Freitag, 26. Mai 2023

EZB: Die Bad Bank

So reich ist Euro-Europa heute, dank der EZB:

Im Grunde genommen war es schon ein richtig rauschendes Fest, die Party zum 25. Geburtstag der Europäischen Zentralbank. Alles waren sie noch einmal gekommen, jedenfalls die, die gekommen waren: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Präsidentin des EU-Parlaments Roberta Metsola und EU-Ratspräsident Charles Michel. FDie amtierende EZB-Chefin Christine Lagarde ahtte auch die früheren EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet und Mario Draghi eingeladen, Wim Duisenberg, dem Kompromisskandiaten, mit dem alles begonnen hatte, ist leider bereits verstorben. Emmanuel Macron fehlte entschuldigt, ebenso die meisten anderen prominenten Gäste. 

Von Krise zu Krise

Doch die EZB hatte es noch nie auf öffentlichen Applaus abgesehen. Seit einem Vierteljahrhundert eilt sie schon "von Krise zu Krise", wie die deutsche Nachrichtenagentur DPA auf die Geburtstagstorte cremte. Einst als "Hüterin des Euro" gegründet und beauftragt, die Gemeinschaftswährung so hart zu halten wie es die D-Mark war, gelang es ihr, die Kaufkraft des Euro bislang bereits um fast 40 Prozent zu senken. Dafür gibt es allerdings heute achtmal mehr Euros als zu Beginn - ein schöner Beleg für den Erfolg der "Helden der Krise", wie Christine Lagarde die Banker einst selbst nannte, als sie noch nicht wegen des fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern schuldig gesprochen war.

Heute steht die damalige IWF-Chefin als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) selbst am Ruder eines Schiffes, das immer in Schieflage segelt. In keinem einzigen Jahr seit ihrer Gründung hat es die EZB vermocht, ihre selbstausgerufenen Inflationsziele zu erreichen: Erst war immer zu viel Inflation, dann viel zu wenig, dann wieder viel zu viel. Für die einen Euro-Länder war der Zins immer zu hoch, für die andren zu niedrig, der stabile Euro flackerte hoch und runter und für die Menschen in den 20 angeschlossenen Staaten war schon nach wenigen Jahren klar, dass die gemeinsame Zentralbank allenfalls so unabhängig war der Euro hart. 

Es ist immer richtig

Jahr für Jahr musste die Bundesbank in Deutschland den Silbergehalt ihrer Euro-Gedenkmünzen senken, damit deren Materialwert nicht höher war als der aufgeprägte Geldwert. Immerhin verbal steuerte die EZB einen geraden Kurs: Was auch immer sie tat, es war richtig. Wie auch immer ihr Vorsteher hieß, gerade aus dem Hinterzimmer gekommen, wo ihn  Deutschland und Frankreich im Tausch gegen diesen oder jenen anderen Posten ausgewürfelt hatten, er ließ keinen Zweifel, worum es der Behörde vor allem gehen würde: um das Vertrauen der Bürger. "Der Euro ist ihre Währung, und sie sollten sich darauf verlassen können, dass er seinen Wert behält", schrieb schon Wim Duisenberg, der womöglich selbst noch an seine Mission glaubte.

Seinen Nachfolgern ist das nicht zu unterstellen. Sie hielten immer zugleich am mittelfristigen Zwei-Prozent-Ziel fest, weigerten sich aber stur, den Begriff "mittelfristig" zu definieren. Sie waren knallhart beim Entschluss, Staaten niemals direkt mit der Druckerpresse zu finanzieren. Und fanden doch einen Weg, es zu tun. Mit Zinserhöhungen wartete die EZB, bis es zu spät war, doch sicher ist: Sie wird auch mit Zinssenkungen erst beginnen, wenn es zu spät ist. Aus Frankfurter Sicht sind es äußerst glückliche Umstände, die helfen, mit dem bisschen Erklärungsvorrat zu wirtschaften, das nach 25 Jahren noch übrig ist: Der Ukraine-Krieg hat die Teuerung angeheizt, nicht die billionenschweren Geldspritzen für die immerklammen Staatshaushalte. 

Die Bad Bank der Staaten

Heute ist die EZB die bad bank von Staaten, deren Eigenkapitalquote so tief im Dispo liegt, dass ihnen keine Sparkasse auch nur einen Kredit für den Kauf eines Fußabtreters geben würde. Schuld sei ein bedauerlicher "Konstruktionsfehler der Währungsunion", heißt es offiziell: Die Europäer hätten "eine gemeinsame Währung eingeführt, ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik zu haben". Überraschung! Wer hätte ahnen können, dass das schiefgeht?

Ein Grund zum Feiern also allemal, schließlich gibt es sie trotzdem noch. Whatever it takes oder koste es, was es wolle. Der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler ätzte knapp unter dem halben Schrottgeldstand, den die Bank heute in den Büchern hat, dass die wohl eines Tages auch alte Fahrräder aufkaufen und mit neugedrucktem Papiergeld bezahlen werde. Mittlerweile aber verzichtet sie auch darauf. Als "Krisenfeuerwehr" spritzt Buchstabengruppen wie OMT, APP, PEPP und TLTRO quer über Europa und verziert das Ganze mit blumigen Versprechen: "Die Menschen können sich auf die EZB verlassen, die Inflation wird wieder sinken", versicherte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel im letzten Herbst, als die Preise außer Kontrolle gerieten und die Zentralbanker nicht mehr ein und aus wussten. Man werde natürlich seine "erfüllen und für stabile Preise sorgen."

Mittelfristig.

Negativwachstum: Ein erstes dickes grünes Plus

Ein erster Zwischenschritt ist gegangen.

 Ja, wo "schlittert" (n-tv) sie denn? Warum denn eigentlich? Und wohin überhaupt? Eben noch sollte ein Wirtschaftswunder 2.0 ausbrechen, eine Wohlstandsexplosion alle Skeptiker verwundern. Diesmal ohne Ressourcenverbrauch, windangetrieben und von der Sonne beschienen. Wachstum wie in den 50er, denn wie damals würde ein zerstörtes Land völlig neu aufgebaut werden, zudem diesmal eins auf einem geeinten Kontinent, dessen oberste Behörde selbst multimilliardenschwere Wiederaufbauprogramme aufgelegt hatte - Frucht von 70 oder mehr Jahren Frieden und Fortschritt, die die Basis gelegt hatten.  

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl über die den vielversprechenden Anfang einer neuen Ära des Wandels ohne Wachstum.

Schrumpf the planet

Deutschland war einerseits gut durch die Pandemie gekommen, sehr gut sogar. Andererseits hatte das Kernland Kerneuropas trotzdem immer noch die stärkste Wirtschaft, das härteste Geld und die fleißigsten EinwohnerBoomer, die durchaus bereit schienen, einer vergleichsweise niedrigen mit vergleichsweise langem Warten bis zum ersten Empfang davonzuarbeiten. Von Rezession war keine Spur, vielmehr halfen sie Hilfspakete und Preisbremsen, die Rettungsmaßnahmen und großzügigen Einmalzahlungen zu beweisen, dass eine komplette Volkswirtschaft sehr gut davon leben kann, dass sie sich selbst auf Stütze setzt.

Svenja Prantl hat alles, was sie braucht.
Für die Verfechter der Idee, dass allein konsequentes Schrumpfen den Planeten und damit die Menschheit für der Überproduktionskrise und der unmittelbar anstehenden Erschöpfung der Ressourcen retten kann, waren das keine guten Nachrichten. Wenn selbst die Einstellung von Teilen der Wirtschaftstätigkeit nicht hilft, CO2 zu sparen, was bleibt dann noch? Selbstmord aus Angst vor dem Tod, das Verbot von Kurzstreckenflügen, eine Lastenradpflicht? Selbst Eva Herman, die führende Schrumpfungsexpertin, schien zeitweise ratlos. Wenn Klimaschutz nur möglich ist, wenn Kapitalismus und Wachstum enden, beide aber Schluss machen und nichts besser wird, was denn dann?

Abgesang auf den Abgesang

Erste Nachrichten lassen nun aber vermuten, dass der Abgesang auf den Abgesang zu früh gekommen sein könnte. Ja, das Gröbste war schon eigentlich überstanden, im Grunde genommen war es nicht mal zu Besuch gewesen. Aber als die Wirtschaftsweisen zuletzt zusammenkamen, konnten sie die letzten Anhänger von Marktwirtschaft und Wachstum schon wieder trösten. Ein Plus zum Plan würde es geben, zwar nur eins von 0,2 Prozent, hatte der "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" mit spitzem Bleistift errechnet. 

