Freitag, 11. Oktober 2013

Die Kybernetiker: Merkel und die Macht

Kybernetik, das war einst eine Zauberwissenschaft, die versprach, die Welt regelbar zu machen. Im Osten eben noch als Pseudo-Wissenschaft verhöhnt, nahm der Siegeszug der neuen Wissenssparte, die der US-Mathematiker Norbert Wiener im 2. Weltkrieg begründet hatte, im Reich des Kommunismus erst richtig Fahrt auf. Die DDR gründete ein Zentralinstitut für Kybernetik, die Sowjetunion schickte sich an, kybernetische Geräte ins All zu schicken. Was eigentlich der Kommunikation und Steuerung in maschinellen oder elektronischen Systemen dienen sollte, wurde zur Gesellschaftswissenschaft: Nicht mehr nur sollten Staudämme gegen Hochwasser und elektrische Alarmtüren gegen Brände helfen, sondern Kindergeld gegen Kindermangel, höhere Prämien gegen niedrige Leistungen und höhere Ziele gegen nachlassende Anstrengungen beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft.

»Systemtheoretische Betrachtungen zur Optimierung des Regierens. Studie zur Regierungsstruktur im kybernetischen System der Gesellschaft«, nannte Manfred von Ardenne ein Dokument, in dem er Grundzüge einer neuen Art des Regierens darlegte. Der Staat wird zum Instrument der Regierung, die ihn nutzt, um Weichen so zu stellen, dass Bürger nur in die richtige Richtung fahren können. Regieren als gesellschaftliches Experiment, der Kabinettssaal ein Leitstand mit tausenden von Regelkreisen. Zur Bekämpfung von Büchsenleergut erhöht man das Dosenpfand. Zur Erzielung erwünschter Nachwuchszahlen werden „156 familienwirksame Leistungen“ (dpa) beschlossen. Den Umstieg in die Ökogesellschaft erleichtern Verbote, die Geisteshaltung dahinter verrät der in der Politik längst übliche Sprachgebrauch vom „Nachjustieren“ und „Regeln“.

Es geht stets darum, etwas Erwünschtes zu erzielen und Unerwünschtes zu unterdrücken. Kybernetische Schaltkaskaden klacken, Angela Merkel, von Hause aus Physikerin und aufgewachsen in den Jahrzehnten der Euphorie über das vermeintlich regelbar gewordene menschliche Zusammenleben, ist - egal, in welcher politischen Koalition - die passende Kanzlerin für Zeiten, in denen ein mechanistisches Gesellschaftsbild aus der Aschetonne der Geschichte aufersteht. Die Krisenfolgen werden "abgefedert", Bankenpleiten abgewendet, es findet sich ein Regelknopf für die Arbeitslosigkeit und ein Regelrad für die Vorsorge für einbrechende Absatzzahlen der Autohersteller. Zinsen können sein, wo sie sollen, denn der Preis des Geldes scheint ebenso dimmbar wie es einst ein jedes hydraulisches System war.

Der Preis dafür liegt auf der Hand. Längst ist die Gesellschaft viel zu komplex, den einfachen Ja/Nein-Befehlen ihrer Führer zu folgen. Längst steht jeder Wirkung einer neuen Drehung an Kinderzuschüssen, Sozialbeilagen oder Dämmvorschriften eine Gegenwirkung entgegen, die das ursprünglich Gewollte konterkariert. Subventioniert man Ökostrom, wird das Abzapfen der Subventionen zum Massenphänomen. Lobt man Betreuungsgeld aus, wird ohne Geld nicht mehr betreut. Erhöht man die Tabaksteuer fortlaufend, sinken die Tabaksteuereinnahmen durch private Importe.

Das kybernetische System Gesellschaft ist selbst für hochmoderne Rechenanlagen zu kompliziert. Es ist unmöglich, alle Ausweichbewegungen mitzudenken, alle Umgehungstatbestände zu vermeiden - und dennoch pflegt die Politik den Gedanken an den regelbaren Verbraucher, den lenkbaren Wähler, den Bürger, der funktioniert wie ein Automat.

Die Ohnmacht der Allmächtigen

10 Kommentare:

Friederich hat gesagt…

Wie beruhigend, daß wir bei all den überkomplexen Systemen, die sich der Steuerbarkeit entziehen, wenigstens mit dem Klima ein überschaubares System haben, daß wir allein mit der Stellschraube »anthropogenes CO2« punktgenau auf Zehntelcelsius pro Zieljahr regulieren können. Also wir vielleicht nicht, aber die Große Kybernetikerin, weshalb wir sie ja auch wiedergewählt haben. Überhaupt sollten wir vielleicht — analog zum Großen Steuermann Mao — der Größten Physikerin aller Zeiten den Ehrennamen »Große Kybernetikerin« verleihen. Das ist viel poetischer als »Klimakanzlerin«.

Am_Rande hat gesagt…

Wie immer auf diesem Blog ein wunderbar tiefsinniger, einsichtsvoller und zum Nachdenken anregender Artikel und wie immer wunderbar verständlich geschrieben! Vielen Dank dafür!

Darf ich mit erlauben, da es zum Thema „Kybernetik“ und „Gesellschaftsplanung“ passt, auf den großartigen Roman „Red Plenty“ (dt. „Rote Zukunft“) des englischen Autors Francis Spufford hinzuweisen?

Es ist im Jahre 2011 erschienen und beschreibt eine Zeit und ein Land, die UdSSR unter Chruschtschow, als es möglich schien, den Westen zu überholen ohne ihn einzuholen, indem man Mathematiker damit beauftragte, die Güterproduktion nach wissenschaftlichen Methoden zu organisieren.

