mehrheit am leichtesten Fell über die Ohren ziehen lässt.

Berlin weiß nicht, wie die Rentenkassen 2026 ausreichend gefüllt werden sollen. Berlin könnte nicht sagen, wie die Krankenkassenbeiträge in einem Jahr aussehen müssen, um auch die vielen mitzuversorgen, die gekommen sind, "die Renten der Boomer zu bezahlen" (Marcel Fratzscher). Karl Lauterbachs Krankenhausreform ist ganz aus den Schlagzeilen verschwunden. Die seiner Nachfolgerin, einer Frau namens Warken, wankt, weil die Bundesländer nicht die sein wollen, die das mehr bezahlen, was Warken weniger bezahlen will.

Hart konzentriert sich die Koalition darauf, mit Märchen von geplanten Mikroelektronikfabriken und gewaltigen öffentlich-rechtlichen KI-Gehirnen Zuversicht zu verbreiten. Wie weiland Erich Honecker predigt Friedrich Merz eine "Hightech-Agenda der Bundesregierung". In gleich sechs High-Tech-Bereichen, in denen Deutschland bisher keinerlei globale Bedeutung hat, soll der frühere Exportweltmeister zum "führenden Standort für neue Technologien" werden, so hat es das Kabinettg beschlossen. Gedacht ist an Künstliche Intelligenz, an Quantentechnologien, an Mikroelektronik, Biotechnologie, Kernfusion und - eine kleine Verneigung vor Nostalgikern - auch an "klimaneutrale Energieerzeugung" und "Technologien für klimaneutrale Mobilität". 

Das große Werk, gestrickt auch aus der Ilusion, das alles ließe sich mit Gelegenheitstrom antreiben und der werde in den kommenden Jahren mit steigendem Bedarf immer weniger gebraucht,  erlebt mit der Verkündigung vom Balkon des Elfenbeinturmes seinen schönsten Moment. Danach gibt die "Hightech-Agenda" nur noch ein ganz kurzes Gastspiel in der Wirklichkeit: Beim Projekt, "das aus dem Sondervermögen finanziert werden" solle, werde "gestritten", fasst das "Handelsblatt" die neuerliche Niederkage der Nation zusammen. Trotz "höchster Priorität knirscht es zwischen Union und SPD", wird es im Dezember heißen.

Der Wille ist da, irgendetwas zu tun. Doch es fehlt die Kraft. Friedrich Merz sitzt immer noch über den "vielen, vielen Investitionsangeboten", die sich schon Anfang Oktober im Kanzleramt gestapelt hatten. Es seien "viele von Firmen aus dem Inland" und "noch vielen mehr von ausländischen Investoren", hatte der Kanzler zum Tag der deutschen Einheit gesprochen. Die Menschen draußen im Lande könnten beruhigt sein und gelassen in die Zukunft schauen, versprach er. Noch "Wir werden das jetzt ordnen", kündigte er an. 

Doch das politische Jetzt ist eine lange Zeit. 

Der Oktober im Rückspiegel: 

Startschuss für Großspeicher: Die Billionen-Batterie  
Merz und der Mikroelektronikplan: Der Ritt auf dem Papiertiger  
Energiewende unter Druck: Die große Luftnummer  
Doomsday: So lange braucht es noch bis zum Untergang  
Zitate zur Zeit: Furchtbar enttäuscht  
Stadtbildschwur: Frühsport statt Mord  
Trumps Vorbild: Ballsaal Berlin  
Mileis bedrohlicher Wahlsieg: Angst vor Ansteckung  
Reste von Rechtsstaat: Ende der Unschuld  
Wahl-O-Rat: Sieger sehen anders aus 


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