Donnerstag, 16. April 2015

Pokal: Langer Vorspann, kurzer Krimi

Der erste Sommertag in Magdeburg, die dicken Damen im Fanblock der Blau-Weißen zeigen Wade, die Sonne und der Rauch der ersten Bengalos hüllen das Spielfeld in Nebel. Ein Fußballfest ist das wie stets, wenn der Hallesche FC und der FC Magdeburg aufeinander treffen. Diesmal aber legt sich die erste Aufregung schnell, denn Fußball wird heute nur in Maßen gespielt werden. Es sind zwei Mannschaften auf Augenhöhe, die da um den Pokalsieg streiten, den der bekommen wird, der ins Finale gegen den unterklassigen VfL Halle einzieht.

Alle Spannung muss sich an diesem Abend entladen, wenn die Größten der Welt gegen die Guten aus der Saalestadt antreten, die vierte Liga gegen die dritte, der seit 1974 im Größenwahn gefangene Provinzverein gegen den bodenständigen ewigen Mittelständler mit Eichhörnchen-Ambitionen. Eines Tages, irgendwann, das ist das Motto der Rot-Weißen. Und bis dahin genießen wir es.

Der Gast aus Halle kann hier nur verlieren, denn der als "Bauernklub" geschmähte Verein aus der kleinen Landeshauptstadt wird immer behaupten, er habe eigentlich gewonnen, das macht es schwieriger als früher, hier zu siegen. Der Block U, in dem die dicken weißen Waden mit den blauen Schals bierselig Platz genommen haben, schreit sich die Kehle aus dem Hals, elektrisch unterstützt. Die rot-weißen Fans gegenüber stehen zusammengedrängt, als wäre das Stadion voll, und sehen ihre Mannschaft nach der Anfangsoffensive der Gastgeber langsam die Oberhand gewinnen.

Halle hat die bessere Spielanlage, Magdeburg hat die lauteren Fans. Es gibt ein paar Halbchancen hüben wie drüben, ein paar kleine Aufreger bei vermeintlichen Handspielen, Schwalben, bösen Fouls. Nichts, was in die Derbygeschichte eingehen wird. Und schon ist Halbzeit.

Der FCM will früh zu Hause sein, um noch Bayern zu gucken, nach zehn Minuten sind sie schon wieder da. Christian Beck, ehemals Hallenser, nun Magdeburgs Bester, fordert stets zwei Mann zu Duell. Aber die HFC-Abwehr steht und Kapitän Tim Kruse, der schwach begonnen hat, zieht das Spiel an sich. Während Andy Gogia, der scheidende große Hoffnungsträger, einen gebrauchten Tag erwischt hat, wird der ehemalige Saarbrücker zum Dreh- und Angelpunkt des HFC-Spiels. Wie die Blau-Weißen wirft er sich in jeden Zweikampf, als wäre sein letzter. Kruse atmet, spurtet und köpft Pokal. Neben ihm wird Florian Brügmann, vom Stadionsprecher als "Brüggemann" angekündigt, immer besser. Und als Trainer Sven Köhler den siechen Gogia herausnimmt und Osayamen Osawe bringt, ist plötzlich sogar noch ein dritter Roter da, der den Gastgebern richtig Angst macht.

Es reicht aber nicht. Weil Timo Furuholm bei drei Gelegenheiten versagt und auch Banovics Fernschuß kläglich vor FCM-Keeper Glinker verendet, zieht sich das Spiel immer weiter. Wer das erste Tor macht, geht als Sieger nach Haus, das wissen alle da unten. Spielerisch ist Halle nun besser, aber deutlich überlegen sind die Männer von Trainer Sven Köhler deshalb nicht. Magdeburg bleibt gefährlich, sogar in der Verlängerung, die dem Spielverlauf bis dahin gerecht wird: Nicolas Hebisch trifft kurz vor dem Seitenwechsel die Latte, ein HFC-Abwehrspieler köpft den Abpraller danach Richtung eigenes Tor und hat Glück, dass Torwart Niklas Lomb schon wieder auf den Beinen ist und ihn fangen kann.

Die Fankurve des HFC wird immer lauter, die der Magdeburger zeigt erste Erschöpfungserscheinungen. Alle Hoffnungen aller richten sich auf das anstehende Elfmeterschießen. Und auch das spiegelt noch einmal das ganze Spiel: Glinker fängt den Schuss von Marco Engelhardt, fast. Lomb hält den von René Lange, beinahe.

Weil Nico Hammann für den FCM zuvor nur den Pfosten getroffen hat, Florian Brügmann aber verwandelt, nützt auch der Treffer des früheren Hallensers Christoph Siefkes nichts, wenn Selim Aydemir seinen Ball reinmacht. Er tut es und auf der Anzeigetafel steht ein 3:5. Aydemir, Gewinner der Wintervorbereitung und dennoch spät von der Ersatzbank gekommen, ist der Matchwinner.

Aus, vorbei, erledigt. Langer Vorspann, kurzer Krimi, Auflösung in nicht einmal sieben Minuten. Magdeburger sind die Engländer Sachsen-Anhalts. Sie können keine Elfmeter. Die HFC-Kurve ist jetzt viel, viel lauter als die der Magdeburger Fans, die es eilig haben, nach Hause zu kommen. Während die halleschen Fans ihre Mannschaft feiern und die Spieler in Rot vor der Tribüne tanzen, spielt die Magdeburger Stadionregie nun ein Lied, das offenbar eine Art FCM-Hymne ist.

Zum guten Schluss ist damit auch noch der Beweis erbracht: Man kann verlieren. Man kann das in Würde tun und danach erhobenen Hauptes nach Hause gehen.

Aber ja, wenn man sich richtig bemüht, geht es auch anders.

4 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

"Der erste Sommertag in Magdeburg, die dicken Damen im Fanblock der Blau-Weißen zeigen Wade, die Sonne und der Rauch der ersten Bengalos hüllen das Spielfeld in Nebel."

Ein schöner erster Satz ... Grimme-Preis-verdächtig ... und fast wie beim grassen Günther ...

ppq hat gesagt…

ich nehme das als gustaf-preis. der ist ein bisschen mehr wert

derherold hat gesagt…

...als wäre das Stadion voll...

Die Zuschauerzahlen waren ja nicht schlecht.

Und dann gegen den VfL Halle 96. :-)

Anonym hat gesagt…

Zum Kampf der Waden und Gesänge...
- Halbgott in Weiß -
(Schiller- aber nicht Fußball-Fan) ---
P.S. Das Leben ist der Güter höchstes nicht...
Oder: ... und drei mit gewaltigen Streichen, erlegt er, die andern entweichen...
- Halten zu Gnaden -