Donnerstag, 7. Oktober 2021

Im Ampelatorium: Armin, der Egon Krenz der CDU

Der Mann, dem die Medien vertrauten: Ehe Baerbock abstürzte und Scholz an ihre Stelle trat, traute Berlin politische Blase Armin Laschet die Kanzlerschaft zu.

Als es noch zu schienen scheinte, dass er es schaffen würde, war der kleine Mann aus Aachen nicht ein ganz so großer Held wie es vor ihm der kleine Mann aus Würselen gewesen war. Armin Laschet aber durfte sich auch nicht über den Mangel Vorschusslorbeeren beschweren: Der "Machtmenschliche" ist er in jenen verrückten Tagen gewesen, ehe seine Partei ihn auf den Schild hob und beschloss, dass dieser deutschlandweit weitgehend unbekannte feiste Kerl mit mit dem verschlagenen Lächeln der Mann nach Merkel sein sollte. Ein Versöhner, Visionär, ein Einiger der auseinanderstrebenden teile des Landes, hier der Norden, dort der Süden, hier die konservativen Dieselfahrer, da die Freunde von Lastenrad, Unverpackt-Laden und modernem Aberglauben an Homöopathie und die weltengestaltende Kraft der menschlichen Rasse.

Laschet hat sich selbst geglaubt

Laschet selbst hat es wohl zeitweise auch geglaubt. Hatte ihm die "Tagesschau" nicht die "Rede seines Lebens" bescheinigt? War nicht der "Spiegel" vor ihm niedergekniet und hatten nicht sogar ausländische Medien ihn gelobt? Dass es nicht das Parteivolk  mit seinem verbildeten Sinn für Populismus, Charisma und Strahlkraft gewesen war, dass ihn erwählt hatte, sondern der Funktionärsadel, der seine Posten nahezu durchweg der Ära Merkel verdankt, trübte die Freude nur wenig. Im Penthaus der Politik nimmt man, was kommt und freut sich danach, weil man genau das ja schon immer gewollt hatte. Zeuginnen wie Katharina Barley, Ursula von der Leyen, Andrea Nahles oder Wolfgang Schäuble sind Legion. 

Armin Laschet, dem Grüne und FDP, vor allem aber sein immer noch zorniger Parteikollege Markus Söder jetzt den Stuhl vor die Tür gestellt haben, unterscheidet sich nicht von diesen Kolleginnen und Kollegen. Barley hatte den SPD-Vorsitz im Blick und nun sitzt sie unbeachtet im EU-Parlament. Weil Nahles sie ausmanöverierte, um die eigene Macht zu erhalten, die sie so schnell verlor, dass ihr nur noch der Sprung auf einen Versorgungsposten blieb. Schäuble wollte Bundeskanzler sein und fand sich als Kardinal Richelieu der Union wieder, ein hinterlistiger Strippenzieher, der Laschet protegierte und deshalb nun seinen Zwangstraumposten als Bundestagspräsident verlieren wird. 

Irgendwie grün und teuer

Für Ursula von der Leyen sieht es nur von fern betrachtet besser aus: Einst vor dem eigenen Handy nach Brüssel geflüchtet, musste die Vielfachministerin ihre Kanzlerambitionen in Berlin zurücklassen. Leyen substituierte das mit der Idee, "Europa" - sie meint damit die EU - tiefgreifender umzubauen als es beim Übergang von Feudalismus zu Industriegesellschaft geschehen war. "Fit for 55" sollte der Kontinent werden, irgendwie grün und teuer. Aber kaum hatte die Kommissionspräsidentin zu Ende vorgelesen, was ihr an Möglichkeiten zur Volkserziehung über unübersehbare Preissignale eingefallen war, war schon alles so teuer geworden, wie es doch erst noch hatte werden sollen.