Doch das würde allen Unkenrufern zeigen, dass die deutsche Wirtschaft sogar noch deutlich viel besser mit den Folgen des Ukraine-Kriegs, der Sanktionspakete, dem Atomausstieg, dem verwirrenden Regieren der Ampelkoalition und den multiplen Herausforderungen durch den Ausstieg aus der Digitalisierung, den Abschied vom Naturschutz und von der Schuldenbremse zurecht als zunächst erhofft. Für die Klimapolitik eine erschreckende Erkenntnis, denn wie sollte sich das nur auf Profiterzielung gerichtete Herumwirtschaften anders stoppen lassen als durch eine Vielzahl multipler Hürden und Hindernisse? Wie lässt sich eine Maschine aufhalten, die selbst bei halber Geschwindigkeit noch genau so schnell voranzukommen scheint? Und denselben Schaden anrichtet wie zuvor?

Ratlos in Berlin

Das politische Berlin wirkte, als habe es den Kampf aufgegeben. Doch wie sich nun zeigt, war das ein Irrtum. Letzten Meldungen zufolge ist die scheinbar gescheiterte Strategie, durch Regeln, Preise und Beschränkungen zu bremsen nämlich doch erfolgreich: Die im "Januar ohne Jammer" noch ausgefallene Rezession, sie summierte sich in den ersten drei Monaten auf 0,3 Prozent Minus. Es ist das zweite Minus-Quartal in Folge. Zum 14 Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gelingt das Kunststück, eine Gesellschaft mit Wachstumsfetisch auf Gegenkurs zu zwingen.

Das spart Material, Energie und Geld und folgt den Empfehlungen namhafter Wirtschaftsexperten, die schon im Sommer vergangenen Jahres geraten hatten, den Karren möglichst schnell vor die Wand zu fahren. Die Politik hatte alle diese Tipps ignoriert und weiterhin das Märchen erzählt, man könne beides haben: Schnelle Geldentwertung, hohes Bruttosozialglück, warme Wohnungen, Wärmepumpen, Windräder, Wasserstoff und Gesetze gegen Fake News. Bürgerinnen und Bürger aber handelten: Überzeugt davon, dass jeder sein Scherflein zum Klimawandel beitragen muss, schränkten sie ihren oft ohnehin unnützen Konsum ein und gaben der vorhergesagten Stagnation den entscheidenden Schubs Richtung Rückgang. 

Kleine Kreise für das Klima

Niemand muss sich dafür schämen, vielmehr kann jeder stolz darauf sein. Die ganze Hatz nach dem Immermehr, die Shoppingtouren, der Konsumterror, sie sind vorüber. Es öffnet sich eine Tür in ein Übermorgen, das bescheidener zu sein verspricht, geerdeter, mit kleineren Kreisen und ökologischen Fußabdrücken, die der Wirtschaft hinterherschrumpfen. Noch gilt das alte Motto des Statistischen Bundesamtes, dass einmal keinmal ist und auch eine sehr gute Volkswirtschaft schon zweimal ins Minus rutschen kann, ohne dass das statistisch mehr ist als eine Eintagsfliege. Zwei negative Quartale in Folge sind nur ein Anfang, es kommt nun darauf an, dass die Bürgerinnen und Bürger dranbleiben und ihrer Verantwortung für eine Verstetigung des noch kaum erkennbaren Trends gerecht werden. 

Um vom hohen Ross des Wohlstands herunterzukommen, muss annähernd die Hälfte der derzeitigen Wirtschaftsleistung noch weg. Dann wäre das Land so reich wie 1978. Auch damals ließ es sich gut leben, denn man kannte es nicht anders.

Donnerstag, 25. Mai 2023

Letzte Generation: Attacke auf die Zukunft

"Niemand wird uns aufhalten, während wir den tödlichen Kurs mit aller Macht einschlagen".

Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du", hat Mahatma Gandhi nie gesagt. Und doch: Er hat Recht behalten. Noch jede Bewegung mit dem Anspruch, eine Gesellschaft neu zu gestalten, musste durch diese Stufen der Läuterung hindurch. Jesus, Marx, Lenin, Hitler, Mussolini und Ulbricht, Helmut Kohl, Schröder und Trump, Joschka Fischer, Putin, Orban und Erdogan, sie alle können Geschichten davon erzählen, wie sie mit Nichts begannen, ihren Glauben stählten, der Skepsis widerstanden, den bösen Witzen und dem Gelächter. Bis es eines Tages soweit war: Der Mehrheitsstaat nahm sich ihrer an. Er stellte ihnen nach. Er begriff sie nicht mehr als Sonderlinge, die gekommen waren, um bald wieder zu verschwinden,. Sondern als Gegner, die der Bekämpfung würdig waren.  

Letztes Stadium vor dem Sieg

Auch die Letzte Generation hat nun dieses letzte Vorstadium vor dem Gesamtsieg erreicht. Nach anderthalb Jahren, in denen das winzige Häuflein extremer Angstmacher zwar medial hohe Anerkennung genoss, weil die Klebeaktionen einen hohen Unterhaltungswert mit einer guten Absicht verknüpften, schien es schon, als habe sich das Aufregungspotenzial der Stör- und Schmieraktionen noch rascher verbraucht als die Schulstreiks der Klimakinder von "Fridays for Future". Seit der Endschlacht von Lützerath radikalisierten sich in sorgfältig vor der Öffentlichkeit abgeschotteten Strukturen verbundenen Aktivisten war sichtlich immer rascher weiter. Das Echo selbst in den engagiertesten Medienhäusern aber wurde immer leiser. Ohne gelegentliche leidenschaftliche Ausbrüche von genervten Autofahrern hätte die Bewegung einen frühen Tod sterben müssen.

Zum Glück für die angesichts der verfahrenen Situation sichtlich seit Wochen ratlosen Gruppe hat Vater Staat nun rettend eingegriffen. Mit der bundesweiten Durchsuchungsaktion - vom teilstaatlichen Portal "T-Online" bis zur "Tagesschau" einheitlich als "Razzia" (von arabisch غزوة, DMG ġazwa ‚Kriegszug, Raubzug, Angriffsschlacht‘) angepriesen - frischen Strafermittler das Blut der Bewegung auf: Aus den klebrigen Versuchen, die Gesellschaft zu erpressen, den Wünschen einer Minderheit nachzukommen, wird die verfolgte Unschuld von Märtyrern,  denen nun gar nichts weiter übrigbleibt als sich weiter zu radikalisieren

Jedes Ziel braucht Opfer

Das große Ziel, es braucht wie jedes andere zuvor Opfer, Menschen, die die Verfolgung freimütig erdulden und damit andere inspirieren, ihnen nachzueifern. Die frühen Christen sind ein Vorbild dafür, wie "Abschreckungseffekte nach hinten losgehen", aber auch die Inhaftierung Adolf Hitlers wegen Beihilfe zum Hochverrat steht hier Spalier, wie der Extremismusforscher Matthias mit Blick auf die Geschichte von Christentum, Faschismus bis hin zu Sowjetmacht, RAF und NSU erklärt hat. Wenn sich Menschen, die sich für Ziele einsetzen, die zu erreichen sie für unabdingbar halten, vom Staat nicht unterstützt, sondern im Stich gelassen fühlten, dann "kann dazu führen, dass sich Einzelne radikalisieren".

Die im Newsletter der Letzten Generation verbreitete Ankündigung "Niemand wird uns aufhalten, während wir den tödlichen Kurs mit aller Macht einschlagen", sie hat nun gute Aussichten, Realität zu werden. Die "überzogene Entscheidung", wie es ein Protestforscher nennt, haucht der bereits schwer angeschlagenen Abteilung Attacke der Klimabewegung neues Leben ein. Eben noch so gut wie tot, ist das gezielte Angreifen gesellschaftlicher Strukturen, die Störung staatlicher Einrichtungen und die Beschädigung der Rückzugsorte von Parteien und privaten Unternehmen nun wieder sexy.

Kalter Krieg: Wie Russland uns die Heizpumpe madig macht

Bei ungedämmten alten Häusern hilft es oft, die Wärmepumpe leistungsmäßig einfach kräftig überzudimensionieren.

Die Bundesregierung hat es bereits beschlossen, die Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates gilt als Formsache und als gesetzlich vorgeschriebene Heizlösung wäre die Wärmepumpe dann auch in der Lage, wirklich alle Öl- und Gasheizungen im Land binnen kurzer Zeit zu ersetzen. Doch zu der gar nicht so neuen Technik werden fake news gestreut, es kursieren Mythen und Märchen, die der gesamten Technologie oft zu Unrecht Nachteile andichten.  

So heißt es unter anderem, dass Bundestag und Bundesregierung bis heute auf die Nutzung von Wärmepumpen verzichten, dass auch die EU-Kommission in ihrem Gebäudebestand weiterhin traditionelle Heizungen bevorzuge und dass die hohen deutschen Strompreise - beinahe immer noch Weltrekord - eine Nutzung von Elektroenergie zum Heizen eher teuer machten. Der Ursprung vieler solcher Behauptungen liegt natürlich nicht in der Realität, sondern in Moskau, wo bereits seit Monaten versucht wird, mit gezielt gestreuten Gerüchten über die Nord Stream-Sprengungen, die Effizienz der neuen Öko-Heizungen, den angeblich hohen Anteil an Kohlestrom im deutschen Netz und vermeintlichen Streit in der Ampel Unsicherheit bei Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen. 

