Mittwoch, 13. Februar 2008

Wolle gefährdet Verfassung

Vernichtender Schlag im „Kampf gegen rechts“ (Innenminister Hövelmann): Ein „in der rechten Szene beliebter“ (dpa) Klamottenladen im Magdeburger Hundertwasser-Haus muss nach einer Entscheidung des Magdeburger Landgerichts geräumt werden. Die fünfte Zivilkammer des Gerichts hatte in einer mutigen Entscheidung der Räumungsklage des Vermieters Gero AG stattgegeben, die vorgebracht hatte, „vom Betreiber des Ladens über dessen Warenangebot getäuscht worden“ zu sein. Der Betreiber hatte vor Abschluß des Mietvertrages behauptet, Outdoor-Kleidung verkaufen zu wollen und das auch getan.

Die aber stammt von der Brandenburger Modemarke «Thor Steinar», die als Lieblingspullovermarke von Rechtsradikalen seit mehreren Jahren energisch bekämpft wird. Nach ersten Protesten war das Logo der Marke bereits 2002 als verfassungsfeindlich verboten, später aber wieder zugelassen worden, als sich die Auffassung durchsetzte, dass Wolle allein wenig geeignet ist, die demokratische Grundordnung zu vernichten. Einen Tag vor der Entscheidung der Magdeburger Zivilrichter hatte dann auch das Oberlandesgericht in Dresden entschieden, das umstrittene alte Logo von Thor Steinar biete keinen Anlass für ein Verbot oder eine strafrechtliche Verfolgung.

Dem Magdeburger Verkäufer war dennoch bereits am Tag der Filialeröffnung Ende Juli 2007 fristlos gekündigt worden. Die Gero AG, "die Muttergesellschaft des katholischen Siedlungswerks St. Gertrud" (dpa), reagierte damit auf Protestdemonstrationen, an denen Innenminister Holger Hövelmann und Justizministerin Angela Kolb (beide SPD) engagiert teilnahmen, und kritische Medienberichte, die das Tragen von Thor Steinar-Jacken durch strohdumme Fußball-Skinheads als eine Art Vorabend der erneuten Machtergreifung faschistischer Horden hatten erscheinen lassen.

Der Mieter pocht jedoch auf die Einhaltung seines Dreijahresvertrags und berief sich darauf, dass die von ihm angebotene Ware nach geltendem Recht ohne Einschränkung frei handelbar ist, er also gar nicht verpflichtet gewesen sei, seinem Vermieter mitzuteilen, was er im Einzelnen anzubieten gedenke.

Noch vor zwei Wochen hatte das Magdeburger Gericht den Eindruck gemacht, es wolle sich dieser Rechtsauffassung anschließen. Bereits ein Gerichtsbeschluss "zur Vorbereitung der Parteien" vom 22. Oktober 2007 verwies auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg aus dem Jahr 2005: "Das ehemalige Markenlogo der Marke ´Thor Steinar´ erfüllt nicht den Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen", hieß es dort.

Dann wurde die Urteilsverkündung, ursprünglich für den 30. Januar anberaumt, verschoben. Und nun folgt die Kehrtwendung - einen Tag nach dem völlig gegenläufigen Urteil von Dresden, nach dem es sich bei Thor Steinar um eine allenfalls moralisch anrüchige Marke handelt. Sachsen-Anhalts bei der NVA ausgebildeter Innenminister Holger Hövelmann freute sich über den gewagten Urteilsspruch, und kündigte an, das seine Beamten das Tragen von Thor Steinar-Kleidung mit altem Logo weiter verfolgen werden.

