Dienstag, 23. Juni 2009

Fremde Federn: Nachgeholter Widerstand

Rituale dürfen nicht so genannt werden, denn sobald der Mythos zum Dogma erstarrt, ist er tot. Henryk M. Broder unterlässt es trotzdem nicht, die Dinge zu nennen, was sie sind - gerade eben in der Welt, die seine Rede "Das Undenkbare denken" nachdruckt. Wer bisher nicht wusste, was die "rechte Gefahr" in Deutschland ist und wozu die NPD gebraucht wird, darf es sich hier erklären lassen. Von einem Juden, falls jemandem das wichtig ist.

Lassen sie sich, schreibt Broder, "von den Berichten über die Umtriebe der NPD nicht täuschen. es droht keine zweite Machtergreifung, die NPD ist ein öffentlicher Störfaktor, aber politisch ist sie vollkommen irrelevant. Niemand will mit ihr etwas zu tun haben. Die Partei hat Mühe, eine Bank zu finden, bei der sie ein Konto eröffnen könnte: Zu sagen, die Nationaldemokraten seien politische Außenseiter, wäre schon eine Schmeichelei, sie sind Aliens auf einer Umlaufbahn, auf der sie ganz allein ihre Runden drehen. wobei sie gelegentlich abstürzen und verglühen. Wie kommt es, werden Sie nun fragen, dass so viel über die NPD geredet und geschrieben wird? Ich will Ihnen diese Frage gerne beantworten.

Sich gegen die NPD zu positionieren, ist der einfachste Weg, sich als Demokrat zu präsentieren. Es ist eine Form des nachgeholten Widerstandes gegen die NSDAP. Weil man damals versagt hat, will man heute nicht versagen. Unter dem Motto „Wehret den Anfängen“ treten Demokraten gegen einen Feind an, den sie erst mit der Lupe suchen müssen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Das bedeutet freilich nicht, dass es im wiedervereinigten Deutschland keinen Antisemitismus mehr geben würde. Natürlich gibt es ihn, so wie es ihn in jedem anderen europäischen Land gibt, in einem mehr, im anderen weniger."

9 Kommentare:

nwr hat gesagt…

Ich lese so etwas immer mit doppelter Brille und freue mich über den Duktus von 1939:

"...die Juden sind ein öffentlicher Störfaktor, aber politisch sind sie vollkommen irrelevant. Niemand will mit ihnen etwas zu tun haben. Die Hebräer haben Mühe, eine Bank zu finden, bei der sie ein Konto eröffnen könnten: Zu sagen, die Juden seien Außenseiter, wäre schon eine Schmeichelei, sie sind Aliens auf einer Umlaufbahn, auf der sie ganz allein ihre Runden drehen. wobei sie gelegentlich abstürzen und verglühen. Wie kommt es, werden Sie nun fragen, dass so viel über das Judentum geredet und geschrieben wird? Ich will Ihnen diese Frage gerne beantworten.

Sich gegen die Juden zu positionieren, ist der einfachste Weg, sich als Nationalsozialist zu präsentieren. Es ist eine Form des nachgeholten Widerstandes gegen die Republik der Novemberverbrecher. Weil man damals versagt hat, will man heute nicht versagen. Unter dem Motto „Wehret den Anfängen“ treten Nationalsozialisten gegen einen Feind an, den sie erst mit der Lupe suchen müssen. Mehr will ich dazu nicht sagen."

Von derartig süffisanten Tiraden distanziere ich mich politisch korrekt, sei ein Broder nun Welt-Kolumnist oder Sürmer-Schriftleiter.

ppq hat gesagt…

ja, das ist richtig. dem thorsteinarladen hier haben die aufrechten letzte woche die scheiben eingeschmissen. das geklirr hat aber sicher anders geklungen als damals, hoffen wir zumindest

nwr hat gesagt…

Natürlich hat das anders geklungen, so wie es beim Täter immer anders als beim Opfer scheppert, und so wie "Aufklärung und Demokratie" viel liebevoller klingt als "Menschenhaß und Tyrannei".

Ich meinte natürlich "Stürmer-Schriftleiter" - für die, welche rätseln, was ein "Sürmer" ist.

derherold hat gesagt…

Na ja, wir alle sind aber intelligent genug, um zu lesen, daß es Broder nicht um eine "Relativierung" der NPD-Gefahr geht, sondern um "die NPD ist ungefährlich, bekämpft lieber Kritik an Israel".

Von Broder wird nonchalant die Verbindung *Nazis - Antisemit - Israel-Kritiker - israel. Bürgerrechtler als 5. Kolonne* aufgemacht.