Ziel ist es, Kräften um die Linkspartei und die rechte AfD in den Sattel zu helfen, mit denen es dann zum Friedensschluss und zum Verrat an der Ukraine kommen soll. Hintergründe, die bislang kaum bekannt sind.

Noch vor der Sommerpause wird der Klimaschutz einen Riesenschritt machen, wenn die Bundesregierung das Gesetz zum Abschied von Gas- und Ölheizungen (GzAGÖ) ins Parlament einbringt. Künftig sollen Wärmepumpen für warme Wohnungen und Häuser sorgen, dabei aber Natur und Umwelt und damit das Klima schonen. Gezielt geschürt wird von interessierten Kreisen die Skepsis gegenüber einer Technik, die in Kühlschränken bereits seit Jahrzehnten verbaut wird. Ein PPQ-Faktencheck beleuchtet die verschiedenen Behauptungen - etwa, dass eine Wärmepumpe sich oft nicht rechne, wegen des hohen Braunkohlestromanteils in Deutschland in höchstem Maße klimaschädlich sei und in alten Gebäuden für kalte Wintertage ein traditionelles Backup in Gestalt einer Gas- oder Ölheizung brauche. Was davon nicht stimmt und was nicht, klärt dieser Faktencheck. 

Behauptung: Bei einer Wärmepumpe werden die Heizkörper nicht allzu warm. 

Bewertung: Richtig. 

Fakten: Auch bei einer Wärmepumpe werden Heizkörper warm, aber eben nicht so warm, dass die bisher benutzten kleinen Heizkörper ausreichen, genug Wärme abzustrahlen, um ganze Räume zu heizen. Wärmepumpen sind Niedrigtemperaturheizungen, die Wärme aus der Umwelt sammeln und sie mit Hilfe von Strom quasi anreichern, bis eine Temperatur von meist zwischen 35 und 55 Grad Celcius erreicht ist. So warm werden dann auch die Heizkörper. Nach den Ergebnissen eines Forschungsprojekts des staatlichen Fraunhofer-Instituts reicht das durchaus, auch in alten und älteren Gebäuden, die nicht zusätzlich gedämmt sind. Der Nutzer hat dabei immer die Wahl: Mit den niedrigen Vorlauftemperaturen dauert es sehr lange, Räume mit Hilfe kleiner Heizkörper auf normale Wohntemperaturen zu heizen, das Auskühlen geschieht allerdings genauso schnell wie bisher. Daher sollte eine Wärmepumpe am besten durchweg laufen, auch wenn das ständig Strom verbraucht.

Behauptung: Hauseigentümer müssen bis zu 300.000 Euro für einen Umbau zahlen.

Bewertung: Richtig. 

Fakten: Ist ein Haus alt, viel zu groß und ungeeignet für den Einsatz einer Wärmepumpe, sind die genannten 300.000 Euro durchaus korrekt. Russische Einflussagenten nutzen diese für viele erschreckende Summe deshalb, um glaubwürdig zu erscheinen: Muss ein altes Haus komplett energetisch saniert werden, inklusive Dämmung, Fußbodenheizung, Wärmepumpe, Solardach, neuer Fenster und Türen, wären Kosten in dieser Höhe erwartbar. Es geht aber durchaus in den meisten Fällen viel billiger. Wer nur eine  Wärmepumpe einbaue, komme bei einem ungedämmten Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche oft mit 25.000 bis 65.000 Euro aus. 

Behauptung: Eine Wärmepumpe rechnet sich finanziell nicht. 

Bewertung: Falsch.

Fakten: Natürlich kostet die Anschaffung einer Wärmepumpe selbst dann mehr, wenn auf alle notwendigen Begleitumbauten verzichtet wird - trotz staatlicher Förderung (maximal 40 Prozent, gedeckelt auf 60.000 Euro pro Wohneinheit). Doch entgegen den Behauptungen der Gegner der Wärmewende spielt das neue Heizsystem seine Kosten über die Jahre wieder ein. Bei Ausgaben von 50.000 Euro ist aktuell ein Kreditbetrag von 130.000 Euro abzuzahlen, das macht 6.500 Euro für Zinsen und Tilgung im Jahr. Dazu kommen etwa 1.500 Euro Stromkosten im Fall eines energetisch sanierten Einfamilienhauses oder 2.500 bis 3.500 Euro im unsanierten Originalzustand. Verglichen mit dem Nutzer einer Gasheizung spart der Wärmepumpenbesitzer bis zum zwischen 800 und 1.000 Euro im Jahr an reinen Heizkosten - auch ohne eine noch zu erwartende Senkung der Preise von Wärmepumpen rechnet sich die Anlage damit nach spätestens 100 bis 130 Jahren. 

Behauptung: In Deutschland sei der Strom zu teuer für die Nutzung als Wärmequelle.

Bewertung: Falsch.

Fakten: Eine Wärmepumpe benötigt zwar Strom, der pro Kilowattstunde teurer ist als Erdgas, doch die Effizienz der Technologie gleicht das beinahe aus. Beispiel Gasheizung: Wenn ein Haus 20.000 kWh Wärme pro Jahr braucht, in 15 Jahren also 300.000 kWh, kommt der Besitzer bei einem Gaspreis von derzeit etwa 10 Cent pro kWh auf 30.000 Euro für den Betrieb. Dazu kommen etwa 10.000 Euro für die Heizungsanlage. Das macht insgesamt 40.000 Euro. Beispiel Wärmepumpe: Die benötigt über den gleichen Zeitraumwegen ihrer höheren Effektivität  nur 5.000 kWh Strom pro Jahr - bei 40 Cent pro kWh also 30.000 Euro in 15 Jahren. Wenn der Einbau der Wärmepumpe 30.000 Euro kostet und die Gemeinschaft der Steuerzahler davon ein Drittel übernehme, betrage die Gesamtsumme 50.000 Euro. Im Vergleich zur Gasheizung bedeutet das Mehrkosten von 10.000 Euro, im Fall einer Wärmepumpe, die unter nicht idealen Bedingungen arbeiten muss (Haus ungedämmt, alte Fenster, alte Heizkörper), sind es 10.000 kWh Strom für 20.000 kWh Wärme, also 60.000 Euro in 15 Jahren. Unwesentlich mehr als beim Gas, denn die Mehrkosten verteilen sich auf viele Jahre.

Behauptung: Die Wärmewende ist zu kompliziert in der Umsetzung, die Ampel hat zu viele von Ausgleichs- und Ausnahmebestimmungen verabredet.

Bewertung: Teilweise falsch

Es stimmt, dass die FDP vor allem reiche Vermieter schützen, die SPD erfolgreich darauf gedrungen hat, Arbeiter und Angestellte sowohl in abgezahlten als auch in noch nicht abgezahlten Einfamilienhäusern zu schonen, und die Grünen auf der Beibehaltung der grundsätzlichen 65-Prozent-Regel bestanden, die bis dahin noch niemand verstanden hatte. Danach muss jede deutsche Heizung zum Stichtag zu mindestens 65 Prozent mit sogenannten erneuerbaren Energien versorgt werden. Nach den Regeln der EU-Taxonomie zählen darunter allerdings auch Atom-, Gas- und Kohlestrom. Das erleichtert die Umstellung für viele ärmere Menschen nicht, erschwert aber das Verständnis. 

Das Gute-Heizung-Gesetz (GHG) kann damit nicht mehr wie anfangs gedacht nur das Weltklima schützen, es ist auch so gestaltet, dass die drei Parteien bei der Bundestagswahl in zwei Jahren nicht von einem Wutsturm sich enteignet fühlender Querbürger hinweggefegt werden. Um das wirksam zu verhindern, hat Robert Habeck nach der bereits beschlossenen Übernahme eines Teils der Stromkosten von reichen Wärmepumpenbesitzern durch die ärmeren Schichten einen zusätzlichen Klimabonus ins Umbaupaket verhandelt: Wer arm, armutsbedroht oder von Sozialleistungen abhängig ist, bekommt zu den 30 Prozent der direkten Umbaukosten, die ohnehin der Steuerzahler übernimmt, weitere 20 Prozent aus einem eigens mit Hilfe neuer Schulden geschaffenen Sondervermögen überwiesen. 

Behauptung: Finanziell lohnt sich das nur für Reiche. 