Hövelmann, durch gefälschte Statistiken ins Zwielicht geraten, nimmt damit eine Ankündigung zurück, die Klaus Tewes von der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr gemacht hatte. Damals hieß es, man klage „das alte Logo an, weil ein hinreichender Tatverdacht in Bezug auf das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen besteht." Das Zeichen würde sich an Symbole verbotener Organisationen stark anlehnen und könnte somit verwechselt werden. An dieser Sichtweise werde man festhalten, bis das Urteil des Oberlandesgericht Dresden vorliege. "Sollten die Sachsen zu einem anderen Urteil kommen als Sachsen-Anhalt, lassen wir auch die Hände davon", meinte der Staatsanwalt, der jetzt wird eifrig zurückrudern müssen, will er Holger Hövelmann nicht in Erklärungsnöte bringen: Was in Sachsen erlaubt ist, bleibt in Sachsen-Anhalt strafbar, was in Brandenburg wie eine Jacke aussieht, wird in Sachsen-Anhalt zur Straftat – Verfassungswirklichkeit in Deutschland anno 2008.

9 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Wieder treffend beschrieben.
Bei irgendwie politischen Prozesen scheinen die Gesetze erst ab der 2.Instanz zu gelten.
Beim OLG kann sich der Richter eine gewisse Unabhängigkeit leisten. Er hat in den meisten Fällen sein Karriereziel erreicht,da die Stellenzahl an den Bundesgerichten eh begrenzt ist.

ppq hat gesagt…

danach sieht es hier aus

Anonym hat gesagt…

Das ändert aber alle Nichts an der Tatsache , dass Thor Steinar eine rechstextreme Eigenmarke ist.
Es ist eben wie bei vielen anderen Marken nicht nur die Beliebtheit, sondern die Verflechtung, die es hier ausmacht. Nicht die Wolle gefährdet, sondern der Markeninhaber und Produzent.

ppq hat gesagt…

dasselbe hast du vor drei jahren sicher von londsdale gesagt und die marke gibt es inzwischen beim kaufhof. müssen die jetzt zumachen? und real auch? was ist mit pittbull? fred perry? consdaple? und werden dunkle anzüge samt entsprechender herrenausstatter auch verboten, weil npd-funktionäre sich mit denen tarnen?

Unknown hat gesagt…

Bei Thor Steinar dürfte sich ein festangestellter Anwalt schon rechnen.
http://tinyurl.com/2afwww

Ist auch ne neue Chance für Abmahnanwälte. Die vielen Klamotten mit US-Flaggen...

ppq hat gesagt…

hey dietmar! danke fürn tipp - siehe text oben

Anonym hat gesagt…

Nein das habe ich nicht von Lonsdale gesagt und auch vor 15 Jahren schon Lonsdale getragen. Bis auf Consdaple können die von dir genannten Marken nichts dafür von wem sie getragen werden. Thor Steinar hingegen ist eine von Rechstextremisten für Rechstextremisten gegründete Marke. Das ist der gravierende Unterschied zu Lonsdale, Newbalance, Fred Perry, Pitbull, Alpha und was es noch so an beliebten Marken gibt.

Es kommt nicht auf den Träger einer Klamotte an, sondern auf den Produzenten und seine gewünschte Klientel.
Etwas genauere Recherche würde inhaltlich dann schon gut tun.

binladenhüter hat gesagt…

"Es kommt nicht auf den Träger einer Klamotte an, sondern auf den Produzenten und seine gewünschte Klientel" sehe ich aber nunmal nicht so. So wenig ich der Hersteller aussuchen kann, wer seine Sachen kauft, so wenig geht es irgendwen an, ob ein herstelle ein bestimmtes Publikum anvisiert. So lange die ware frei handelbar ist, es sich also nicht um Drogen, Plagiate oder andere illegale Dinge handelt, sehe ich nicht, wie der Rechtsstaat es auf rechtsstaatliche Weise verhindern kann, dass die betreffende Ware gehandelt wird. Ich wüsste auch nicht, welche Befugnis er haben sollte, sich in den Verkauf einzuschalten.

Anonym hat gesagt…

Dann können die Hersteller der Thor Steinar Mode es ja machen wie Lonsdale und schreiben "We love all colours" auf ihre Klamotten und waschen ihre Hände in Unschuld.

Antifakleidung is auch überall erlaubt und da wird nicht so gehetzt!!!