Samstag, 22. August 2020

Fürchterliches Facebook: Fake News über Fake News

Die Verwendung von großen Zahlen ohne Einordnung ist stets sichere Gewähr dafür, dass manipuliert werden soll.
Wer mit Zahlen lügen will, und wer will das nicht!, sollte einige grundsätzliche Regeln beachten, deren wichtigste es ist, verwendete Angaben stets ohne jeden Bezugsrahmen zu präsentieren. Statt Werte aufwendig in einen verständlichen Kontext zu stellen und sie damit einzuordnen, wird zu einer Bezugsgröße ersatzweise zu einer Bezugsgröße gegriffen, die weder mit dem Thema noch mit dem anzuprangernden Phänomen zu tun hat.

Ersatzweise ist eine Einordnungssimulation durch die Verwendung der Begriffe "weniger als" oder "mehr als" möglich, jeweils bezogen auf einen zeitlichen Vergleich ohne Angabe von absoluten Zahlen. Dadurch gelingt es, beim Leser das erwünschte Gefühl zu erzeugen, sei es das grundsätzlicher Beunruhigung oder aus das von Besorgnis oder Wirschaffendas.

Ein wunderbares Beispiel für die hohe Kunst der Manipulation liefert gerade die Aktivistengruppe Avaaz, eine in New York beheimatete "Bürgerbewegung mit links-liberaler Themenstellung" (Selbstbeschreibung), die großen mediale Erfolge mit einer "Studie" feiert, die vorgibt, "das Ausmaß der Verbreitung von Falschinformationen vor und während der Corona-Pandemie auf Facebook" (NZZ) überprüft zu haben.

Selbstverständlich mit den gewohnt verheerenden Ergebnissen: "Fake-News zu Gesundheitsthemen" seien innerhalb eines Jahres weltweit mehr als 3,8 Milliarden Mal aufgerufen worden, Seiten wie "RealFarmacy", "GreenMedInfo" oder "Dr. Mercola" hätten "mehr als 100 Millionen Aufrufe" gezählt und insgesamt hätten Corona-Lügen so die Hälfte der Weltbevölkerung erreicht, behauptet Avaaz.

Eine gut gemachte Viertelwahrheit, geschmückt mit hohen Zahlen, ergibt immer ein schönes Medienecho, weil in den Redaktionen niemand mehr sitzt, der vermeintlich ernsthafte "Studien" wie die von Avaaz auf ihre Richtigkeit prüft und damit Gefahr läuft, eine schöne Geschichte vom bösen Facebook, der allgegenwärtigen Fake-News-Industrie und den Milliarden Trotteln da draußen, die auf jeden Quatsch reinfallen, kaputtzurecherchieren. Selbst die Neue Zürcher Zeitung, im dunkeldeutschen Sachsen gelegentlich als "Westmedium" gefeiert, bleibt in der Berichterstattung beim unkontrollierten Avaaz-Diktat. Die Süddeutsche Zeitung selbstverständlich sowieso und der "Spiegel" allemal erst recht, denn was in die eigene Agenda passt, muss nicht erst aufwendig passend gemacht werden.

Einordnung, ehemals eine Edeldisziplin des Journalismus, fehlt überall. Dabei wäre sie so einfach: Die von Avaaz genannten 3,8 Milliarden Abrufe von Facebook-Seiten mit nachgewiesenen Fake News zu Coronathemen binnen eines Jahres entsprechen gemessen an der Gesamtreicheweite von Facebook kaum einem Fliegenschiss an einer Hotelfassade. Was nach viel klingt, weil es nach viel klingen soll, ist wenig, weil es Zahlen aus einem Raum sind, der viel größer ist als alles, was der normale Mensch sich im Alltagsleben vorzustellen gewohnt ist.

Doch über ein Jahr gerechnet hat Facebook eben rund 730 Milliarden Nutzer, die nicht nur ein paar Milliarden, sondern Billionen von Seiten anschauen. Selbst konservativste Berechnungen, die nur die täglich hinterlassenen neun Milliarden "Gefällt mir"-Klicks als echte Seitenaufrufe zählen, kommen auf 3.650.000.000.000 Aufrufe von Facebookseiten insgesamt pro Jahr, Posts und gelesene Kommentare hinzugerechnet dürfte die Gesamtzahl eher beim zehnfachen als beim Doppelten liegen.

Aber auch nur bezogen auf die Einträge, die von einem Facebook-Nutzer mit einem "Gefällt mir" markiert wurden machen sämtliche von Avaaz als "Infodemie" beschriebenen Fake-News-Seiten zu Corona einen Anteil von nicht einmal 0,1 Prozent aus.

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