Bewertung: Falsch

Das Argument, die Wärmewende rechne sich finanziell nur für die, die ohnehin schon wohlsituiert sind, wird immer wieder vorgebracht. den Einbau einer Strom- oder Wasserstoffheizung, aber nur in Bestandsgebäuden, in die der zuständige Versorger in den nächsten 62 Jahren keine Fernwärmeleitung legen will, könnten sich nur Reiche leisten. Auch Biomasse oder Biomethan wären denkbar, allerdings nur in Gebäuden mit ungeraden Baujahren, die nicht über einen Fahrstuhl oder einen EU-konformen Paternoster verfügen, mit dem sich das eigene E-Autos über nach durch zwischengespeicherten Solarstrom aus nachhaltigen Dachanbau laden lässt.Richtig ist aber, dass Hauseigentumsbesitzer:innen ab Inkrafttreten des Gesetzes bei der Heizbehörde nachweisen müssen, dass sie keinen Versorger kennen, der ihr Haus oder oder die vermietete Wohnung ab 1. Januar 2030 zu 50 Prozent mit klimafreundlichen E-Fuels versorgt und ab 2035 sogar 65 Prozent liefern kann. 

Diesen sogenannte Negativnachweis gilt als unbürokratische Lösung, die viele Fesseln lösen wird. Heizen mit Kohlestromheizung oder einer Solarthermieanlage bleibt erlaubt und ist sogar erwünscht. Dies gilt sowohl in Neubauten wie auch beim Ersatz defekter Heizungen im Altbau. Brennwertkessel, die im Zuge der ersten Phase der Umsetzung nicht kaputtgehen wollen, dürfen von Fachfirmen ausgebaut werden, müssen dann aber bei Bundesheizungssammelstellen zur Entsorgung abgegeben werden.

Behauptung: Eine Wärmepumpe ist nicht klimafreundlicher als eine Gasheizung. 

Bewertung: Richtig.

Fakten: Mit einer Gasheizung kann die Wärmepumpe wirklich nicht mithalten. Da eine Gastherme ihren Treibstoff direkt in Wärme umwandelt, und das mit einem Wirklungsgrad von bis zu 96 Prozent, fällt die elektrisch getriebene Wärmepumpe hier tatsächlich deutlich ab. Deutschland nutzt nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) derzeit zu etwa einem Drittel Strom aus klimaschädlicher Kohle, das heißt in einem Wärmepumpenhaushalt wird ein Drittel der Heizleistung äußerst klimaschädlich bereitgestellt: Gasverbrennung verursacht etwa 250 Gramm CO2 pro kWH, der Strommix in Deutschland liegt zeitweise bei mehr als 600. Dazu kommt die Ineffizienz der mehrfachen Umwandlung: Erst wird Kohle verbrannt, um Dampf zu erzeugen, der treibt eine Turbine, die einen Generator antreibt, der Strom erzeugt, der über aufwendige Fernleitungen und viele Umspannstationen bei hohen Leitungsverlusten zum Verbraucher transportiert werden muss. 

Behauptung: In Altbauten ist der Einbau einer Wärmepumpe auch wegen der fehlenden Fußbodenheizung unmöglich. 

Bewertung: Falsch. 

Fakten: Es ist nicht entscheidend, ob man eine Fußbodenheizung hat oder Heizkörper, die einzige Frage ist, ob man sich die höheren Kosten für eine klimaschädliche, teure Heizung leisten kann und will. Auch im wenig sanierten Altbau mit Heizkörpern, der nur gemietet ist, kann eine Wärmepumpe zuweilen ausreichen, um die gesetzlich vorgeschriebenen Zimmertemperaturen zumindest zeitweise zu gewährleisten. In Fällen, in denen die schon verbauten Heizkörper überdimensioniert seien, trifft das in jedem Fall zu. Dass Wärmepumpen nur mit einer Fußbodenheizung funktionieren und nur mit einer eigenen Solaranlage nebst Speicher wirklich lohnenswert seien, sei ein Mythos, der gezielt gestreut worden sei. Auch wenn zutreffe, dass Wärmepumpen ohne Eigenstromerzeugung, Speicher, Dämmung, energetische Sanierung und Fußbodenheizung teurer, schmutziger und ineffizienter seien als Erdgas-Brennwertkessel, sei unter Berücksichtigung der Ziele der Bundesregierung ein Umstieg möglich.

Mittwoch, 24. Mai 2023

Heizkataster: Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft

Über einen Anrufer bei "Hartaberfair" drohte Robert Habeck bereits seinen Rücktritt an.

Man kann es schlimm finden, man kann es rundheraus ablehnen oder bejubeln, aber in jedem Fall muss man Respekt davor haben, in welchem Tempo die aktuelle Bundesregierung ihre Pläne vorantreibt, die Gesellschaft ein für allemal umzubauen. So schnell, rasend schnell, dass kaum ein verrückter Plan geplatzt ist, und schon der nächste aus der Socke gezogen wird.  Interner Zank her, der kommt in jeder Familie vor. Personalskandale hin, sie hat es schon immer gegeben. Physik, Chemie, ein ganzer Scherbenhaufen aus ursprünglichen Absichten. Obendrauf steht Robert Habeck, ein Mann im Zeichen des sinkenden Sterns seiner eigenen Beliebtheit. Und er, der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat wieder etwas mitgebracht.

Verräterische Koalitionspartei

Diesmal ist es ein "Heizkataster", das alles erfassen soll, jeden, überall, mit Details, die mehr als die Hälfte der Deutschen im Augenblick selbst noch nicht wissen. Nach dem plötzlichen Kindstod, den das Heizungsgesetz durch eine verräterische Koalitionspartei starb, die dem mit heißer Nadel gestrickten Herz der weltweiten Wärmewende über Nacht einen kalten Dolch durch den Perikard drückte, ließ der Mann, der vor einigen Wochen noch beliebt genug war, um sich Hoffnung auf den Kanzlersessel zu machen, keine Sekunde vergehen, ehe er nachlegte. Wenn schon kein Zwangsumbau aller Heizungen in den nächsten paar Minuten, dann wenigstens erste Vorbereitungsarbeiten, um verlorene Zeit später geschwind aufholen zu können.

Der neue Entwurf des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (GWPuzDWN) verzichtet auf Kompromisse, wie sie in den letzten Tagen hier und da im Gespräch waren. Die Enteignung ärmerer Häuslebewohner einfach zeitlich zu strecken, die Daumenschrauben der neuen CO2-Steuer schneller anzuziehen oder die Gasnetze von Amts wegen zurückbauen zu lassen, so dass hartnäckige Wärmepumpenleugner gezwungen werden, auf klimaneutralen Braunkohlestrom zurückzugreifen, schien Robert Habeck nicht zielführend. Es muss mehr passieren. Schneller. Ein Zeichen muss gesetzt, ein Signal gegeben werden. Alles oder nichts.

Die Kipppunkte der eigenen Kanzlerambitionen sind zu nahe. Die 13 Prozent, die sich in Umfragen offenbar völlig unabhängig von der Amtsführung, von der Vetternwirtschaft und von irritierenden Medienauftritten noch für Robert Habeck als Kanzler aussprechen, reichen nicht. Selbst Annalena Baerbock, die frühere Buchautorin, die letzte Bundestagswahl für die Grünen verloren hatte, bekäme ja 18 Prozent. Statt aufzugeben angesichts einer Gegenwehr, die aus der Breite der Bevölkerung kommt und - für die Grünen ist es ein Dejà Vu, das die älteren Genossen an das Trauma des Veggie Day erinnert - selbst treue Parteimedien erfasst, hat sich Robert Habeck trotzig zum Kampf entschlossen.

 Nur eine kleine Operation

Wenn das Wenige nicht geht, diese kleine Operation an 30 bis 60 Millionen Heizungen für ein kleines Geld vermutlich sogar weit unter der Summe, die die Deutschen seit Ende des letzten Weltkrieges als Schuldenberg aufgetürmt haben, dann will er mehr erreichen. Nur eben anders.  Es reicht jetzt nicht, den gewogen gebliebenen Redaktionen vom "Wortbruch"  zu klagen, sich im "Kalten Krieg" zu fühlen und heiße Tränen darüber zu vergießen, dass eine "Glaubwürdigkeit" verlorengehe, "weil die FDP nicht mitzieht". Habeck will konstruktiv aus der "kleinen Regierungskrise" (Taz), er will  die eigene Schwäche als Schwungkraft nutzen, um wieder hinter den Ball und vor das Tor zu kommen.

Der neue Plan sieht deshalb neue Listen vor. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, wird das  GWPuzDWN Bundesländer und Kommunen verpflichten, die Heizeigenheiten ihrer Bürgerinnen und Bürger detailliert zu erfassen. Das neue Heizkataster, das Energieverbrauchsprofile aus persönlichen Lebensgewohnheiten, Partnerverhältnissen, Gebäudezustand und Beheizungsart bilden wird, findet sich eine große deutsche Tradition gespiegelt: "Genossen, wir müssen alles wissen", hatte DDR-Geheimdienstchef Erich Mielke von seinen Mitarbeitern gefordert, ohne dem Ideal des "Alles" wirklich nahekommen zu können. Die nun vor der Erhebung stehenden "gebäudescharfen jährlichen Energieverbräuche über die letzten drei Jahre in Kilowattstunden pro Jahr" sind da ein großer Fortschritt und ein erster Schritt auf dem Weg zu einer wirklich wissensbasierten Planung, Führung und Leitung der Gesamtgesellschaft.

