Freitag, 17. Mai 2013

Ende einer Ära: Horvat, ein Torwart


Nach dem Abschied vom Maskottchen-Hund, der sich für einen Biber hielt und eines Tages einfach nicht mehr da war, ist es der zweite Abgang einer Institution, ohne die der sportliche und wirtschaftliche Aufschwung des Halleschen FC in den letzten zehn Jahren nicht denkbar gewesen wäre. HFC-Torhüter Darko Horvat, genannt "Horvat, unser Torwart", steht vor seinem letzten Spiel im Dress des HFC. Die Partie gegen den 1. FC Saarbrücken, sportlich glücklicherweise bedeutungslos, wird für den Kroaten der letzte Einsatz für Chemie. Am Tag danach wird Horvat 40. Und noch einen Tag später ist er fort.

Mit dem sympathischen und außerhalb des Platzes stets leisen Ex-Dresdner geht ein ganz Großer der Klubgeschichte. Als er im Juli 2007 nach Halle kam, deutete nichts darauf hin, dass Horvat hallesche Fußballgeschichte schreiben würde. Die Fans des HFC, damals noch ein sehr überschaubarer Haufen sportlich Unbelehrbarer, hatten zwei Jahre zuvor in dem Bayern Matthias Küfner eigentlich schon seinen Liebling als Nachfolger von Maik Völkner gefunden, der während der langen, dunklen Jahre in der 5. Liga das Tor der Hallenser gehütet hatte.

Küfner, seinerzeit 23-jährig, galt als Mann für die Zukunft, ein ruhiger, manchmal gehemmt wirkender Typ, der sportlich überzeugte, nachdem sein Vorgänger Mirco Egert, der nie recht heimisch an der Saale geworden war, bei einem Autounfall tödlich verunglückte.

Dann aber verhob sich der bei Bayern München ausgebildete Küfner. Zu viel Liebe, zu viel Anerkennung, zu striktes Streben danach, sich all das in klingender Münze vergelten zu lassen. In der Sommerpause pokerte er zu hoch - und bekam zum Entsetzen der Fans keinen neuen Vertrag. Als Ersatz verpflichtete der HFC Darko Horvat, den eben erst von einem Kreuzbandriss genesenen Kroaten von Inter Zaprešić, bereits 34 Jahre alt und bei Dynamo aussortiert.

Was nach Notlösung roch, wurde zum Fußballmärchen mit einem Hauptdarsteller, der stets wie ein Gegenentwurf zum überselbstsicheren, überlauten und am Ende enttäuschenden Sturmtank Andis Shala wirkte. Horvat stand 200 Mal für die Rot-Weißen zwischen den Pfosten, er kassierte 168 Tore, und schoss selbst eins - 2009 in der 92. Minute zum Ausgleich im Spiel gegen Türkiyemspor Berlin.

Er hielt zudem zehn von 35 Elfmetern, blieb einmal rund anderthalb Jahre ohne Niederlage, feierte die längste Serie ohne Auswärtspleite, die es je im deutschen Fußball gab, stieg schließlich von der Südstaffel der Oberliga Nordost über die Regionalliga Nord bis in die 3. Liga auf, wo er nun auch noch den Klassenerhalt feiern konnte.

Horvat ist das Aushängeschild der erfolgreichsten HFC-Generation seit Ende der 80er Jahre, aus der heute noch Ex-Kapitän Nico Kanitz (188 Spiele), Abwehrlegende Jan Benes (160 Spiele) und Mittelfeldmann Marco Hartmann (117 Spiele) das rot-weiße Dress tragen. Mit Horvats Abgang, dem Karriereende von Kanitz und Hartmanns Wechsel nach Dresden endet so eine ganze Ära: Nur Jan Benes, seinerzeit eigentlich bloß als Zugabe zu Wunschstürmer Milan Janecek aus Sangerhausen geholt, wird in der kommenden Saison noch übrig sein aus dem Kader, mit dem der Wandel des tief gestürzten, außerhalb des eigenen Fanlagers verhassten und von den Medien geschnittenen ehemaligen DDR-Oberligisten zum Lieblingsklub der mitteldeutschen Polit-Hautevolee, der linkischen Volkstribune, des Mittelstandes und des Mitteldeutschen Rundfunks begann.

Der Abschied von Kanitz, Hartmann, Horvat und womöglich auch Benes ist der Abschied von der Generation Aufstieg, von der goldenen Generation, die den Pokal mehrfach nach Halle holte, schon als in Magdeburg noch jemand glaubte, ein Abonnement darauf zu haben, und die die Zuschauerzahlen verzehnfachte.

Horvat, von sprachspielerisch veranlagten Anhängern wegen des saubereren Reim auf "Torwart" bis heute "Horvart" genannt, hätte weitermachen können. Er sei "immer noch in Top-Form", hatte HFC-Manager Ralph Kühne zuletzt erklärt. Doch das "immer noch" sagt alles - und 200 Spiele sind auch genug. Horvat geht zurück nach Kroatien. Was in Erinnerung bleibt, ist nicht einmal der Mann, der auf dem Platz so herausragend war, nicht einmal der Elfmetertöter und leidenschaftlich dirigierende Schlußmann, nicht der Mann, der im Moment des größten Triumphes nicht in die Fankurve stürmte, sondern zu seiner Frau auf die Tribüne..

Was vor allem bleibt, ist eine winzige, stille Szene vom Tag des Aufstiegs in die Regionalliga im Jahr 2009. Eben hatte die Hirnlos-Fraktion aus der Fankurve den Triumph gefeiert, indem sie das eigene Stadion zerlegt hatte. Nun tobten draußen vor dem alten Kurt-Wabbel-Stadion Fans und Mitspieler im bemühten Siegesrausch, um den Schock des Geschehenen möglichst schnell zu vergessen. Drinnen spielte Darko Horvat mit ein paar Kindern Fußball.



Abschieds-Fotogalerie
Sonderseite beim MDR

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Biber? Hunde? Biberhunde? Fußball?
Im (noch lebendigen) Geiste M. Reich-Ranickis: Wenn eine Geschichte gut geschrieben ist, ist es egal, um was es geht.

ppq hat gesagt…

biberhund

Anonym hat gesagt…

Was kümmert das die sprichwörtliche deutsche Eiche ?

Teja hat gesagt…

Extremst sympathisch rüberkommender Mensch bzw. schön geschriebene Laudatio.

Volker hat gesagt…

Da hat er ja mal Pech gehabt, wenn er jetzt aussteigt. Sonst könnte er nämlich in der nächsten Saison Dynamo Dresden aus nächster Nähe beobachten.