Auch die Aussage, es sei halt der leichteste Weg, sich als Demokrat zu zeigen, ist zwar ein neckisches Bonmot aber (gesellschafts-)polit. naiv. Der Aufstand der Anständigen zielte mit Sicherheit nicht auf psycholog. zu erklärenden "nachgeholten Widerstandskampf" - zumal die Protagonisten "bis gestern" gar nicht wußten, daß sie viel nachzuholen hatten.

seitmorgen hat gesagt…

neenee, allein die tatsache, dass die "anständigen" nicht wissen, dass es ihnen um nachholenden widerstand geht, macht broders these ja nicht unrichtiger.

eine gruppe braucht zur selbstdefinition immer ein gegenüber, dem möglichst zugeschrieben wird, was man sich selbst nicht zuschreiben lassen möchte. das reinigt die gemeinschaft und bindet sie gleichzeitig enger zusammen.

mit anderen worte: eine gesellschaft ohne feindbild wäre womöglich sehr tolerant, aber keine gesellschaft mehr. eine gesellschaft mit einer npd als feindbild hingegen ist nahe am optimum des zivilisatorischen: der feind ist klein, und deshalb beherrschbar, er ist völlig ungefährlich, aber jederzeit klar auszumachen

VolkerStramm hat gesagt…

Ich weiß zwar nicht was Du uns mit Deinem Posting sagen willst, nwr, antworte trotzdem.

Den Juden in Deutschland wäre 1939 ein Stein vom Herzen gefallen, wenn Streicher im Stürmer die als zwar unsympathische, aber nicht weiter zu beachtende Minderheit eingestuft hätte. Nur leider was das nicht der Fall. 1939 waren die Juden nicht nur de facto, sondern auch schon de jure entrechtet.

Vom glücklichen 19. Jahrhundert abgesehen, ist der Antisemitismus leider eine Konstante in der deutschen Geschichte. Das Internet bietet ja ausreichend Material dazu.
Und wenn man sich die antisemitische Hetze der Vergangenheit ansieht, wird man schnell eine unheimliche Ähnlichkeit mit der heutigen Hetze gegen die NPD feststellen.

Die Mannichl-Posse ist ja nichts anderes als die zeitgenössische Form des „Die Juden haben die Hostien vergiftet“-Klassikers.

Und was der Unterschied ist zwischen „Deutsche wehrt Euch, kauft nicht beim Juden“ und „... kauft nicht beim Rechten“ ist, täte einen schon interessieren.

Humanistische Motive als Begründung der Hetze und der Brandstiftungen und Körperverletzungen scheiden jedenfalls aus. Denn wenn die Politikerkaste und die gleichgeschalteten Medien sofort den üblichen Entrüstungssturm ablassen, sollten ein paar Teenager ein Swastika in den Schnee gepullert haben – hört man von denen zu den von den Schlägerkommandos der Antifa-SA und den Brandstiftungen des Friedensmobs verübten Verbrechen nur ein dröhnendes Schweigen.
Als beim letzten Mai-Pogrom die sozialistischen Schlägertruppen allein in Berlin 470 Polizisten verletzt haben, hat die Antifa-Schwuchtel Körting sofort reagiert – und gefordert die NPD sofort zu verbieten. Und den CDU-Vorschlag eines runden Tisches gegen linke Gewalt hat der rot-rote Senat abgelehnt. Logo, die Sozialisten werden sich hüten, die Verbrechen ihrer Schlägertruppen öffentlich zu thematisieren.

Jedenfalls hat Broder in dieser Sache zu 100% recht. Und ich danke PPQ, dass er das hier eingestellt hat.

derherold hat gesagt…

Verfolgung von NPD und "Juden im III. Reich" große Ähnlichkeit zu unterstellen, schießt über das Ziel hinaus - da gibt es schon, um die Neusprech-Formel zu verwenden, "qualitative Unterschiede" !

Interessant ist beim "Kampf gegen Rechts", wie schnell man eine Bevölkerung samt Medien und Politikern "auf Kurs" bringen kann, wie schnell Grundrechte (Wahl-, Versammlungsrecht) über Bord gehen, wenn der Mob aktiviert. Wer also wissen will, warum Brieftaubenzüchtervereine, freiwillige Feuerwehren kurz nach Regierungsübernahme ´33 schon bald Grußbotschaften "an den Führer" sandten, wird hier gut bedient.

Again: Broder geht es aber nicht um die NPD. ;-) Wer überdies glaubt, Schröder, Fischer & Co. sei es bei der Organisation des "Aufstandes" um die (unbewußte ?) "Nachholung" gegangen, hat ein reines Herz.

nwr hat gesagt…

###Ich weiß zwar nicht was Du uns mit Deinem Posting sagen willst, nwr, ...

Garnüscht. Ich genieße es nur, als Beobachter des Possenspieles die Protagonisten auszutauschen, in andere Zeiten und Systeme zu verpflanzen. Manch einem fällt dabei etwas auf, manch anderem nicht. Aber jedem Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

###da gibt es schon, um die Neusprech-Formel zu verwenden, "qualitative Unterschiede" !

Natürlich gibt es die. Ein entglasender Antifaschist würde sich NIEMALS ein Braunhemd anziehen!

ppq hat gesagt…

jungs, ich muss euch mal loben. ihr seid euch nicht einig, aber ich finde, es hat alles was für sich, was ihr so schreibt.

mit anderen worten: in unterschiedlichsten abstufungen, je nach tag, den wir gerade haben, denke ich das auch gelegentlich. mal das und mal das.

@ derherold: das mit dem reinen herzen ist eine geradezu anbetungswürdige formulierung.

@nwr: garnüscht auch.