Wissensgesellschaft von Morgen

Wer verbraucht wie viel? Wer lebt richtig, wer lebt falsch? Wer leugnet mit seiner ganzen Einstellung und Lebensweise die Klimaziele? Das Heizkataster, einmal erstellt, wird sich einfach verbinden lassen mit der neuen lebenslangen einheitlichen Bürgernummer, die an die Steuer-ID gekoppelt und längst nicht mehr als "umfassendes Identifikationsmerkmal" unzulässig ist wie noch 1983 vom  Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil geurteilt. Die Wissensgesellschaft von Morgen, sie wird sicherlich weiterhin beim Versuch Scheitern, den Menschen draußen im Lande die Milliardeneinnahmen aus der CO2-Abgabe vollständig als "Klimageld" oder "Klimaprämie" zurückzuzahlen. Aber sie wird eine genaue Übersicht darüber besitzen, wo verweigert wird, wo Menschen noch glauben, ihr eigenes Ding durchziehen zu können, und in welchen Regionen es sich erforderlich macht, andere Saiten aufzuziehen.

Milliarden von Meta: Die EU und ihr quadratischer Datenkreis


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eit dem zweiten Schrems-Urteil ahnten sie es, seit der Aufhebung des Datenschutzabkommens "Privacy Shield" mit den USA war es amtlich und so lange sie vergebens mit den Partnern in Washington über eine Nachfolgeregelung verhandelten, wussten sie jeden einzelnen Tag genau, was sie eigentlich hätten tun müssen. Weil US-Gesetze die großen sozialen Netzwerke verpflichteten, Daten von Nutzern an Fahndungsbehörden und Geheimdienste herauszugeben, EU-Richtlinien aber genau das verbieten, gab es keine Möglichkeit, eines der amerikanischen sozialen Netzwerke in der EU rechtssicher zu benutzen.  

Die Datenhehler vom Amt

Die Bundesregierung, sowohl die alte als auch die neue, war sich darüber im Klaren. Die Ministerien waren es, die Bundesbehörden, die Bundesländer und selbstverständlich auch die EU-Kommission, das EU-Parlament und alle, die noch ein paar Jahre zuvor so begeistert gewesen waren, als sich die EU die härtesten Datenschutzrichtlinien der Welt gab. In der Erwartung, die würden nun überall so ähnlich nachgeahmt. Und ohne zu bedenken, dass andere Länder andere Sitten haben. Und noch nie ein Schwanz mit dem Hund gewedelt hat.

Niemand hatte die Absicht, eine Mauer zu errichten, um die eigenen Bürger vor dem Zugriff der amerikanischen Datenkraken zu schützen. Sie hätten es natürlich gemusst, spätestens, nachdem ihnen der Europäische Gerichtshof bescheinigt hatte, dass jeder, der bei Facebook eine Seite betreibt, mitverantwortlich für die Daten, die dadurch anfallen und die von der Facebook-Mutter Meta nicht nur in den USA gespeichert, sondern auf einen Pfiff von US-Behörden auch sofort herausgegeben werden. 

Der höchste Wächter als Datengangster

Sie haben selbstverständlich gewusst, dass sie gemusst hätten. Aber zugleich wollte die EU-Kommission als höchster Wächter der Rechtsstaatlichkeit in der EU die 1,4 Millionen Facebook-Follower nicht verlieren. Die Kommissionschefin wollte weiter über Twitter kommunizieren, ebenso der Bundeskanzler und die Minister, das Staatsfernsehen mochte nicht auf seinen Youtube-Kanal verzichten, die höchsten Gerichte hatten sich an Twitter gewöhnt, trotz Musk, und die vielen neuen Bundesbehörden pflegten ohnehin als erste Amtshandlung jemanden einzustellen, der ihr Management auf Reichweite zu trimmen versprach.

Ein paar einsame Datenschützer mahnten, das sei alles rechtswidrig, das verstoße gegen Grundrechte, die die EU garantiere, aber auch gegen deutsches Recht. Wer aber hätte sie ernstnehmen können? Die großen Magazine, die Leitmedien insgesamt, die letzten traurigen Enthüllungsreporter bei "Brisant", "Reschke-TV" und "Monitor" sind mitschuldig und damit befangen. Die leisen Rufe, wer sich Gesetze gebe, der müsse sich auch selbst daran halten, verhallten ungehört. Ministerpräsidenten lächelten Bedenken weg. Man müsse die Menschen doch aber informieren und dazu dort abholen, wo sie sind. Die EU-Chefin verwies darauf, dass der rechtswidrige Zustand, der es ihr eigentlich strikt verbot, bei Twitter, Facebook, Instagram oder Youtube tätig zu werden, nicht von Dauer sein werde. Jahr um Jahr verhandle man schon, um einen Kompromiss zu finden zwischen der Position der US-Regierung "Facebook muss alles an US-Behörden herausgeben" und der EU-Rechtslage "Facebook darf nichts an US-Behörden herausgeben".

Zeitspiel wie auf der Hans-Insel

Das kann die EU für gewöhnlich am besten. Mit der Schweiz verhandelt sie seit deren "Ausschaffungsinitiative" mit dem einzigen Ziel, immer weiter zu verhandeln, weil das das erreichbare Optimum an Kompromisslösung ist. Vorbild ist hier die Situation der zwischen Kanada und Dänemark umstrittenen Hans-Insel, die im "Whiskey War" zwischen 1973 und 2015 immer abwechselnd von beiden Seiten besetzt wurde, so dass beide Nationen behaupten konnten, den einzig legitimen Anspruch auf das Stück Fels zu haben.  

Die EU betrieb also stur weiter ihre rechtswidrige Facebook-Seite. Die Kommissionspräsidentin twitterte. Die Kommission füllte ihren Youtube-Kanal  mit "Highlights" vom "EU-Open-Day" und lockt damit zwar peinlich wenige, aber doch Zuschauer an, deren so strikt geschützte Daten umgehend in den USA landen. Verantwortlich dafür sind weniger die Betreiber der Netzwerke, als vielmehr die institutionellen Nutzer, die wissen, dass ihre Seiten erst den Grund schaffen, Menschen zu Facebook, Twitter oder Instagram zu locken, wo sie Freiwild werden für die Ausforschung durch US-Geheimdienste. Die aber trotzdem an ihrer Präsenz dort festhalten, als sei sie nicht immer wieder hart gewarnt  und zuletzt sogar förmlich abgemahnt worden.

Was interessieren Brüssel die eigenen Regeln

Es gehört zur inneren Logik einer Gemeinschaft, die immer genau weiß, was sie tun sollte, es aber niemals tut, dass es dieselbe EU ist, die gegen ihre eigenen Regeln verstößt, die zugleich nach genau diesen Regeln gegen ihren Datenhehler vorgeht.  1,2 Milliarden Euro Strafe hat die irische Datenschutzbehörde hat dem Social-Media-Konzern auferlegt, weil er sich im Konflikt zwischen heimischen Regeln und den europäischen Datenschutzvorgaben an das hält, was jenseits des Atlantiks gilt. 

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte daraus klare Schlüsse gezogen: Unternehmen und Behörden seien die eigentlich Verantwortlichen für ihre Datentransfers in Drittländer. Im Fall der USA, die  keinen "im Wesentlichen gleichwertigen Schutz sicherzustellen" bereit seien, müsse der damit unzulässige Datentransfer als Reaktion auf die Vorgaben des EuGH in der Rechtssache C-311/18 Schrems II ausgesetzt oder beendet werden. 

Der quadratische Kreis als Dreieck

Passiert ist nichts. Aus eigener Kraft kam die Kommission zuletzt einfach erneut zur Überzeugung, dass  die USA eigentlich ja doch ein angemessenes Schutzniveau anbieten, obwohl auch der Nachfolger von Private Shield den US-Geheimdiensten jede Art von Massenüberwachung, Datensammlung und -auswertung gestattet. Selbst der zuständige Ausschuss des Europa-Parlaments lehnte den Versuch ab, einen quadratischen Kreis als Dreieck zu verkaufen, von dem die Kommission vermutlich nicht mehr erwartet als dass er so tut, als sei er eine Rechtsgrundlage. Bis der EuGH ihn zum dritten Mal in Bausch und Bogen auseinandernimmt. 

