Montag, 10. Mai 2021

SPD: Der Letzte macht das Licht aus

Vier Jahre, viermal letzte Hoffnung: Schulz, Nahles, Borjans+Esken und Scholz.


Immer wieder taucht sie auf, die letzte Hoffnung. Kaum dass die SPD, eine Partei in der Auslaufrille der gesellschaftlichen Notwendigkeit, sich eine wegweisende neue Führungsfigur erwählt, geht es nicht ohne die Schlagzeile von der "letzten Hoffnung" der früheren Arbeiterpartei. Als Andrea Nahles den Machtkampf mit den alten Kräften in der Partei gewann und Sigmar Gabriel als letzten Vertreter der Schröder-Ära aus dem Amt drängte, war die propere Maurermeistertochter diese letzte Hoffnung. Nahles, die heute als fachkundige Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation dient, enttäuschte, aber als das geschah, war Martin Schulz schon da.  

Gehauen aus tumbem Kulissenkies

Ein Polit-Urgestein, gehauen aus taubem Kulissenkies, das dank jahrzehntelanger Hinterzimmerarbeit vom Start weg in allen Zeitungs- und Fernsehredaktionen das Gefühl zu verbreiten wusste, er sei sie nun aber wirklich, die letzte Hoffnung der Brandt- und Schmidt-Partei, die eingangs seiner Amtszeit schon schwer in den Seilen taumelte, nach außen aber stets signalisierte, sie sei fit für die nächste Runde. 

Im Rückblick war Schulz, ein kleiner Mann, den ein explosiver Geltungsdrang zwang, seine Pappaufstelle für den Wahlkampf überlebensgroß fertigen zu lassen,  eine der kürzesten letzten Hoffnungsphasen der deutschen Sozialdemokratie. Brachte es seine Nachfolgerin Nahles noch auf 14 Monate, schaffte er nur 13, ein Interregnum, das heute schon ebenso weitgehend vergessen ist wie Scholz, der nach seiner Abdankung von seinen Genossinnen und Genossen ganz nach hinten in die letzte Bundestagsreihe geschoben wurde. 

Der verschwundene Präsident

Wie sehr Schulz fehlt, wird nur bei der Betrachtung der Bedeutung des EU-Parlamentspräsidenten deutlich. Seit der Deutsche den Posten hatte aufgeben müssen, um die Bundestagswahl zu verlieren, die Sigmar Gabriel selbst nicht zu verlieren bereit war, existiert der jeweilige Inhaber des bis dahin zu den  bedeutsamsten Ämtern der Welt gezählte Amt in deutschen Medien überhaupt nicht mehr. Martin Schulz hatte das bedeutungslose Amt mit Leben erfüllt, ihm eine Wichtigkeit verliehen, die es nie hatte. 

Weder der Italiener Antonioa Tajani, der nach Schulz einer Hinterzimmerabsprache der beiden großen Parteiblöcke zufolge auf dessen Sessel rückte, noch der aktuelle Vorsteher des größten Parlaments eines Staatenbundes im gesamten bekannten Weltall - ein Spanier namens David-Maria Sassoli- ist irgendwem in irgendeiner Redaktion bekannt, als Interviewpartner begehrt oder irgendeinemner deutschen Wähler*:_In jemals auch nur namentlich begegnet.

Frischer Start mit frischen Gesichtern

Als die SPD etwas Neues wollte, einen frischen Start mit frischen Gesichtern, holte sie sie von dort, wo Martin Schulz seit seiner Brutuisierung sitzt und weiß, dass er es besser gemacht hätte. Saskia Esken und Walter Borjans, zwei Charismatiker aus der föderalen Furche, übernahmen nach einer gnadenlosen Selektierung durch Teile der Parteibasis die Führung. Sigmar Gabriel, mit seinem erzwungenen Abschied aus der aktiven Politik für die Schwächeren ein zynischer Beobachter der Vorgänge in seiner Partei, deren Anführer er nur als "die" anzusprechen pflegt, beschreibt es gnadenlos. Die eine Hälfte der Mitglieder habe gar nicht abstimmen wollen, weil sie in der Partei sei, um geführt zu werden. Die andere Hälfte habe niemanden wählen wollen, den man schon kannte. "So sind es dann diese beiden geworden."

