Samstag, 2. Oktober 2021

Führerschein-App: Digitale Offensive ins Aus


Schneller war wohl noch kein Land bei der entschlossenen Beschleunigung der Digitalisierung aller Lebensbereiche. Noch kurz und knapp vor der Bundestagswahl kündigte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer den digitalen Führerschein vollendetes Beispiel dafür an, dass Deutschland es eben doch kann: Ohne eigene Großunternehmen aus der digitalen Welt, gestützt nur auf hessische Handwerkskunst einer kleinteiligen Fördermittelindustrie, hatte die App für mehr als eine Woche "das Potenzial, den Alltag von Autofahrern deutlich zu erleichtern" (Tagesschau).  

Lob von der Tagesschau

Statt des gerade erst angekündigten großen neuen fälschungssicheren EU-Führerscheins, der dem Bund in Verlauf der großen Umtauschaktion der kommenden Jahre Millionen einbringen sollte, war in aller Stille ein aufwändiges Projekt umgesetzt worden, das "aufwändige Video-Überprüfung des Führerscheins, beispielsweise für Carsharing oder Mietauto" überflüssig machte, wie die Tagesschau lobte. "Einfach App laden und losfahren - dazwischen lag nur noch ein Klick auf den digitalen Führerschein", zumindest bis das große E-Government-Projekt nach nur sechs Tagen in die Werkstatt zurückgerufen wurde. 

Die digitale Führerschein-App mit dem geheimnisvollen Anwendungsbereich, Hotel-Check-Ins auch dann zu erlauben, wenn Kreditkarte, Personalausweis, Pass oder EC-Karte gerade mal zu Hause vergessen wurden, verschwand den App-Stores. Der Langener Hersteller "Digital Enabling GmbH" selbst hatte das "ID Wallet" zurückgezogen.

Zu hohe Nachfrage

Zu hohe Nachfrage, zu überraschend, dass Nutzer nutzen wollten, was "digitale Identitäten sicher und kontrollierbar" (Eigenwerbung) hatte machen sollen. Sicherheitsexperten hatten scheunentorgroße Löcher im Programm gefunden, die Infrastruktur hinter der App und die Blockchain-Technik hinter der Anwendung könnten angreifbar sein, kommentierte der Chaos Computer Club, obwohl die Anwendung selbst denkbar nutzerunfreundlich zugeschnitten war: Um überhaupt einen digitalen Führerschein ausstellen zu können, benötigt der Nutzer nicht nur ein NFC-fähiges Smartphone, sondern auch einen Personalausweis mit aktivierter Online-Ausweisfunktion und die sechsstellige Ausweis-PIN.

Der Schaden immerhin hält sich in Grenzen, denn abgesehen von Mietwagen- oder Carsharing-Firmen, die die im Smartphone gespeicherten Führerscheindaten mit Hilfe einer blockchainbasierten Prüfnummer hätten mit einer Datenbank abgleichen können, war die von der Bundesregierung als "Self Sovereign Identity" bezeichneten Insellösung noch frei von Anwendungsfällen. 

Self-Tor

Als Ersatz, um sich bei  Polizeikontrollen ausweisen zu können, war der digitale Führerschein aus rechtlichen Gründen jedenfalls nicht gedacht - und auch nach dem geplanten "Relaunch der App mit bereits geplanten umfangreichen Verbesserungen an der Nutzerinnen- und Nutzerführung sowie am Design" (Digital Enabling GmbH) wird sich daran nichts ändern. Ehe es soweit sein kann, müsste auf  EU-Ebene eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, die dann in allen 27 Mitgliedsländern umgesetzt werden muss. Eine solche europäische Lösung kann schon mal 14 Tage dauern,  manchmal sogar bis zu 14 Jahren.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ob es eine Liste von Projekten und Ideen der Bundesregierung gibt, die funktionierten?

Anonym hat gesagt…

ja die aktuelle Umvolkungsmaßnahme (West) und die Begleitmusik vom "deutschlandfunk"