Auch das EU-Parlament meint es nicht so, schließlich betreibt es selbst reihenweise Seiten, über die rechtswidrig Daten in die USA geschaufelt werden. Für die europäischen Datenschützer zählte denn auch nicht der Erfolg, sondern dass man den "Willen" sehe, "ein angemessenes Schutzniveau für Betroffene, deren personenbezogenen Daten an Unternehmen in die USA übermittelt werden, zu schaffen". Dieselben EU-Datenschützer hatten ihre irischen Kollegen zuvor gezwungen, gegen die Facebook-, Instagram- und Whatsapp-Mutter Meta kein kleines, sondern eine möglichst hohes Bußgeld zu verhängen. Wenn man schon nichts tut, will man wenigstens so tun.

Dienstag, 23. Mai 2023

Projekt Adler: Automatisierte Aufsicht

Elmar Brok gilt jungen Forschern in Deutschland als Vorbild: Der Verler forschte über fast 40 Jahre lang an einer Formel für die Division von Freiheit durch Frieden mal Zufriedenheit.

Es galt bisher als unmöglich, eine zu komplexe Aufgabe selbst für die Forschungsabteilungen des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin und die Sozialeinsatzkommandos der Meinungsfreiheitsschutzbrigaden (MFSB) des Innenministeriums. Eine Künstliche Intelligenz so zu trainieren, dass sie antisemitische Parolen, verschwurbelte Verschwörungstheorien und doppeldeutige Schmäh eindeutig identifizieren kann, daran scheiterten selbst die ganz Großen der Branche: Weder die US-Spionagefirma Palantir noch ChatGPT oder Bard vermögen es bislang, exakt festzustellen, wann eine Bezeichnung als Jude sich in eine strafbare Beleidigung verwandelt: "Ich bin Jude" steht nach dem bisherigen Forschungsstand auf der einen Seite, "Du Jude" womöglich schon auf der anderen. 

Automatisierte Netzaufsicht

Trotz großer Nachfrage etwa bei BBAA, MFSB, den Freiwilligenregimentern im Netz und professionellen Verschwörungsprofiteuren wie der Kahane-Stiftung, den Internet-Aufsehern von Correctiv und dem Portal "Volksverhetzer" winkten alle einschlägigen Adressen ab. Eine automatisierte Erkennung von antisemitischen Verschwörungstheorien in sozialen Netzwerken durch eine Software stoße auf Interpretationshindernisse, hieß es bei Forscherinnen und Forschern. Als Beispiel wurde häufig der bekannte Satz "Hey Jude, don't make it bad" genannt, der sich einer einfachen Einordnung und Entlarvung entziehe, weil er nicht nur die Aufforderung enthalte, nicht alles kaputtzumachen, sondern auch die als Aufruf zum Klimaschutz zu verstehende Bitte, die "world a little colder" zu machen.

Wie bei Buchdruck, Glühbirne, Diesel- und Ottomotor, Straßenbahn oder Homöopathie brauchte es erneut deutschen Erfindergeist, um das Unmögliche doch zu realisieren. Beim Wettbewerb "Jugend forscht" stellten zwei quicke Nachwuchsforscher*innen aus Paderborn jetzt die Lösung für das komplexe Interpretationsproblem vor: Ihr "Project Eagle" genannte Software vermag es mit Hilfe einer fehlerfreien Mustererkennung, antisemitische Tweets oder Postings in sozialen Netzwerken in Echtzeit zu identifizieren. Die strafbaren Tweets, Likes, Follower, Retweets und Bilder speichert der allessehende Adler dann in einer Datenbank ab, die Vernetzungen zwischen den einzelnen Tätern werden graphisch aufbereitet und über eine Schnittstelle soll es später möglich sein, Hetztaten direkt bei den zuständigen Einsatzstaatsanwaltschaften anzuzeigen. 

Deutsches Wunder der Wissenschaft

Was wie ein Wunder der Wissenschaft erscheint, ist das Ergebnis der händischen Auswertung von von 6.000 offenbar ausgesucht antisemitischen Tweets, die nach einem Bericht des WDR "ausgehend von dem Account des AfD-Politikers Björn Höcke und seinen Followern" entdeckt werden konnten. Diese in Deutschland strafbaren Einträge dienten "Project Eagle" als Trainingsdaten für ein sogenanntes neuronales Netz: Das bekommt Stichworte und Marker, Halbsätze und Signalbegriffe fest eingeprägt, die es anschließend immer wieder gleich interpretiert und damit recht sicher rechtssicher als Verdachtsfall melden kann. 

Für die Netzhygiene ist das ein Werkzeug, das als erster deutscher Beitrag zur Weiterentwicklung des Internets seit der Erfindung von Youtube durch einen ostdeutschen Schüler Furore machen könnte. Der allsehende Adler verfolgt nicht nur die Täter*innen, er legt auch die Verbreitungswege der Mythen offen, die von der Software erkannt werden, und stellt sie als übersichtliche Grafiken zur Verfügung und hilft so, die derzeit noch scheinbar unüberschaubaren sozialen Netzwerke zu entzaubern und den Verbreiter*innen von Verschwörungsmythen zu signalisieren, dass sie unter Beobachtung stehen.

Angriffe auf die Grünen: Die Säge am eigenen Ast

Jürgen Trittin analysiert die Angriffe auf die Grünen: "Sie wollen Habeck sturmreif schießen".

Es war viel möglich, sogar leise Kritik. Schon allein die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit ermöglichte es Medien hierzulande selbst in den dunkelsten Tagen der Pandemie, Anmerkungen zu machen, die von keinem Ministerium abgenickt worden waren. Es gab Kommentare, Bemerkungen und wiederholt auch Bedenken, ob die Härte der Maßnahmen bereits ausreicht oder ob nicht noch einmal nachgeschärft werden muss wie bei der Impfpflicht und der strengen gesellschaftlichen Ausgrenzung von Zweiflern und Leugnern. 

Ganz augenscheinlich erfüllten die großen privaten Medienhäuser, die staatlichen und teilstaatlichen Sender und Internetplattformen und die den Markt dominierenden Inhaltswerkstätten von DPA über RND bis hin zur Funke-Zentralredaktion (FZR) ihre gesellschaftliche Aufgabe, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Wer ketzerte, bekam keine Plattform. Wer zweifelte, beförderte sich selbst ins Aus.

Erschütterung der Macht

Irgendetwas aber ist geschehen. Eine Erschütterung in der Macht, die sich beinahe auf eine bestimmte Stunde an einem bestimmten Tag datieren lässt: Als am Abend des 15. Mai die ersten Hochrechnungen aus Bremen kamen, Hochrechnungen zur Landtagswahl im Armenhaus Deutschlands, brach nicht nur ein bis dahin für erfolgreich gehaltene Regierungskoalition auseinander. Sondern auch die in allen ernstzunehmenden Redaktionen gepflegte Illusion, es komme nur darauf an, die Regierungspolitik noch ein bisschen besser zu erklären. Dann würden die Menschen da draußen im Lande schon einsehen müssen, dass all das ihr eigener Wille sei - die offenen Grenzen, die vielen neuen Facharbeiter, die Inflation, der Energieausstieg, die Wärmewende und der Abschied vom mühsam erbuckelten Wohlstand.

Denunziatorisch abgebildet: Eine Dicke.
An diesem tristen Abend trug es die Grünen aus der Kurve, eine Partei, die angetreten war, mit viel Beschleunigung und noch mehr Schwungmasse Ziele umzusetzen, ohne dafür auch nur skizzenhafte Pläne zu haben. Wie so oft in der Aufmerksamkeitsökonomie waren es nicht die bizarren Vorstellungen der Parteispitze, ihrer Minister und deren Beraterkreis vom Weg zur co2-neutralen Klimagesellschaft, die Vertrauen zerstörten und Wut auf die Salonökologen anfachten, sondern eine Beziehungspetistesse. Der Minister, sein Trauzeuge und die Besetzung des Chefpostens einer neugeschaffenen Behörde ohne ersichtliche Aufgabe verwandelten die Grünen in den Augen der Bevölkerung von idealistischen Weltverbesserern und sympathischen Öko-Spinnern in Raffkes, Wohlstandsräuber und selbstsüchtige Vertreter der nur allzu bekannten Arroganz der Macht.

Sieben Tage später haben viele große Medien die Kanonen herumgedreht. Die Zahl der regierungskritischen Beiträge ist förmlich explodiert, es werden ganz offen Zweifel am Kurs der Regierung genährt, die Demokratie wird immer stärker angegriffen. Nun sollen die Netze nicht halten und die Speicher nicht reichen. Gezielt werden Ängste geschürt und selbst die Gewissheit, dass die große Transformation kommen wird, steht infrage. Bezeichnend ist das aktuelle Titelbild des früheren Nachrichtenmagazins "Der Spiegel": Der große, starke Mann, der der Hoffnungsträger der Hamburger für die Zeit nach Olaf Scholz war, er hockt ratlos in einem Heizungskeller, die Gastherme ist zerstört, die Wärmepumpe, EU-rechtswidrig in einer Einwegplastiktüte ausgeliefert, nicht einmal ausgepackt. 