Eine Parade der Gescheiterten, in der nun auch Armin Laschet mitmarschiert, ein später Wiedergänger des Honecker-Nachfolgers Egon Krenz. Der war über Jahre als Hoffnungsträger, Reformer und Neubeginner der DDR-Diktatur durch die Medien im Westen gegeistert, ein Schattenmann mit riesigem Mund, von dem jeder viel erwartete, der die Verhältnisse in der DDR nicht kannte. Als er dann am 18. Oktober 1989 nach der Macht griff, zum Jagen getragen von Honeckers engsten greisen Kampfgefährten, glückte der Neustart ähnlich überzeugend wie der des Armin Laschet am 16. Januar 32 Jahre später.  

Laschet reicht die Stoppuhr

Krenz hielt 49 Tage an der Spitze aus, ehe er am 6. Dezember 1989 aufgab. Laschet liegt heute bei 265 Tagen, doch der 60-Jährige - am Tag seiner Inthronisierung als junger Star der Union acht Jahre älter als Vorgänger Krenz seinerzeit - braucht keinen Kalender mehr, um auszurechnen, wann seine Wahl "rückgängig" (Angela Merkel) gemacht werden wird. Eine Stoppuhr reicht.

Die Geschichte der Bundesrepublik, eines über Jahrzehnte erfolgreichen Staates, der dann eines Tages im Übermut beschloss, den Verstand zu verlieren, geht ohne den kleinen Rheinländer weiter, der den Rest seiner Karriere als Hinterbänkler im Bundestag absitzen wird wie es vor ihm Martin Schulz, Sigmar Gabriel, Hans-Peter Friedrich oder Christian Schmidt getan hatten. An der Tür dessen, was im DDR-Kinderbuch "Alfons Zitterbacke" als "Ampelatorium" beschrieben wurde, drängt sich eine neue Generation, mit Olaf Scholz als letztem Vertreter der Jahrtausendwende-Hartz-SPD ins Geschäft zu kommen. 

Geplatzte Pläne

Schwierige Verhandlungen stehen da bevor, denn alles, was es bei den Regierungs- und Mitregierungskandidaten an groben Plänen für die Zukunft gab, ging davon aus, dass es reichen wird, ein paar Stellschrauben zu drehen, ein paar Kraftwerke abzuschalten, noch ein bisschen mehr Geld übers Land zu streuen und die eigene Klientel mit ein paar symbolischen Verboten, zeitaufwendigen Bürokratieabbauprojekten und sozialen Wohltaten zu befrieden. Dass Preise für Strom, Gas, Öl, Lithium, Kupfer, Zement, Holz oder Weizen auch steigen können, wenn der Staat Steuern und Abgaben darauf noch gar nicht erhöht hat, kommt für Lindner, Habeck, Scholz und Co. vollkommen überraschend. Später werden sie ebenso überrascht sein, wenn sich herausstellt, dass auch Zinsen steigen können, selbst wenn man es auf Biegen und Brechen zu verhindern versucht.

Jedenfalls ist der Spielraum weg, der Vorrat an Zucker, mit dem die bittere Medizin des Energieausstiegs verabreicht werden sollte, schon vor Amtsantritt der Ampel-Koalition verfrühstückt. Höhere Preise sollten den Umbau Deutschlands zur Klimanation antreiben - doch nun ist noch gar nicht richtig begonnen worden und schon ist alles allen viel zu teuer. Wie Egon Krenz, der einen Staat übernahm, den er auch selbst für die zehntstärkste Industrienation hielt, ehe er feststellten musste, dass Zwerg auf tönernen Füßen stand, steht auch die Ampel vor der Erkenntnis, dass alles, was an Verteilungsmasse helfen sollte, "die Menschen mitzunehmen" (Angela Merkel) in eine neue Zeit der energetischen Wunder, bereits dreimal versprochen und ausgegeben ist.

Armin Laschet, inzwischen nur noch bedauert wegen seiner Weigerung, sein Scheitern anzuerkennen, wird in einigen Monaten oder Jahren vielleicht froh und glücklich sein, den Posten, den er so sehr wollte, dass er selbst nicht bemerken konnte, dass er damit der Einzige war, nicht bekommen zu haben.


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