Samstag, 9. November 2013

Die Magier des Möglichen

Ja, echt, die sind so. Während die Spitzenvertreter von Union und SPD seit Wochen energisch so tun, als würden sie über die Eckpunkte der Zukunft des Landes verhandeln, glauben die meisten Deutschen wirklich, dass Themen wie Mindestlohn, Finanzmarktsteuer und Pkw-Maut irgendeine Rolle für ihr privates Schicksal spielen.

Trotz positiver Zahlen vom Arbeitsmarkt bleiben die Deutschen zum Beispiel stur dabei, Arbeitslosigkeit für das größte Problem der Neuzeit zu halten. Nach einer Umfrage des Ipsos-Institutes nennen 20 Prozent der Befragten nicht Eurokrise, Entwertung der Sparguthaben, Staatsverschuldung oder permanente Geheimdienstüberwachungm, sondern den Mindestlohn als zweitwichtigstes politisches Problem in Deutschland. Die Eurokrise halten nur 17 Prozent für wichtig, 12 Prozent sorgen sich dann gleich wieder um die angeblich fehlende soziale Gerechtigkeit in Deutschland.

Alles andere wird für unwichtig gehalten, darunter auch die Folgen der Energiewende, die nur sechs Prozent interessieren, der Zuzug von Ausländern (5%), die Bildungspolitik (4%) und die Sorge um die Altersversorgung (4%), zu der die Deutschen mehrheitlich auch nach der letzten Zinssenkung der EZB, die jedes Vermögen im Land in den kommenden zehn Jahren um zirka 18 Prozent entwerten wird, keinen Grund sehen. Fast nicht mehr messbar ist das Interesse am Abhörskandal um den amerikanische Geheimdienst NSA, der nur einem Prozent der Befragten als wichtigstes Problem erscheint.

Das deutsche Wahlvolk möchte sich gern mit Nebensächlichem beschäftigen, sich den Kopf um Kokolores zerbrechen und Politiker bezahlen, die Petitessen behandeln, als wären es weltgeschichtlich wichtigste Angelegenheiten, während sie über Kernfragen des Daseins öffentlich mit Nachdruck schweigen.

Die kommende Große Schweigekoalition tut das schon in der Basarsituation, in der die führenden Figuren den Fahrplan für die kommenden vier Jahre aushandeln. Das Publikum applaudiert der Vorstellung. Glücklich sind dabei vor allem die, die sich als Wahlsieger sehen. Jedem vierten CDU-Anhänger fällt derzeit spontan überhaupt kein drängendes politisches Problem ein, die SPD-Anhänger dagegen quält am meisten das Gefühl, dass das Thema soziale Gerechtigkeit nicht ernst genug genommen wird. Der Weg zum handeln ist jedoch in beiden Lagern weit geworden: Fast drei Viertel der SPD-Wähler sehen selbst beim Thema Arbeitsmarkt und Mindestlohn derzeit keinen Handlungsbedarf der Politik, bei Anhängern der Union sind sogar 84 Prozent der Meinung, derzeit könne alles bleiben, wie es ist.

Angela Merkel ist so gesehen die richtige Kanzlerin zur rechten Zeit, eine Verwalterin, keine Gestalterin, eine Magierin des Möglichen, die ihr Volk mit der Simulation von Initiative und Tatkraft beruhigt.


Die Kybernetiker: Merkel und die Macht

2 Kommentare:

eulenfurz hat gesagt…

Wayne wundert's: Das Gedächtnis des Kollektivs, aus dem sich Wünsche und Hoffnungen speisen, wird vom Staatsfunk trainiert.

Stefan Wehmeier hat gesagt…

“Umfairteilung”?

“Die bisher im Interesse des Kapitalzinses künstlich gehemmte und eingeschnürte Volkswirtschaft wird sich also infolge der Freigeldreform erst voll und ganz entfalten, nun erst ihren natürlichen ungehinderten Verlauf nehmen können und das ganze Volk zu ungeahntem Wohlstand, zu allgemeiner Kultur und Bildung emporheben. Es gibt dann zwar keine Kapitalisten und Rentiers, keine „Geldkönige“, aber auch kein „Proletariat“ mehr, sondern nur noch Arbeiter, gleichviel, ob sie mit der Hand oder mit dem Hirn arbeiten, denn wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Aber diese Arbeiter werden keine besitzlosen Proletarier mehr sein, die es als eine Gnade ansehen müssen, überhaupt arbeiten, Güter und Reichtümer erzeugen zu dürfen, sondern sie werden, infolge ihres verdoppelten und verdreifachten Arbeitsertrages und der dadurch ermöglichten großen Ersparnisse, selbst die Geschäftsanteile der Betriebe erwerben können, in denen sie arbeiten. So werden sie allmählich in den Besitz der Produktionsmittel gelangen und am eigenen Leibe erfahren, dass das Eigentum an den Produktionsmitteln nicht die Ursache des „Mehrwertes“ und der „Ausbeutung“ ist, wie die Sozialisten und ihr Lehrer, Karl Marx, behaupten.”

Georg Blumenthal (aus “Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft”, 1916)

Die heutigen Sozialisten, die wenigstens schon eingesehen haben, dass eine Verstaatlichung der Produktionsmittel die Lage der arbeitenden Menschen nur noch hoffnungslos verschlimmern kann, glauben stattdessen an die Möglichkeit einer wie auch immer gearteten „Umfairteilung“, um die Zinsumverteilung, die sie nicht begreifen, irgendwie zu korrigieren oder zumindest abzumildern. Warum das unmöglich ist, sollte jetzt klar sein: Der „Mehrwert“ kann nicht besteuert werden, weil vorher das „liebe Geld“ streikt und die Warenproduktion unterbindet. Alle Steuern – auch „Reichensteuern“ – und Sozialabgaben werden immer von den Arbeitern bezahlt und niemals von den Kapitalisten, solange die Volkswirtschaft noch kapitalistisch ist, d. h. solange Zinsgeld verwendet wird. Tatsächlich ist eine „Umfairteilung“ das Gegenteil von „gerecht“, weil sie nur die echten Leistungsträger der Gesellschaft, also diejenigen, die aufgrund eigener Leistung ein hohes Arbeitseinkommen haben, überproportional bestraft, während die echten Parasiten, die „funktionslosen Investoren“, in einer Zinsgeld-Ökonomie nicht belangt werden können.

Wer politisch “denkt”, hat noch gar nicht angefangen zu denken:

Wohlstand für alle