Sicherheitsverstöße im Heizungskeller

Habeck trägt Lederslipper statt vorschriftsmäßiger Sicherheitsschuhe, er hat es geschafft, sich in dem sehr sauber wirkenden Keller das Gesicht schwarz vollzuschmieren. Was er mit der Rohrzange bezweckt, die er in der Hand hält, ist unklar, den schraubbare Rohrverbindungen sind nicht zu sehen. Es ist offenbar ein gezielter frontaler Angriff, den der "Spiegel" da fährt, um den gerade noch beliebtesten Politiker Deutschlands in Verruf zu bringen. 

Ein Zufall? Oder Teil einer offen grünenfeindlichen Kampagne? Tauchte doch parallel zur Habeck-Verleumdung ein auf den ersten Blick gutgemeinter Artikel auf einer durchaus ernstzunehmenden Wissenschaftsseite auf, der sich dem erschütternd großen Beitrag übergewichtiger Menschen auf den Klimawandel zu widmen vorgab. Die seien für etwa 700 Megatonnen an zusätzlichen CO₂-Emissionen verantwortlich, etwa 1,6 Prozent aller anthropogenen Emissionen und nur knapp weniger als ganz Deutschland verursacht, hieß es da unter Bezugnahme auf eine Studie des Council for Agricultural Research and Economics, die die Klima-Feindlichkeit Übergewichtiger durch deren erhöhten oxidativen Stoffwechsel, höheren Nahrungsmittelkonsum und erhöhten Brennstoffverbrauch für den Transport angeprangert.

Direkte Angriffe auf Anderslebende

So perfide es erscheint, Menschen wegen ihrer Lebensweise für den Klimawandel mitverantwortlich zu machen, so durchsichtig ist die Absicht der Attacke: Im Bild wird eine bekannte Politikerin gezeigt, wohl um sie als Verantwortliche für das deutsche Klimaversagen darzustellen: Aktuellen Untersuchungen zufolge sind hierzulande 46,6 Prozent der Frauen und 60,5 Prozent der Männer von Übergewicht betroffen, beinahe ein Fünftel der Erwachsenen gilt als krankhaft fettleibig

Sie alle nun in Haftung für die anrollende Klimakatastrophe zu nehmen, gleicht einem direkten Angriffe auf die Demokratie durch ein besorgniserregendes Comeback der einfachen Antworten durch Populisten, Extremisten und Verschwörungstheoretiker, in denen ein besonderes Gefährdungspotenzial steckt, Radikalisierungen zu befördern und verfassungsfeindliche Gesinnungen zu verbreiten.

Ein Kipppunkt ist erreicht. Verstetigt sich die Medienkampagne gegen die Grünen als Fortschrittsmotor der Ampel-Koalition, könnte das erheblichen Einfluss auf die Landtagswahlen im Herbst, die Europawahl im kommenden Jahr und die Bundestagswahl im Herbst 2025 haben. Wenn sich Straßenprotest in Sachsen, konzertierte mediale Angriffe auf einzelne Ampelpartner

Montag, 22. Mai 2023

Am schlimmsten betroffenes Gebiet: Nun sterben schon die Toten

Nun sterben schon die Toten

Es ist noch einmal eine neue Eskalationsstufe der Klimakrise, ein Warnsignal wie damals die Lasterkolonnen aus Bergamo, Menetekel und Mahnung. Italien zahlt in diesen Tagen und Wochen eine bittere Rechnung für seine Entscheidung, sich einer Postfaschistin in die Arme zu werfen, die EU nicht mehr ernstnehmen zu wollen und sich im Streit um Außengrenzen, Klimaziele und Deindustrialisierungsprogramm womöglich auf die Seite Moskaus, Warschaus und Budapest schlagen zu wollen.  

Fluten auf dem Stiefel

Es regnet und zugleich herrscht Dürre auf dem Stiefel, der das alte Europa über Jahrhunderte brutal unter seiner Sohle hielt. Gott schickt zwei seiner Plagen zugleich. Ein Vorgang, der die Fantasien selbst der trockensten Nachrichtenmänner in den Redaktionsstuben der deutschen Leitmedien befeuert. Dort wo es "zu kalt" (MoMa) ist und ausnahmsweise einmal oberflächlich feucht, nicht aber nass und schon gar nicht durchgehend trocken, muss die italienische Flut als Brücke zur somalischen erklärt werden. Dort, wo nur 0,03 Prozent der Klimagase verbraucht werden, haben Wassermassen "kontrastreiche Wetterextreme" (Stuttgarter Nachrichten) ausgelöst. Die nun in Kombination mit dem "recht respektlosen" (Spiegel) Umgang des früheren Achsen- und heutigen  EU-Partners mit der Natur zu "hausgemachten Problemen" führt, die die "Klimakrise noch verschlimmert".

Die Plagen, die Plagen. Kaum ist Portugal aus der Tagesschau raus, weil es dort nicht mehr "zu heiß" ist, und Spanien abgehakt, weil es sich für die Jahreszeit eher normal temperiert präsentiert, geht der Blick dorthin, wo noch etwas passiert. Hochwasser nicht im Ahrtal, sondern in Italien.  Cholera und Masern in Somalia, ausgelöst durch ein "außergewöhnlich langes Anhalten des Wetterphänomens La Niña", das eine "Abkühlung des Pazifischen Ozeans" zur Folge hatte. Klimawandel am Horn von Afrika, verschlimmert durch die russische Invasion in die Ukraine und eine schon lange prekäre Sicherheitslage. Die Lage in Bayern ist natürlich auch angespannt. Doch das muss den Sportteil füllen.

Essenz der Ehec-Seuche 

Was bleibt da noch. Man muss nehmen, was man kann. "Elf Tote sterben in den Horror-Fluten" heißt es wie in einer apokalyptischen Fortsetzung der traurigen Essenz der Seuchen-Saison von 2011. Damals musste ganz objektiv konstatiert werden, dass viele Ehec-Tote wohl nie mehr ganz gesund werden würden. Heute nun sterben die, die nicht überlebt haben, in den monströsen Klimafluten im Süden. Betrachtet aus Deutschland, dem am schlimmsten betroffenen Gebiet, das unter einem zwölfstündigen  "Hitze-Hammer" mit 28 Grad stöhnt, tröstet das Leid der anderen, es warnt aber auch. Wenn Somalia mit nur 0,03 Prozent Klimaschuld überflutet werden kann, was droht dann einem Land, das zwei Prozent verschuldet? 66-faches Leid? 60 mal höhere Flutwellen?

Immer mehr Regen und immer mehr weniger zugleich. Steigende Temperaturen und Meeresspiegel. Dazu das Ende der Klimawende durch die rechte Hasskampagne gegen die führendsten Köpfe hinter der Ausstiegsstrategie und den Verrat treuer Verbündeter  am "Jahrhundertprojekt" Heizungstausch. Die Welt steht vor einem Abgrund, dem nun nicht einmal mehr die entkommen können, die schon gestorben sind. Man kennt die Ursachen der vielen Extremwetter nicht, aber der Grund ist nur zu gut bekannt: "Politikversagen", das "viele Einwohnerinnen und Einwohner barfuß und in Panik in der nächtlichen Dunkelheit vor den Wassermassen" fliehen lässt. Der Boden kann die sintflutartigen Regenfälle nicht aufnehmen. Seit Tarquinius Priscus das Forum Romanum trockenlegte und Tarquinius Superbus die unterirdisch verlaufende Cloaca Maxima ausbauen ließ, hat es das nicht mehr gegeben.

Bedeutungslose Bilderberger: Lieber was über die Wittelsbacher

Die Bilderberger tagten diesmal in Lissbon - hier wird die alte Vielfaltsflagge mit dem Kreuz gehisst.

Der "Guardian" konnte den Mund nicht halten. Von einem "jährlichen Elite-Treffen" raunte die Postille aus Großbritannien, als das 69. Bilderberg-Treffen noch lief.  "In herrlicher Abgeschiedenheit hinter verschlossenen Türen in Lissabon" habe die Zusammenkunft diesmal stattgefunden, teilte das Blatt mit, die portugiesische Sonne habe ihr Bestes getan, "um das Treffen warm und einladend" erscheinen zu lassen, wohl um "die tödliche Kälte aus der offiziellen Agenda des geheimen Spektakels für einige der mächtigsten Menschen der Welt zu lindern". 

Ein offenes Geheimnis

Aber natürlich ist das Meeting, lange Zeit als Gipfel der Weltregierung beschwiegen, längst keine Geheimnis mehr wie früher, als Mitteilungen über die Zusammenkunft der "Bigwigs" (Guardian) rar waren wie heute Jahre ohne Dürre oder zu viel Regen. Die Bilderberg-Konferenz beschweigt sich selbst schon seit geraumer Zeit nicht mehr ganz offiziell. Zwar werden Trefftermine und Gipfelorte erst verkündet, wenn sich die Türen hinter den Teilnehmern geschlossen haben.

