Dienstag, 2. März 2021

Schlanker Staat: Von Wille und Vorstellung

Erschütternde Zahlen: Binnen von nur zehn Jahren hat es der immer schwächer werdende Staat geschafft, rund zehn Prozent mehr Stellen zu schaffen.


Was der Staat kann, kann nur der Staat, sagte Franz Müntefering, als er noch als Arbeiterführer an der Spitze der deutschen Sozialdemokratie stand und er nicht ahnen konnte, dass die Organisation einer Impfung aller Bürger nicht dazugehört. Müntefering hat zwar seinen Impftermin, der 81-Jährige hat mit seiner 40 Jahre jüngeren Ehefrau Michelle jemandem im Hause, der fix im Umgang mit kassenärztlichen Anmeldeseiten.

Doch angesichts einer Gesamtlage, in der Novemberhilfen auch im März noch nicht vollständig ausgezahlt werden, sich Impfstoffmangel und Impfstofflagerbestände gleichzeitig in die Schlagzeilen schieben und die Spitzenpolitik die Fähigkeit entwickelt hat, in einem Satz zu lockern und zu lockdownen und in einem Versprechen zu testen und auch nicht, geht die Klage um, der Staat könne auch nicht mehr, was er immer gekonnt habe. Und das liege natürlich daran, dass er kaputtgespart worden sei.  

Der arme Staat

Das böse neoliberale Erbe der kurzen Ära des Guido Westerwelle, es wird auf einmal dafür verantwortlich gemacht, dass nichts klappt. Zwar schafften es private Firmen aus aller Welt binnen weniger Monate, offenbar hochwirksame Impfstoffe gegen die Pandemie zu entwickeln. Doch weder der deutsche Nationalstaat noch die als EU organisierte Großfamilie der europäischen Völker vermochte es, ausreichend von den Vakzinen zu bestellen. 

Nicht das einzige Drama zudem, denn auch die aller drei Monate ausgerufene Testkampagne kommt nicht in Gang, die Hilfszahlungen für die Wirtschaft stocken, die Reform des Wahlrechts endete als peinliche Farce und der Kampf gegen rechts mobilisiert zwar immer mehr finanzielle Mittel. Doch je härter er geführt wird, desto schlimmer entwickelt sich die Lage. dazu ist die Digitalisierung ein Desaster, das Impfprogramm ein Totalausfall, Behörden können nicht anständig lüften und europäische Institutionen schaffen es seit einem Jahr nicht, aus der Ankündigung des billionenteueren Wiederaufbauprogramms eine funktionierende Praxis zu machen. 

Der schwache Staat

Was ist da los mit dem Staat? Wo bleibt er, wenn man ihn mal wieder braucht? "Wir brauchen wieder einen starken Staat", fordert die Hamburger Wochenschrift Die Zeit schon, selig beim Gedanken an eine Rückkehr in die Vergangenheit, als der frühere Wehrmachtsoffizier, spätere Kanzler und endliche Fernsehraucher Helmut Schmidt als Federführer am Speersort diente. Das in München erscheinende Magazin "Focus" widerspricht: "Wo der Staat den Ton angibt, funktioniert nichts", heißt es aus der früheren Hauptstadt der Bewegung.

Klassenkampf zwischen Nord und Süd, zwischen Links und Rechts, zwischen  den Anhängern des alten Müntefering, der als Kind im letzten Krieg selbst erfahren hatte, was ein Staat alles kann. Und denen des neuen "Münte", der im Fernsehen gesteht, dass er sich ganz privat und gemeinschaftsfeindlich hat helfen lassen, um an einen Impftermin zu gelangen.

Der ausgehöhlte Staat

In den Augen der einen klappt nichts, weil der Staat ausgehöhlt und schwach, personell ausgezehrt und von seinen neoliberalen Feinden dermaßen geschwächt wurde, dass er kaum noch in der Lage ist, aufrecht zu gehen. Von der anderen Seite her betrachtet aber sieht derselbe Staat aus wie ein fetter Riese, in dessen Schatten nichts mehr blüht. Ganz langsam nur kommt er voran, oft läuft er sogar in die falsche Richtung, weil vom Leitstand ganz oben aus wegen des unförmig dicken Wohlstandbauches  gar nicht mehr zu sehen, wo der Weg in die Zukunft langgeht.

Alle sind bei diesem Grundsatzstreit mit Begeisterung dabei. Man überschüttet sich mit Vorwürfen, die Linkspartei und die Grünen wollen zurück zum Sozialismus, weil eine Staatsquote von hundert Prozent am besten sicherstellt, dass Menschen nicht individuell Schindluder treiben mit dem Geld, das ihnen selbst gehört, obwohl der Staat es viel sinnvoller anlegen könnte. Die SPD als frühere Facharbeiterpartei sieht das ebenso, würde ihr eigenes Immobilienvermögen aber gern behalten. CDU und CSU setzen auf mehr für alle, von allen und überall. Die AfD möchte von rechts kollektivieren. Und die FDP einfach nur noch einmal den Sprung in den  Bundestag schaffen.

