Freitag, 5. Mai 2017

von der Leyen: Auf Hitlers Spuren im Wahlkampf

Hakenkreuz weggemeißelt, Reichsadler in die eigene Tradition übernommen: Eingangsbereich der SchStratAufklBw .

Eine CDU-Politikerin mit Ambitionen im Wahlkampf, eine Ministerin auf Spurensuche. Mit großem Medien-Tross ist Ursula von der Leyen auf Tour durch die Kaserne der Republik, um nach der Festnahme des festgenommenen Oberleutnants Franco A. nach Hakenkreuzschmierereien, Wehrmachtsbildern und völkerrechtswidrigen Standortnamen zu suchen.


Die Strategie ist klar: Von der Leyen geht als resolute Aufklärerin rechter Tendenzen in der Bundeswehr in den Wahlkampf. Die seit 2005 amtierende Chefin der CDU-Kommission Eltern, Kind, Beruf, die seit 2013 auch als Verteidigungsministerin fungiert, geht es um die letzte Chance, sich noch einmal als Nachfolgerin von Angela Merkel in Stellung zu bringen. Wie die zu Beginn ihrer bewegten Ministerlaufbahn als Bundeszensurbeauftragte auftretende Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht, ehemals für Fake News kämpfte, so kämpft sie nun gegen die Schatten der Vergangenheit.

Zu Besuch beim Reichsadler


Es ist Mittags gegen 12 Uhr, als die oberste Befehlshaberin der Bundeswehr vor der Schule für strategische Aufklärung der Bundeswehr in Flensburg ankommt. Von der Leyen, knappes Kostüm, flache Schuhe, Betonfrisur, federt aus dem Sitz ihrer Dienstlimousine, nimmt knapp die hackenschlagenden Offiziere zur Kenntnis und zieht die in Wüstentarnfarben gehaltene Kostümjacke straff. "Sind auch alle da", fragt von der Leyen lächelnd in die Runde der rund 40 handverlesenen Hauptstadt-Journalisten, die angekarrt wurden, um die Botschaft ins Land zu tragen: Im vierten Jahr an der Spitze des Heeres räumt die Ministerin auf. Gnadenlos.


Das Ziel der ungewöhnlichen Klassenfahrt mit der obersten Befehlshaberin der Bundeswehr wirkt zunächst spektakulär. Die SchStratAufklBw ist bundesweit kaum bekannt, selbst von der Leyen wusste, so sagt sie, bis 2016 nichts von der Existenz des Mutterhauses für die Ausbildung aller Kräfte des Militärischen Nachrichtenwesens (MilNW) und der Elektronischen Kampfführung (EloKa). Unbemerkt und geduldet von einem Netzwerk rechter Kräfte in den Streitkräften, konnte sich am Giebel des Eingangs zum Gebäudekomplex der ehemaligen Nachrichtenschule die Symbolik vergangener Zeiten halten: Unübersehbar prangt an der Kaserne aus den 1930er Jahren bis heute der Reichsadler, der seinerzeit auf Befehlt des Führers und reichskanzlers Adolf Hitler angebracht worden war.

Ein regelrechtes Netzwerk


Über die Kaserne an der Mürwiker Straße ist in den letzten Tagen dennoch nicht viel geschrieben worden. Es entstand der Eindruck, als habe sich unter den Augen der Vorgesetzten ein Biotop gebildet, das ein regelrechtes Netzwerk von rechten Soldaten gebildet, das von der Leyens Forderung ignoriert: "Wehrmacht darf "in keiner Form traditionsstiftend sein", hatte die Urenkelin des evangelischen Mystikers Carl Albrecht festgelegt.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht hier in Flensburg nun der hübsch gestaltete Reichsadler, der am Eingangsgebäude zu den Kasernen „Brandenburg“, „Hansa“ und „Preußen“ an Zeiten gemahnt, als deutsche Truppen noch in aller Welt respektiert wurden.

Für von der Leyen ein bedrückender Beweis dafür, dass in der Bundeswehr nicht nur der nachweislich rechtsextreme Soldat Franco A. unentdeckt blieb, sondern ganze Kaserne ihrer Gesinnung freien Lauf lassen konnten. Die Ministerin, so flüstern ihre Leute nach sorgfältig mit der Chefin abgestimmten Spickzetteln, sei der Reichsadler der Grund gewesen, hierher zu kommen, um demonstrativ aufzuräumen. "Sie will der Truppe klarmachen, dass es immer ein Führungs- und Haltungsproblem ist, wenn sowas passiert."

Image als Aufklärerin aufpolieren


Es ist Von der Leyens Mission, die die Flanke zur AfD zu schließen und Vorwürfe der SPD, die Bundeswehr sei ein Hort von Ewiggestrigen, zu entkräften. Statt um den Soldaten Franco A., der wegen des Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Straftat in Haft sitzt, soll es heute um die Ministerin gehen, sagt ein Presse-Offizier. Eigens für den Pressetermin sagte sie einen geplanten Trip in die USA ab. Die Heimatfront ist wichtiger, hier lässt sich Tatkraft ohne langen Überseeflug beweisen, hier bleibt die Kritik an ihrer eigenen Truppe ohne Widerworte, wie sie in den USA zu erwarten gewesen wären.

Auf dem Rundgang durch die Gebäude der früheren Torpedo- und Nachrichtenschule, in deren Verwaltungsbereich sich der provisorische Regierungssitz der letzten Reichsregierung unter Karl Dönitz befand, wird der Presse-Tross in einen Aufenthaltsraum geführt, wegen der aufwendig im Stil eines betonierten Schießstands gestalteten Bar wird er nur liebevoll "Bunker" genannt - derselbe Name wie Hitlers langjähriger Aufenthaltsort an der Wolfsschanze. Zufall?