Doch statt der tiefen Schweigsamkeit, die jahrzehntelang herrscht, gibt es inzwischen Pressemitteilungen, eine offizielle Internetseite und sogar eine amtliche Teilnehmerliste. Dazu wird eine Liste der Themen veröffentlicht, die besprochen werden. Daran, dass es beim "Forum für informelle Diskussionen" "Referenten" gibt, besteht kein Zweifel. Gelegentlich berichteten sogar teilstaatliche Medien.

Auch in diesem Jahr geht es wieder um alles. Künstliche Intelligenz,  Bankensysteme, China und Indien, die Energiewende, Europa,  die Nato, die Ukraine, "steuerliche Herausforderungen", Russland und die Ukraine, transnationale Bedrohungen und die Führungsrolle der USA - in nur drei Tagen segeln die Bilderberger einmal um die Welt und einmal quer durch alle Problemgebiete der Gegenwart, abgesehen vom Hunger, Migration, Klimakatastrophe und Verkehrswende. Zwei Drittel der Teilnehmer kommt aus Europa, ein Drittel aus den USA, niemand aus der Dritten Welt. Fast alle Teilnehmer sind männlich, die Frauen lassen sich an zwei Händen abzählen. 

Wichtig, aber bedeutungslos

Die "vielfältige Gruppe politischer Führer und Experten aus Industrie, Finanzen, Wissenschaft, Arbeit und Medien" ist in 23 Ländern handverlesen worden, unter ihnen sind diesmal OpenAI-Chef Sam Altman, EU-Außenminister Joseph Borrell, Deutschlands Nato-Speerspitze Norbert Röttgen, Noch-Nato-Chef Jens Stoltenberg, Leute von Shell, Vattenfall und Heinecken, der ukrainische Außenminister, der Chef der Euro-Gruppe, die dänische Ministerpräsidentin, Demis Hassabis von DeepMind, der Grüne Anton Hofreiter, Alex Karp von der Spionagefirma Palantir und Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramtes. Sie besprechen "wichtige Themen" (Bilderberg Group), die Teilnehmer dürfen die Informationen, die ihnen zugesteckt werden, verwenden. Doch sie müssen schwören, "weder die Identität noch die Zugehörigkeit des/der Referenten oder eines anderen Teilnehmers preiszugeben". 

Niemand ist dienstlich hier, sondern als "Einzelperson" (Bilderberg.org), denn das Ganze hat streng privaten Charakter. Durch diese Regelung verfügen alle zwar über eine offizielle Funktion, sie sind "aber  nicht an die Gepflogenheiten ihres Amtes oder vorab vereinbarte Positionen gebunden". Wie Teilnehmer früherer Jahre dürften sowohl Norbert Röttgen als auch Anton Hofreiter und Wolfgang Schmidt auf eigene Kosten angereist sein, um sich entspannt "die Zeit nehmen zu können, zuzuhören, nachzudenken und Erkenntnisse zu sammeln". Sie wissen, dass keine der üblichen Abschlussresolutionen geben wird, ja, nicht einmal Abstimmungen über das Schicksal der Menschheit oder wichtige Signale, die ausgesendet werden müssen.

Bescheidene Erfolge der Öffentlichkeitsarbeit

Die Früchte der Öffentlichkeitsarbeit der Entspannungskonferenz aber bleiben dennoch bescheiden. Während international wenigstens "Guardian" und CNBC über die Fortführung der großen Tradition nach den zwei ausgefallenen Treffen 2020 und 2021 informieren, beschränkt sich das deutsche Medienecho auf einen Bericht des Nerd-Portals "Futurezone". Alle verfügbaren Schreibkräfte der Leitmedien gingen der Sichtung eines Bären in einem Wald in Oberbayern nach. Auch über die grüne Idee, Babys zur Geburt Windräder zu schenken, musste die Bevölkerung informiert werden. Dann  war da noch die Wittelsbacher Traumhochzeit. Für die "Top-Elite der Welt" (CNBC) war nirgendwo Platz.

Sonntag, 21. Mai 2023

Cafè Habeck: Frischer Fall von Cancel Culture

Ehe noch neue Gerüchte aufkommen: Das Cafè Habeck's auf Rügen benennt sich um.

Lange galt der Name als Glücksfall, eine zufällig ererbte Gnade, die den Betreibern zusätzliche Gäste in Scharen bescherte, die bei Kaffee und Kuchen neugierig darauf warteten, dass der vermeintliche Eigentümer nach den Rechten schauen kam. Nun aber will die Betreiberin des Café Habeck’s in Göhren auf Deutschlands Sonneninsel Rügen nicht mehr vom bekannten Namen des derzeit noch amtierenden Klimawirtschaftsministers profitieren: Nachdem der frühere Grünen-Vorsitzende wegen seiner konsequenten Politik im Dienst der deutschen Klimaziele bei Teilen der Bevölkerung in Ungnade gefallen ist, will Cafèhausbetreiberin Vanessa Wellbrock einen Schlussstrich unter die bisher für beide Seiten nutzbringende Partnerschaft ziehen. Schon ab Anfang Juni soll das Habeck's nur noch "Wellbrock's" heißen.

Ein neuer Fall von Cancel Culture

Es ist ein erneuter krasser Fall von sogenannter Cancel Culture, der Deutschlands zunehmende Empfindlichkeit gegenüber anderen Lebensentwürfen und politischen Vorstellungen belegt, die von denen der Mehrheitsgesellschaft abweichen. Nur weil der Klimaminister in den zurückliegenden Wochen einem Bombardement aus der rechten Richtung ausgesetzt war, verstärkt von Medien, die als willige Helfer einer Oppositionskampagne, die nach Menschenopfern verlangte, reagiert die Anbieterin brauner Brühe mit einer Streichung des Mannes, der Deutschland so gut durch den Winter gebracht hat.

Begründet wird die Entscheidung allerdings nicht mit der nach Medienberichten im BMWK grassierenden Vetternwirtschaft und auch nicht mit Habecks schon länger vorliegenden Vorschlag zu neuen Bundesferienregeln für Bäcker und Konditoren. Sondern ausgerechnet mit starken Einsatz des 53-Jährigen zur Sicherung der Versorgung Deutschlands mit klimaschädlichen fossilen Brennstoffen: Die bisherige Cafè-Habeck's-Betreiberin will mit der demonstrativen Namensänderung gegen den Bau des wichtigen LNG-Terminals vor der Küste protestieren, über das in den kommenden Jahrzehnten amerikanisches Fracking-Gas aus Katar nach Deutschland strömen soll. 

Herz der Energiepartnerschaft

Die Anlage gilt als Herzstück einer "Energiepartnerschaft" (DPA) zwischen der islamischen Monarchie am Golf und der energiehungrigen deutschen Doppelstandarddemokratie, seit seinem Kniefall vor Katars absolutistisch herrschenden Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani wird Robert Habeck als Vater der geplanten ökologischen Wende weg von Russland und hin zu verflüssigten "Fossilen" (Ricarda Lang) aus den US-Schiefergasgebieten verehrt. Das Habeck's gleich in der Nähe einer von den steigenden Wasserspiegeln der Weltmeere akut bedrohten Uferpromenade an der Küste Mecklenburg-Vorpommer galt vielen Besucherinnen und Besuchern seitdem auch als Anlaufstelle, um Danke zu sagen.

Rücksicht aus Urlauber aus Sachsen

Damit ist es nun bald vorbei. Die kommende Saison will das Traditionscafè offenbar aus Rücksicht auf die zahlreichen Urlauber, die aus den Zweiflergebieten im Osten der Republik an die Ostseeküste kommen, ohne die Hilfe des prominenten Namens absolvieren - demonstrativ auf die Umweltkarte setzend und alle aktuellen Entscheidungen des Ministers strikt ignorierend. Ausgespielt wird die Angstkarte: Angeblich soll durch die Umbenennung "die Natur erhalten" bleiben, von der die Insel Rügen mehr schlecht als recht lebt.  

Glück für Deutschland, dass Robert Habeck nicht erpressbar ist: Am Ende müsse er "für Deutschland handeln, und die Versorgungssicherheit muss gewährleistet werden", hat er schon vor der Bekanntgabe der Umbenennung keinen Hehl aus seinen Absichten gemacht, am Bau des Flüssiggas-Terminals im früheren Industriehafen Mukran festzuhalten. Die beiden Spezialschiffe das verflüssigte Erdgas rückvergasen sollen, sind bereits bestellt. Auch die Planungen für die Verlegung einer 50 Kilometer langen Pipeline nach Lubmin laufen.