Der Staat als Zwerg

Eine Schlachtordnung, bei der niemand Rücksicht auf irgendwelche Fakten nehmen kann. Dass inzwischen ein Drittel der Dax-Firmen in staatlichem Besitz sind, dass die deutsche Staatsquote ein Drittel über der der USA liegt und gleichauf mit dem des Krisenstaates Griechenland und dass die Steuerquote in Deutschland weltweit dermaßen Spitze ist, dass nur Belgien noch darüberliegt, irritiert im besten Deutschland aller Zeiten keinen Diskutanten. Immerhin hat es der Staat, dieses von Neoliberalen zum Zwerg zurückgestutzte arme, arme Restwesen einstiger Größe, in den vergangenen Jahren geschafft, seine Verwaltungen mit zehn Prozent mehr Personal auszustatten. Während er im selben Zeitraum insgesamt nur ein Viertel mehr Geld für Personalausgaben zur Verfügung hatte.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lars Klingbeil (SPD lol). Die Zeit und eine Soze wie aus dem Lehrbuch

„Es ist jetzt Aufgabe der SPD, den Staat als strategischen Investor in Position zu bringen.“
Nachdem das Gelächter verklungen ist, bringt er als Beispiel Thailand, wo viel mehr Breitband ist als in Deutschland.
Was er nicht erwähnt, wie es der Staat in Thailand geschafft hat, so ohne SPD. Und wahrscheinlich war es auch nicht der Staat in Thailand, sondern einfach der freie Markt. Pfui Teufel! Die SPD bewahre uns davor.

Dann erzählt er uns einen vom Pferd:

„Im Dezember vergangenen Jahres startete ein Fotograf aus dem nordrhein-westfälischen Schmallenberg-Oberkirchen ein kleines Experiment. 4,5 Gigabyte Fotos sollten zur zehn Kilometer entfernt liegenden Druckerei. Parallel zur Datenübertragung schickte er einen Boten zu Pferd mit USB-Stick los. Als das Pferd zwei Stunden später schon wieder im Stall stand, dauerte die Datenübertragung immer noch an.“

Bruder Danisch hat das schon vor Wochen genüsslich entsorgt. Diese Story wird erzählt, seit es Datenübertragungen gibt. Die Datenmenge und die Entfernung in der Story werden seit ca. 40 Jahren so gewählt, dass das Pferd gewinnt. Das Pferd gewinnt IMMER.

Die Anmerkung hat gesagt…

Onkel Heini

Kein Arbeitnehmer wählt noch SPD. SPD wählen pensionierte Oberstudienräte, die dem Malermeister nicht die Ersparnisse fürs Alter gönnen. So mein Eindruck.

https://twitter.com/OnkelHeini2/status/1366647139565240322

Anonym hat gesagt…

>Kein Arbeitnehmer wählt noch SPD

Die Arbeitnehmer sind seit geraumer Zeit eine Bevölkerungsminderheit. Mit Politik für diese Minderheit holt man keine Mehrheiten.

Anonym hat gesagt…

Bernd hat regelmäßig mit Sozi-ExpertInnen zu tun . Es is in echt sehr viel schlimmer als man es sich vorstellt - Echtsozis sind häufig verbeamtet und somit quasigöttlich und dementsprechend nett & umgänglich . Verbeamtete Sozi drohen eigentlich immer und überall . Interessant ist auch der Umgang mit externen Dienstleistern . Sozi-Oberstudienrat brüllt Montage-Strippenzieher an weil der die Wand aufreißt - der Sozi an sich liebt das Erniedrigungssetting ( der konkrete Fall war allerdings nicht folgenlos - der Obersozi war dann doch 8 Wochen kzH ) Gründe wurden nicht genannt .

oder auch die ganz liebe Sonderpädagogin aus Tübingen - verbeamtet , humorlos , eigentlich ziemlich ungebildet - mobbt regelmäßig Nachwuchslehrkräfte , entdeckt Nazisprech in irgendwelchen Aufzeichnungen , fordert anti-AfD Sitzungen ( wieso jetzt Frau Kollegin - hier in der Schule ? )

"ja weil doch einige Oberstufenschüler bei der JA sind " .

na und ? - ist die JA verboten ?

"so wie sie daherreden sollte man sie auch überwachen "

Bernd hat der dummen Sau dann doch eine geknallt .

heimlich still und leise - aufm Parkplatz .

Anonym hat gesagt…

Kein Arbeitnehmer wählt noch SPD -

Also, darauf kann man einen lassen.
Bitter lachen muß ich immer, wenn ich lese, die Stimmung im Volk würde kippen.
Wäre dem so, hätte es spätestens nach der Ansage mit der "Armlänge Abstand" einen Anstieg der Rohheitsdelikte geben müssen. Das war nun eben nicht der Fall.