Sonntag, 10. Mai 2020

Neoliberale EU: Für ein "gewisses Maß an Wettbewerb"

In der schlimmsten Menschheitskrise seit öffnet sich die EU mutig dem Wettbewerbsgedanken: Ein "gewisses Maß" an Konkurrenz soll künftig gestattet sein.


Es ist eine Kehrtwendung um 180 Grad, die zugleich einer doppelten Rückwärtsrolle entspricht. Doch EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager, von Haus aus eine Liberale, der wegen ihrer dänischen Staatsbürgerschaft vor kurzem noch Chancen auf die EU-Präsidentschaft nachgesagt worden waren, meint es ernst. Zwar ließ die Dänin in einem Interview mit dem Alarmmagazin "Focus" keinen Zweifel daran, dass die europäische Gemeinschaft auch in Zukunft einen "harten Kurs gegenüber amerikanischen Tech-Giganten" (Vestager) fahren wird, weil die Europa mangels eigener europäischer Internetfirmen den Markt nahezu vollständig beherrschen. Man werde das "Wettbewerbsrecht ganz klar anwenden", versicherte Vestager wohl auch mit Blick auf Milliardeneinnahmen durch Strafzahlungen, die die an eigenen Finanzquellen arme Kommission in der Vergangenheit durch sogenannte "Wettbewerbsverfahren" eingenommen hatte.

Neoliberaler Anfall



Andererseits aber ließ die oberste Hüterin des unbedingten und uneingeschränkten Primats der Politik in der Union erkennen, dass sie gegen einen globalen Wettlauf um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs kaum etwas einzuwenden habe. Ein "gewisses Maß an Wettbewerb" (Vestager) könne "ganz gesund" sein, sagte die 52-jährige Politikerin der linksliberalen Partei Radikale Venstr und vollführte damit eine Kehrtwende weg vom deutlich sozialistischen Kurs vergemeinschafteter Schulden und von oben gelenkter Entwicklungsprozesse, wie sie die EU etwa beim Airbus so lange erfolgreich praktiziert hatte, bis die milliardenteure Strafen wegen Korruption und unrechtmäßiger Subventionszahlungen verhängt wurden.

Vestager widerspricht damit ihrer Vorgesetzten, der deutschen Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die eben erst mit einer Geberkonferenz 7,4 Milliarden Euro gesammelt hatte, um "alle Kräfte für die Forschung an Impfstoffen und Arzneien zu bündeln" (von der Leyen), damit nicht überall von unzähligen Firmen konkurrierende Ansätze bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes verfolgt werden müssen. Von der Leyen sieht im Wildwuchs nicht zentral geplanter und finanzierter Forschungsarbeitendas große Risiko, dass ein Impfstoff, sobald er gefunden ist, nicht gleichzeitig allen sieben Milliarden Menschen zur Verfügung steht. Ihr Ziel als EU-Präsidentin sei es, „einen Impfstoff zu entwickeln, ihn herstellen und zu einem bezahlbaren Preis sofort in jeder Ecke der Welt verfügbar zu machen", versprach Ursula von der Leyen.

Überall zugleich


Doch unterscheiden sich auch die Wege, das Ziel ihrer Chefin teilt auch Margarethe Vestager. Komme es trotz eines "gewissen Maßes an Wettbewerb", wie sie ihn durchaus zuzulassen und zu dulden bereit sei, zur Entwicklung eines Impfstoffes, müsse der ebenso wie andere Corona-Medikamente, die unter Umständen in der EU oder anderswo entwickelt werden, "zu erschwinglichen Preisen auf der ganzen Welt verfügbar sein. Egal, wo sie entwickelt wurden, egal, wer dafür bezahlt hat", so die Wettbewerbskommissarin.

Später will die EU dieses Prinzip auf alle Lebensbereiche und Produktentwicklungen ausdehnen, so dass jedem Menschen auf der gesamten Welt jederzeit jede Ware oder Dienstleistung zu gleichen Preisen zur Verfügung steht. Das politische Brüssel sieht in diesem neuen Konzept offenbar einen Ansatz, Forscher, Entwickler und Firmen zu mehr Investitionen in Innovation zu motivieren.

Die Aussicht, milliardenteure Entwicklungsausgaben getätigt zu haben, um sich die Chance zu erarbeiten, das fertige Produkt anschließend "zu erschwinglichen Preisen auf der ganzen Welt" (Vestager) verfügbar machen zu dürfen, wird aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in wenigen Minuten zur Gründung mehrerer europäischer Tesla-Konkurrenten, zur Entwicklung zahlreicher Suchmaschinen mit besserem Leistungsumfang als Google und zur Herstellung von europäischen Smartphones führen, gegen die iPhone und Samsung Galaxy wirken wie das legendäre iStone, das ganz ohne Strom auskam.


5 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Hieße das Porsche für alle, wenn sich nur jemand findet, der den deutlich preiswerter und leistungsfähiger von Band rollen läßt? Oder ist der Porsche in jener Produkt- und Leistungsgruppe, die nicht in dem gewissen Maß enthalten ist, als dem Ungewissen zugerechnet werden muß?

Volker hat gesagt…

"die eben erst mit einer Geberkonferenz 7,4 Milliarden Euro gesammelt hatte"

Wie die Kohle verteilt wird, lesen wir in TichysEinblick:

"Das Geld soll an „anerkannte globale Gesundheitsorganisationen“ fließen, wie die internationalen Impfstoffallianzen Cepi und Gavi oder die Initiative Unitaid.“ Cepi und Gavi gehören zum Imperium der Gates-Stiftung, die doch bei einem Stiftungskapital von 42,9 Milliarden Dollar (Stand 2015) kaum deutsches Steuergeld, das Merkel bereits zusagte, nötig haben dürfte. Unitaid ist eine Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose. Zum Erwerb, nicht zur Erforschung. Nur gut, dass die Hütchenspielertricks niemandem auffallen."

Anonym hat gesagt…

Wer, zum Geier, ist oder war "Rumi"? Hört sich an wie ein schwuler Zigeunerhäuptling.

Anonym hat gesagt…

Das ist eine klare Bildungslücke, mein unbekannter Freund. Rumi war ein persischer Sufi-Mystiker, Gelehrter und einer der bedeutendsten persischsprachigen Dichter des Mittelalters. Er lebte und wirkte im 13. Jahrhundert und predigte Liebe und Harmonie. Für den Mittleren Osten also recht erstaunlich.

der alois
reichtsiranwart

Anonym hat gesagt…

Danke für die Belehrung, @ reichsiranwart. Dennoch kommen mir seine Absonderungen vor wie bei Fips der Affe: Natürlich läßt Fips die ekligen Sachen/ohne neidisch zu sein/von den anderen machen. Wenn dahingegen einer was tut/ wo's den Anschein hat, es täte ihm gut ... Auch von einem großen Dichter.