Mittwoch, 2. Januar 2013

PPQ-Atriumtalk: Um den heißen Brei

Einmal mehr war Weihnachten, einmal mehr versammelte PPQ bei Glühwein und Gebäck mit drei Experten aus fünf Ländern zum traditionellen Atriumgespräch um den heißen Brei des Vorjahres. Diesmal geht es um das Thema Religion, um die anstehenden Dreharbeiten zum großen „Mohammed“-Film, ein Bilderverbot auf Bahnhöfen und die Frage, ob der Prophet sich den Protesten gegen den Bau neuer Moscheen in Istanbul anschließen würde. Mit Herrnfried Hegenzecht vom Bundesblogampelamt, der sächsischen Populärmechanikerin Cora Sagan und dem dual-religiös orientierten ökumenischen Religionswissenschaftler Fritz Bendit aus Wedemark bei Hannover saß eine hochkarätige Runde zusammen. Es moderierten Ronny Kustenberg und Michael Fischä, die Regie führte Siegfried Heintz.

Fischä: Ein unsichtbarer Mohammed im Wert von einer Milliarde im Anflug auf unsere Kinos, und diese Meldung kommt direkt vor Weihnachten. Was glauben Sie, Herr Bendit, ist das ein Zufall?

Bendit: Das würde ich fast ausschließen. Erklärtermaßen soll das Monumentalwerk das falsche Bild korrigieren, das westliche Gesellschaften vom Islam haben. Da passt es, dass wir zu Weihnachten damit konfrontiert werden.

Sagan: Wobei ich darin keinen direkten Angriff auf christliche Werte sehe, da Mohammed ja in "seinem Wirkungsraum" gezeigt wird und dabei unsichtbar bleibt.

Heintz: Also nicht gezeigt wird.

Bendit: Nicht gezeigt werden kann.

Kustenberg: Weil das sonst zu den üblichen Protesten führen würde.

Bendit: Das ist sicherlich richtig. Da die arabische Welt traditionell über keine sehr große Filmwirtschaft verfügt, stand bisher nie die Frage, wie man damit umgeht, wenn die Beleidigung, und Film ist immer Beleidigung, aus dem eigenen Kulturraum kommt.

Fischä: Und?

Bendit: Ich weiß es nicht, ich glaube aber, es weiß niemand.

Heintz: Ich fürchte fast, wir haben es hier mit einem…

Sagan: Ich bin viel optimistischer.

Kustenberg: Woher kommt diese Empfindlichkeit?

Fischä: Könnte es die Sonne sein? Ich meine, die Einstrahlung ist ja immens in diesem lebensfeindlichen Umfeld.

Sagan: Das ist eine krude These. Das würde ich ausschließen. So darf man nicht reden.

Kustenberg: Woher kommt nur diese Empfindlichkeit?

Bendit:  Das Interkulturelle kommt mir einfach zu kurz. Wir leben in einer sich verändernden Welt, da gehört das Klima dazu, aber auch die Migration. Die große Frage ist doch, warum müssen wir gegen das eine kämpfen und das andere begrüßen?

Fischä: Jetzt verrennen Sie sich aber.

Heintz: Ein wahres Wort. Wenn ich auf das Jahr zurückschaue, sehe ich mehrere Phasen der Realitätsverweigerung, und das in allen Bereichen. Am Ende haben wir nichts als ein Ergebnis, das uns zu einem neuen Glauben hinführt: Es gibt Werte, die ewig sind und deshalb unter allen Umständen verteidigt werden müssen. Und es gibt Dinge, die gar nicht gehen und deshalb abzulehnen sind.

Sagan: Da folge ich Ihnen, wobei mir aufgefallen ist, dass die Einteilung rein objektiv gesehen etwa diametral entgegengesetzt zu der erfolgt, die vor Beginn galt von dem, ja, ich will es mal "unsere Zeitrechnung" nennen.

Kustenberg: Ein interessanter Aspekt. Wie begründet sich das?

Bendit: Das ist eine interessante Frage.

Sagan: Auf die Ihnen niemand eine Antwort geben wird.

Heintz: Ich bin sicher, es gibt gar keine.

Fischä: Welche Rolle spielt der Euro dabei? Und welche Auswirkungen hat die Wahl in den USA gehabt?

Sagan: Das war deutlich zu sehen. So lange sie nicht gewesen ist, bestimmte sie doch die Schlagzeilen, hierzulande fast noch mehr als dort, wo gewählt wurde.

Bendit: Und man muss sagen, dass es dann auch sofort vorüber war.

Fischä: Wir hatten ein Ergebnis...

Bendit: Wir hatten ein Ergebnis, sogar unser Wunschergebnis. Alles konnte weitergehen wie gehabt. Man muss ja sagen, weniger als in den vergangenen vier Jahren haben sich die USA und Deutschland nie miteinander beschäftigt.

Heintz: Man beschäftigt sich immer mehr mit Widersprüchen.

Sagan: Es gibt ja aber kein Einverständnis, keine gemeinsamen Ansichten.

Kustenberg: Nur wird darüber nicht geredet.

Heintz: Exakt. Obama ist in den USA ein Politiker, dessen Ansichten irgendwo zwischen CSU und FDP changieren. In Deutschland gilt derselbe Mann erstaunlicherweise als linker Sozialdemokrat, eine Art stattlicherer Gysi mit besserer Herkunft, schick multikulturellerer.

Kustenberg: Wie kommt es dazu?