Und es beschreibt die Reaktion der Menschen, die gezwungen waren und wurden, diese graue Theorie aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm umzusetzen.

Einfach ein gutes Buch – in jeder Hinsicht!

Anonym hat gesagt…

Und nun freuen wir uns auf die Schocksammelbilder, die die Zigarrettenschachteln zieren sollen werden und hoffen, es artet nicht in eine Schockbildersammelsucht aus, mit Einklebealben und dem ganzen drumherum.

Anonym hat gesagt…

Da gäbe es noch weitere Ehrentitel, die die grosse Kübber-Näh-Tick-erin verdient, wie z. B:

Die grosse IM-ERIKA-nerIn
Die grosse EURO-ica
Die grosse Fuck-U-Schematikerin

Orwell hat gesagt…

In jedem wissenschaftlich-utopischen Roman (heute lapidar den unwissenschaftlichen Westschund kennzeichnend Sci-Fi genannt) in der Ostzone ab Ende der Sechziger flog neben einem Navigator, einem Arzt, einem Physiker auch ein Kybernetiker mit auf ferne Planeten um dort den Sieg des Sozialismus hinzutragen.

Auf einen Parteisekretär und einen BGLer hat man aber verzichtet. Ebenso wie auf einen Politoffizier.

Das verwundert allerdings schon sehr. Oder waren diese Funktionen im Kybernetiker konzentriert?

Immer wieder zu empfehlen: Eden, von Lem

Anonym hat gesagt…

Die heutige Bä-Är-Dä ist inzwischen in den finalen Zustand einer auf Gehirn-Vollwaschgang fussenden Gesellschaft eingetreten. Mit den von ML-formatierten Ost-Rindern und den Frankfurter -Schul –Abgängern von West-Rindern ist dieser Staat zum Musterexemplar eines alles durchseuchenden und allesbeherrschenden „Doktrinismus“ avanciert.
Wo die Realität nur noch eine störende Marginalie ist, wo Wahrnehmung und Erkenntnis nur noch durch ideologische „Cyber-Helme“ möglich sind, sind Grössenwahn und Paranoia ins neue Pantheon eingezogen.
Und dieser Grössenwahn tanzt in mannigfacher Verkleidung seinen Veitstanz in immer irrwitzigen Hüpfern, als Ökologismus, Feminismus, MuKu-Ismus , Energie-Wendismus. Euro-Retterismus, und und, und.
Denn alle diese pathologischen „Ismen“ massen sich in impertinenter Weise an, eminent komplexe Phänomene und Prozesse mit ihren lächerlich primitiven (und vor allem haarsträubend falschen) Kriterien modellieren zu können.
Das infamste ist indes, sich zu „Ingenieuren“ zukünftiger Gestaltung und Steuerung ihrer „Modelle“ (die sie für die Realität halten) selbst geadelt zu haben. Beginnend bei Gesellschafts-Prozessen (Mu-Kusimsu), über Tschänder-Beziehungen, bis zu KLiiiiimaaaa-Entwicklungen.

Zur Schutzpatronin dieser genialischen Ingenieurs-Kaste ist nunmehr die grosse Kybernetikerin auserkoren worden.


Ano-Nymus

Volker hat gesagt…

"Längst ist die Gesellschaft viel zu komplex, …"

Na ja, Lenins NÖP und Ulbrichts "Neues Ökonomisches System" waren ja Ausdruck dieser Einsicht. Die mussten bald nach der Machtergreifung erleben, dass es wider Erwarten doch gewisse Unterschiede zwischen der Volkswirtschaft und der Reichspost gibt.
Deshalb der leninsche U-Turn und Ulbrichts Kybernetik.
Wenn sich rausstellt, dass das Politbüro es nicht schafft, die Produktion jeder Klopapierrolle und jedes Radiergummis zu steuern, haben die Testweise die Befehls- durch die Auftragstaktik zu ersetzt. In der SU ein paar Jahre praktisch, in der DDR ist es über das Diskussionsstadium kaum herausgekommen.
Beide Methoden mögen ja ganz gut funktionieren, aber sie schaffen eine neue Baustelle. Denn damit das funktioniert, müssen die Menschen selbständig denken und entscheiden. Das geht gar nicht. Ist doch das oberste Gebot, jedes Maß und jede Struktur zu beseitigen, die außerhalb des Systems (des Kommunismus) liegt. Die Preisfindung in der NÖP über den Mark ist so ein außerhalb der Parteikontrolle liegendes Maß. Und wenn die Kybernetik über die Absichtserklärung hinausgekommen wäre, hätten sich auch außerhalb des Zugriffs des Politbüros liegende Kriterien und Wechselwirkungen entwickelt. Deshalb wurde die NÖP geschreddert und die NÖS gar nicht erst eingeführt.

Ferkel & Gen. kommen von der anderen Seite. Für die ist die Kybernetik (auch wenn die das Wort nicht verwendet) keine Aufweichung der Planwirtschaft, sondern ein Schritt auf dem Weg dahin.

ppq hat gesagt…

vielen dank!

Anonym hat gesagt…

gern geschehn

Anonym hat gesagt…

atomkleber im Soziologieseminar , böse , menschenverachtende Aufkleber und natürlich ein Anfangsverdacht bei fb .

die Tochter vom Logenbruder ist ne verpappte nazifrau .

keine Beweise - keine Logik - einfach behaupten - den gutmenschlich bürgerlichen Komplex im Alltag angreifen , beschäftigen - zwangstherapieren mit Infojuckpulver und atomkleber