Sonntag, 9. Oktober 2011

Fremde Federn: Tod auf Vorrat

"Mama mag kein Risiko" überschreibt Cora Stephan bei Achgut einen Text über den Seelenzustand der Deutschen, um den es nicht zum besten steht. Auch mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Ende des letzten Weltkrieges klafft eine Lücke zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung, glaubt Stephan. "Während alle Welt behauptet, das Land sei so reich und so mächtig, dass man Angst vor ihm und seinem unbändigen Drang nach Größe haben müsse", schrumpf der Titan in seiner eigenen Sicht "auf Erdmännchengröße".

Das erkenne jeder, der einmal gezwungen sei, länger als ein paar Minuten Radio zu hören. "Nach vier Stunden sanfter Moderation zwischen Oberhessen und Berlin weiß man, dass alle Welt keine Ahnung von uns hat", beschreibt Stephan ihre eigene Hörerfahrung: "Deutschland ist nicht mächtig und nicht Titan und schon gar nicht gefährlich – Deutschland ist Mamaland. Bevölkert von Mamasöhnchen und von Frauen, die möglichst schnell zu Mama mutieren möchten.

Mama sei nichts Böses. Mama passe nur auf. "Nach der Erdbebenkatastrophe in Japan, die hierzulande „Atomkatastrophe“ hieß, fragten sich Tausende gehobener Schreibtischinhaber, ob der Verzehr ihres geliebten Sushis zu Mittag noch zuträglich sei. Mama riet ab von rohem Fisch, da man ja nicht wisse, ob der im atomar verseuchten Gewässer von Fukushima schon vorgegart wurde. So wie sie vor Salatgurken aus Spanien warnte, von denen man auch nichts Genaues weiß. Man sollte Mama nicht unterschätzen: sie kann ganze Volkswirtschaften niedermachen, wenn es um ihre Lieben geht. Um deren Sicherheit und die Gesundheit, das wichtigste von allem. Denn Freiheit und Risiko hatten wir. Und was hat es uns und der Welt gebracht? Eben."

Die Armut wächst, das Risiko steigt, der Tod ist ein Meister aus Deutschland, der sich daheim am liebsten gütlich hält. Zujm Glück aber kümmert sich der Staat über sein gebührenfinanziertes Radio um die Sorgen und Nöte seiner Menschen. "Wer dem Öffentlich-Rechtlichen mit Bildungsauftrag und reger Hörerbeteiligung eine Weile zugehört hat, könnte auf die Idee kommen, seine Landsleute gingen alle mit dem Schnuller ins Bett – nicht ohne sich zuvor vergewissert zu haben, dass der Honig, der ihn schmackhaft macht, nicht durch irgendeine unwissend an gentechnischem Pollen naschende Biene verseucht ist. „Gentechnisch verändert“ rangiert hierzulande direkt hinter „atomar verseucht“ und löst Urängste aus." Spaß, Spiel, Risiko seien in Mamaland verpönt. Lieber rechne man sich frühzeitig die Rente aus, die ja sicher ist, und die man möglichst fit und entspannt antreten will, weshalb man sich nicht zuviel vornehmen sollte im Leben, oder?

Wohlstand macht gemütlich, Errungenschaften schaffen Angst. Sarrazin, findet Cora Stephan, hat dich recht: "Ja, Deutschland schafft sich ab. Da muss man gar nicht an die Geburtenrate denken. Ein Land, in dem „Risiko“ zum Inbegriff des Schreckens geworden ist, verdient nichts anderes."

Den ganzen Text gibt es hier.
Ein Lob von Calimero hier

1 Kommentar:

eulenfurz hat gesagt…

"Deutschland ist Mamaland."?

Ob Mamaland der treffende Ausdruck ist?

"1950 wurden auf dem früheren Bundesgebiet noch 16 Geburten je 1000 Einwohner gezählt. Das entspreche den aktuellen Verhältnissen in Brasilien. Heute kommen in Deutschland nur noch 8 Geburten auf 1000 Einwohner. Damit liegt die Bundesrepublik auch hinter den USA (14 Kinder/1000 Einwohner), Frankreich (13 Kinder), Großbritannien (12 Kinder) sowie Japan und Italien (9 Kinder)."

In der Single-Gesellschaft breitet sich nicht die Vermuttirung aus, sondern die Prämissen verhinderter Mamas und Papas verschieben sich: Statt Kindern werden Rentner gewindelt, dem geliebten Hündchen kocht man/frau Babybrei und für von knallbunten Werbeplakaten mit traurigen Kulleraugen bettelnden Negerkindern wird ein Taschengeld gespendet.

Im Großen und Ganzen ist die heutige Gesellschaft eine Ansammlung von Impotenzlingen und Kastraten. So äußert sie sich auch in ihrem kulturellen Erscheinungsbild.