Sagan: Wie kommt es denn dazu, dass ein Fallschirmsprung aus dem Weltall mehr Aufmerksamkeit absorbieren kann als alle Eurorettungsmassnahmen zusammen? Wie kommt es, dass die Deutschen in einem Jahr, in dem sie mehr Steuern gezahlt haben als je zuvor, fast schon darum betteln, noch höher besteuert zu werden?

Heintz: Medienkunst.

Sagan: Eher mediale Instinkte.

Bendit: Rückkopplungen aus der Gesellschaft in die Medien zur Politik und wieder in die Gesellschaft.

Sagan: Regelkreise, klassische Regelkreise.

Bendit: Aber was wird denn geregelt? Wir befinden uns doch gesellschaftlich in einer Phase der Stagnation. es gibt zwar noch ein Woher, aber kein Wohin mehr.

Kustenberg: Gut gesprochen. Wo bleiben denn die Visionen? Die einzigen, an die ich mich erinnern kann, sind die vom Untergang der Welt.

Heintz: Korrekt. Es reicht nur noch zu Visionssimulationen wie der von der "Gerechtigkeit", die derzeit als Diskussionsthema für das kommende Jahr implementiert wird. Das ist natürlich unheimlich dünn in einer Gesellschaft, die Ungerechtigkeit empfindet, wenn der eine sich einen 65-Zoll-Fernseher leisten kann, der andere aber nur einen mit 25 Zoll.

Fischä: Ohne 3D.

Heintz: Korrekt. Die Mühe liegt darin, aus der Müdigkeit des gesamten gesellschaftlichen Organismus noch eine Show zu destillieren, die den Schein wahrt.

Sagan: Dabei landet man dann bei Kandidatenkür-Parteitagen, die an sowjetische Glanzzeiten erinnern.

Bendit: Niemand riskiert gern Widerspruch, denn wo erst Fragen gestellt werden, besteht Bedarf nach Antworten.

Fischä: Ist die Kanzlerin deshalb so beliebt?

Sagan: Dass sie beliebt ist, glaube ich ja nicht.

Heintz: Bequem, ich würde es bequem nennen. Sie stört niemanden, sie scheint ihren Job zu machen. Wie ein Hausmeister.

Kustenberg: Wird sie wiedergewählt?

Heintz: Davon würde ich derzeit ausgehen. Die SPD hat Steinbrück ja nicht aufgestellt, um ins Kanzleramt einzuziehen. Auch diese Partei wüsste doch gar nicht, was sie dort soll.

Sagan: Jetzt übertreiben Sie aber.

Heintz: Mit Verlaub, ich habe nichts von irgendwelchen Plänen gehört, abgesehen vom üblichen Steuern hoch, mehr Betreuung für alle, ein paar Verbote, strengere Regeln.

 Fischä: Das scheint doch aber der Weg zu sein, den die Menschen gehen wollen.

Bendit: Wir müssen uns das wohl als späte Reaktion auf 68 vorstellen. Was damals als Kopfsprung in die persönliche Freiheit begann, endet jetzt mit Rückzug in den Mutterleib staatlicher Bevormundung.

Heintz: Die sich als neue Art der Freiheit tarnt, bei der die Freiheit der Andersdenkenden keine Rolle mehr spielt, weil eine demokratische Mehrheit sie für obsolet erklärt.

Sagan: Das kann man so sagen.

Kustenberg: Aber wo führt uns das hin? Vielleicht in der Schlussrunde von ihnen allen eine Prognose für die kommenden zwölf Monate?

Bendit: Mehr vom Selben, immer mehr. Es wird einem so viel werden, dass der Brechreiz permanent sein wird. Die Gegenbewegung spürt nur der, der das Ohr auf der Schiene liegen hat. Da grummelt es, aber sehr lautlos, das ist mein Eindruck. Um konkret zu werden; Ja, Bayern wird wieder Meister, ja, der ADAC-Tunneltest bleibt nicht aus, die Blume des Jahres wird das blaue Leberblümchen und natürlich wird das schon Mitte Januar niemand mehr wissen. Europa wird überleben, das ist sicher positiv, der Euro bleibt stark und der Friedensnobelpreis geht diesmal an die Nato. Das wärs eigentlich.

Sadan: Nato? Glaube ich nicht. Ich denke, diesmal ist Südamerika dran, die gehen seit 1992 leer aus. Bayern Meister, da gehe ich mit, politisch wird es genauso lausig. Der Merkel gegen die Merkel, der Herausforderer ist auch noch älter. Ein Aufbruch, als würde Erich Honecker  Egon Krenz ablösen. Für Polit-Gourmets sicher ganz interessant, aber für die breite Masse. Ich habe Zweifel. Nur ein ist sicher: Ich rechne mit dem ADAC-Raststättentest vor Beginn der Sommerferien.

Heintz: Da bin ich ganz bei Ihnen. Auch sonst will ich nicht weiter drumherumreden. Al Kaida bleibt tot, es gibt keine WM, keine EM, nur Skispringen, aber da versteht ja niemand mehr die Regeln. Biathlon steht vor dem Verbot, denn Waffen als Spielzeuge, das wird die EU nicht mehr lange mit sich machen lassen. Mit dem Nobelpreis lege ich mich nicht fest, aber Südamerika klingt gut. Vielleicht Chavez? Man hört ja, es geht ihm nicht so gut, da wäre es... unter Umständen bekommt er ihn mit Fidel Castro zusammen. Der wäre schon lange dran gewesen, denn er war es doch, der den 3. Weltkrieg damals verhindert hat. Die Bundestagswahl könnte spannend werden, falls etwas völlig Überraschendes passiert. Aber sonst? Ich weiß nicht. Das ist eine Frage der Zeit. Und die haben wir nicht.

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