Dort finden sich tatsächlich die in Berlin vorbereiteten Wehrmachtszeichnungen an den Wänden, die Replik einer Weltkriegswaffe hängt hier, auf dem Regal daneben liegen Stahlhelme aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Muffig wirkt das alles, wie eine Bundeswehrkaserne, an deren Eingang ein Reichsadler prangt.

"Marine" wie die Marine in Frankreich - ein Zufall?


Ist dies also ein weiterer Kristallisationspunkt der Rechten in der Marine? Zeigt sich hier die Geistetesnähe zu der anderen Marine, Le Pen, die die Macht in Frankreich übernehmen will? Oder Zufall? Ein Soldat aus dem Bataillon winkt ab, über die Fassadengestaltung dürfe er nicht reden, Denkmalschutz. Ein anderer sagt zumindest, die Verzierung sei so lange da, dass sie niemand mehr wahrgenommen habe. Mit dem festgenommenen Soldaten A. habe das nichts zu tun.

Auch wenn sie nicht richtig reden dürfen, wirken alle Soldaten verstört, verunsichert, angegriffen. Junge Männer mit vom Stress trockener Haut. Einer leidet unter Rasierbrand, der andere hat Übergewicht. Die unerwartete Inspektion der Ministerin macht ihre Kaserne nun vermutlich zum nächsten Skandal-Standort. Die Männer ahnen das. "Was macht das mit Ihrer Kampfkraft", fragt ein PPQ-Reporter. Ein Gefreiter drückt das Mikrophon beiseite.

Dramatisierung als Ablenkungsmanöver


Der sorgsam inszenierte Besuch von der Leyens hinterlässt so den faden Beigeschmack, dass die Ministerin mit den zunächst schockierenden Fakten über rechte Tendenzen in der Parlamentsarmee nur ihre eigene Haut retten will. Natürlich, der Fall Franco A. ist gravierend, der Reichsadlerfall zeigt sogar, dass er kein Einzelfall ist. Von der Leyen aber zeigt mit ihrer großangelegten Verbaloperation, dass sie auch nach vier Jahren im Amt mit der Truppe fremdelt. Durch die Dramatisierung, schreibt der "Spiegel" in einer packenden Begleitreportage zum Truppenbesuch, wolle sie "von der eigenen Entgleisung ablenken".




4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Es ist Von der Leyens Mission, die die Flanke zur AfD zu schließen und Vorwürfe der SPD, die Bundeswehr sei ein Hort von Ewiggestrigen, zu entkräften."

Das mit dem Schließen der Flanke/Flügel zur AfD habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Ist das eine farbige Metapher aus dem Bereich des Pferdesports? gar des Fußballs?

Denn militärisch kann der Begriff ja nicht gemeint sein, so wie es formuliert ist. Denn wenn die Flanken Teil des eigenen Truppenkörpers, bestehend aus CDU/CSU und SPD ist, dann wird da gar nichts geschlossen, denn das hieße ja, zur AfD aufzuschließen. Aber ist die nicht der Feind?

Wenn wir uns die Koalitionsarmee vorstellen, dann steht im Zentrum die CDU, den linken Flügel bildet die SPD und rechts vom Zentrum sichert die CSU. Die AfD steht vor der Streitkraft des Merkelregimes und versucht diese jetzt und in den kommenden Wahlen mit rechtspopulistischem Kleingewehrfeuer durch ihre Plänkler, Bystrom, Höcke, Gauland, Weidel und wie diese Schlampen alle genannt werden, zu schwächen. Wer bitte schön, soll hier jetzt wohin aufschließen, meine Herren? Und Damen.

Militärisch werden keine Flanken geschlossen, sie werden verstärkt oder geschwächt. Sie werden bedroht oder gesichert.

Wenn man schon versucht, militärische Termini zu verwenden, dann bitte richtig. Der Genosse Kessler dreht sich ja sonst im Grabe um.

ppq hat gesagt…

@anonym: ich empfehle einfach, bei nächster gelegenheit mal mit offener flanke in die schlacht zu marschieren, also etwa wie die österreicher bei leuthen.

der schmerz ist doch meistens der beste lehrer.

recht hast du natürlich beim sprachbild, das ist missverständlich. wenn man, wie du, die parlamentarische schlachtordnung als muster nimmt, dann irritiert die formulierung "offene flanke". wenn man das bild dagegen eher inhaltlich meint, also den kampf der ideen, wahlkampflügen und strategischen postionierungen beschreibt, dann ist es stimmig, finde ich

Die Anmerkung hat gesagt…

Flanken schließen ist ein durchaus üblicher Vorgang, wenn nämlich die Lücke zwischen zwei Truppenkörpern, die von beiden durch Flanken begrenzt sind, geschlossen wird.

Es war noch nie so, daß auf 500 km Front jeden Meter ein Soldat aus dem Schützengraben lugt. Das geht nur im Fernseher, der ist nur 1 Meter breit.

Ansonsten ist eine Front lückenhaft. Flanken schließen, Gleiches zu gleich Größerem transferieren, das ist der Sinn eines Flankenschlusses.

giovanni gruen hat gesagt…

...dieses "Problem" ist uralt - zu meiner BW-Zeit ( General-Oberst Hoeppner Kaserne Wuppertal) 1981 gab es einmal im Jahr ein Treffen der Veteranen und Angehörigen der 6. XX Panzerdivision... "Tradition" nannte sich das dann...Na Bravo...