Freitag, 25. September 2009

Gleichfalls ebenso

Am Warenfließband im Verbrauchermarkt, in der Grenzschutzkommandokantine, beim Blumenhändler und im Treppenhaus - die Zeiten, in denen mufflige Wirte wortlos große Biere vor ihre Kunden auf den Tisch knallten sind ebenso vorüber wie die Tage, in denen sich schludrig bekleidete Grunge-Senioren ein knappes skandinavisches "hey" zum Gruße zuwarfen, das gleichzeitig als Adieu zu gelten hatte.

Die Ära nach der großen Krise, sie wird den Nachgeborenen irgendwann einmal als die Wiedergeburt des Menschen aus dem Geist der knierutschender Höflichkeit erscheinen. Kein Bierfilz kann mehr auf den fallen, ohne dass der potentielle Biertrinker dem Bierbringer ein "Danke" entbietet. Danke Nummer zwei folgt beim Vorschenken des ersten Glases, Danke Nummer drei beim Absetzen von halbvollem Glas und halbvoller Flasche.

"Bitte", schnurrt die Kellnerin, die zum Feierabend allen ein "Schönen Abend noch" hinterherruft. "Ebenso!", heuchelt es jedesmal zurück, selbst im tiefsten Osten, wo der kollektiv getopfte Nachwuchs seinerzeit noch den Wechselgesang "Guten Appetit - danke, gleichfalls" gelehrt bekam.

Aus Kindern werden Eltern, aus gleichfalls wird ebenso, ein Wort, in dem nicht die halbe Gleichschaltung aus den Zeiten von Geobbels und Hitler mitschwingt. Doch ebenso ist ebenso wie sein geschichtlicher Vorgänger ein Wort eher aus der Sprech- als aus der Schriftsprache. Geschrieben wirkt es geduckt, gesprochen gespreizt.

Vielleicht deshalb täuscht der Eindruck einer Verdrängung des guten alten "gleichfalls" durch das "ebenso" ebenso wie die wissenschaftlich nicht belegte These, beide Vokabeln habe es schon immer gegeben, allerdings eine in Ost (gleichfalls), die andere eher in West (ebenso).

Ein ermutigendes Zeichen des Zusammenwachsens wäre die unwillkürliche Übernahme des anderen Sprachgebrauchs, doch nach den Daten der Google Timeline, die penibel Buch führt darüber, was wie geschrieben wird, erleben beide Worte bereits seit Jahren einen geradezu gloriosen Aufstieg. Das kann an der zunehmenden Zahl von H&M-Filialen und der damit automatisch wachsenden Menge von auf "Schönes Wochenende" wie aufgezogen "ebenso" echoenden Verkäuferinnen liegen. Oder aber es weist uns auf ein tieferliegendes Problem hin: Mehr Bedarf für Worte, die fröhliches Einverständnis heucheln, wo kalte Dienstleistungsverhältnisse obwalten.

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