Dienstag, 14. Juli 2009

Verfassungsfeindlicher Verfassungsschutz

Er soll die Verfassung schützen und tut das, indem er sie bricht. Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt hat jahrelang illegal Daten von Minderjährigen gespeichert, denen vorgworfen wurde, Bagatelldelikte wie "Hakenkreuzschmierereien" (dpa) begangen zu haben. Die Daten der strafunmündigen Kinder wurden nicht nur elektronisch, sondern auch in Papierakten bereitgehalten, obwohl das laut Gesetz nur bei schweren Straftaten erlaubt ist.

"Alle Mitglieder der PKK halten es für eine Riesensauerei, dass sich der Verfassungsschutz nicht ans Gesetz gehalten hat", sagte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtages, Guido Kosmehl (FDP). Als Betrafung der Verantwortlichen werde es im September "einen detaillierten Bericht" geben.

Nicht mehr feststellbar ist offenbar, wie viele Kinder unter 14 Jahren vom Verfassungsschutz verfassungswidrig beobachtet und gespeichert worden waren. Geschult am Beispiel der DDR-Staatssicherheit, die in Sachsen-Anhalt nach wie vor mit einem großen Kontingent an Mitarbeitern Rechtsstaat und Vaterland schützt, haben die Gesetzesbrecher im Amt auf Anweisung des früheren NVA-Offiziers und heutigen Innenministers Holger Hövelmann (SPD) vorsichtshalber alle Daten gelöscht. In der Folge sei "nicht mehr zu 100 Prozent rekonstruierbar", wie viele Akten es überhaupt gegeben habe, erklärte Hövelmanns Staatssekretär Rüdiger Erben stolz.

Wer gespeichert worden sei, so hieß es aus Verfassungsschutzkreisen, werde das ja spätestens bemerken, wenn er sich später um eine Stelle im Öffentlichen Dienst bewerbe.

2 Kommentare:

derherold hat gesagt…

Haben sie die Daten wirklich gelöscht oder die Akten nach Absprache mit dem "Runden Tisch gegen Rechts" stilecht verbrannt ?

Tempore mutantur - wenn die Kinder+Jugendlichen sich um eine Stelle im Ö-D bewerben könnte es ja vllt. schon wieder unter dem neuen Bundes-Innenminister der Querfront-Regierung Elsässer karrierefördernd sein. ;-))

nwr hat gesagt…

„Er soll die Verfassung schützen und tut das, indem er sie bricht.“

Als „Verfassung“ wird in der BRD eine verfassungsmäßige Ordnung oder eine FDGO definiert, die ähnlich kurz wie die zehn biblischen Gebote gefaßt sind. Umrahmt und eingeschränkt werden diese Gebote vom Grundgesetz und den vielen Satellitengesetzen. Der VS hat mit der Datenerhebung vielleicht ein Verfassungsschutzgesetz gebrochen, aber nicht die „Verfassungsmäßige Ordnung“. Da sind sind wegen des Gebotes „Chancengleichheit der Parteien“ Stigmatisierungen bestimmter Parteien durch VS-Berichte in verfassungsschützerischer Hinsicht viel kritischer zu beurteilen.

@herold
Das ist überhaupt ein Grund, das Vorhandensein solcher Akten locker zu sehen. Meist landen sie irgendwann auf dem Müllhaufen der Geschichte, manchmal dienen sie wahlweise der Verteilung von Widerstandskämpfer-Orden oder zur Erstellung von Erschießungslisten. Immerhin bieten sie eine Möglichkeit auch für den kleinen Mann, als Teil der Geschichte auch der Nachwelt dokumentiert zu werden. Und die DDR konnten ihre Aktenberge auch nicht retten, im Gegenteil. Das Gefühl einer permanenten Überwachung mag den Zustand vielleicht eine Zeitlang verlängern, sich verstärkende Überwachung aber ist selbst ein untrügerisches Anzeichen dafür, daß der Atem ausgeht.