Herr Harmlos und Frau Eifer, kaum erschienen, schon mit dem Bühnenhintergrund verschmolzen. Olaf Scholz, einer derjenigen, die die Basis als Parteivorsitzenden nicht haben wollte, hat den Staffelstab der letzten Hoffnung der ältesten deutschen Partei nun übernommen. Olaf Scholz, wie Schulz eines erfahrene Betriebsnudel des Politikbetriebes in Berlin, muss ein "Signal zum Aufbruch" (ZDF) setzen, ohne dass irgendwer in der SPD überhaupt noch wüsste, wohin es sich aufzubrechen lohnen könnte. Mit sozial muss was rein, mit Miteinander, Gerechtigkeit, Öko ist ganz wichtig, weil Klima, aber die Digitalisierung darf nicht zu kurz kommen.

Als Verlierer auf die Strecke

Olaf Scholz, Charismalevel Schulz, nur ohne dessen dauererigiertes agiles Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, tritt ein schweres Amt an, das vielleicht das leichteste ist, das einer der Wahlkämpfer von der Resterampe der fetten Jahre nach Gerhard Schröder erwischt hat. Die neueste "letzte Hoffnung der SPD" geht als Verlierer auf die Strecke, weit abgeschlagen von der grünen Spitzenfrau, in die heute schon jede, jeder und jedes bis über beide Ohren verliebt ist, aber auch deutlich überflügelt vom Unionskonkurrenten, dem niemand das Amt zutraut und den weit und breit auch keiner leiden kann. Scholz ackert sich weit dahinter über die Strecke, mit absurden Versprechungendemonstrativer Vergesslichkeit und Landschaftspflege auf Kosten künftiger Generationen. Bisher gelingt es ihm, die SPD bei stabil 14 bis 15 Prozent zu halten, das ist noch mal ein Viertel weniger als Schulz bei der letzten Bundestagswahl aus den Urnen kratzte.

Und doch ein Erfolg, denn geht alles nach Plan, reicht das, um mit irgendwem anders weiterzuregieren. Und das tun zu dürfen, ist nun wirklich die letzte Hoffnung der SPD.


5 Kommentare:

Ausknipser hat gesagt…

Wo schon lange kein Licht mehr brennt, weil alle Energiesparbirnen längst durchgeknallt sind, kann man auch keins mehr ausmachen.

Diese nicht gerade hellsten Kerzen auf der zermatschten Buntestorte mögen sich noch gegenseitig heimleuchten können, mehr aber nicht.

Allerdings weiß man trotz Umfragen nie, was im kollektiven Micheloberstübchen herum spukt und dann bei der nächsten Wahl wieder ankreuzt, was schon Omma und Oppa wählten. Es könnte also doch noch zu einer Renaissance der Armleuchter und Tranfunzeln kommen, denn kleine Lichter bleiben gerne im ihnen vertrauten Stall.

Anonym hat gesagt…

Für eine Partei, denen die halbe Presse gehört, performen die miserabel. Könnte daran liegen, dass die Presseführer ihre Direktiven nicht aus der SPD-Zentrale bekommen sondern eher umgekehrt.

Anonym hat gesagt…

Wenn man bedenkt, dass die SPD seit Oktober 1998 mit Ausnahme der 17. Legislaturperiode immer mit die Regierung stellte, dann hört sich „Signal zum Aufbruch setzen“ nach Abschied an.

Jodel hat gesagt…

Wenn man es genau nimmt, sind doch alle Vorsitzenden der SPD nach Schröder "letzte Hoffnungen". Mehr gibt der Kader doch nicht mehr her.
Ich hoffe das der Kevin möglichst bald die neueste "letzte Hoffnung" wird. Ab dann ist wirklich Schicht im Schacht. Dann kommt die 5%-Hürde in greifbare Nähe und das Elend hört endlich auf. Dann können sich die Genossen in Vollzeit um ihren Medienkonzern kümmern und müssen nicht immer noch nebenher Politik machen. Wie man sieht funktioniert das eben nicht.

Anonym hat gesagt…

Ich hoffe das der Kevin möglichst bald die ...

Besser: Ich hoffe, dass der Kevin bald ...

Und, dass die Noskehunde unter 5% sacken, sehe ich nicht als Nächstes.